Birk Grüling

Wissenschaft für kleine und große Leser:innen, Buchholz

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Von Rapperin Sookee zu Sukini: Eine starke Stimme für die Kindermusik

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Platte für Kinder aufzunehmen?

Sukini: Es war weder der Frust über schlechte Kindermusik noch die Idee einer Plattenfirma. Ich hatte einfach Lust darauf, meine Themen noch einmal anders zu erzählen und zwar für ein jüngeres Publikum. Besonders die Vorstellung, dass die Kinder mit ihren Eltern ins Gespräch kommen zu Themen wie Vielfalt oder Toleranz, hat mich gereizt. Immerhin hat Kindermusik - gemeinsames Tanzen und Singen - etwas sehr Verbindendes. Anfangs war es vielleicht sowas wie eine romantisierte Schreibübung, die sich dann schnell zu einem Album verselbstständigt hat. Ich habe noch nie so schnell ein Album geschrieben und auch die Aufnahmen im Studio waren so wunderbar leichtfüßig. Umso leichter fiel es mir, mich ganz auf die Kindermusik einzulassen.

Gab es für dich einen Schlüsselmoment, der dich darin bestärkt hat, den Rap aufzugeben und nur noch Musik für Kinder zu machen?

Die Rap-Szene hat mich in den letzten Jahren viel Kraft gekostet, der harte und ständige Diskurs, die Schnelllebigkeit der Musik und das ständige Touren. Dabei kommt man schnell an seine Grenzen, gerade weil ich die Frauenfeindlichkeit, Homophobie oder Gewaltverherrlichung vieler Kollegen nicht einfach so hinnehmen konnte und wollte. Irgendwann war einfach die Luft raus. In der Kindermusik geht es dagegen nicht darum, irgendein Game zu übernehmen oder einen Kollegen zu dissen. Auch der Druck auf die Musik ist nicht so groß. Ich muss nicht sofort auf Tour gehen, nicht sofort durch die Radiostationen tingeln. All das schont meine Nerven und meine Kräfte. Die gewonnene Energie stecke ich lieber in meine Musik.

Deine Themen als Rapperin waren nicht gerade klein - Kapitalismuskritik, Feminismus, Homophobie, aber auch Toleranz und Vielfalt. Sind das auch Themen für Kinder?

Natürlich möchte ich die Kinder nicht zu früh desillusionieren oder irgendwie in das „Dunkel der Welt" hineinziehen. Trotzdem glaube ich, dass viele „erwachsene" Themen auch die Lebenswelt der Kinder berühren und sie damit etwas angehen. Es geht eher um die Aufbereitung der Themen. Zum Beispiel spreche ich in meinem Lied „Miteinander" darüber, dass uns Konkurrenz und ständiges Vergleichen nicht weiterbringt. Das darf man durchaus als Kapitalismuskritik verstehen. Auch Feminismus passt in Kindermusik. Zum Beispiel spreche ich im Lied „Quatsch" darüber, wie es wäre, wenn Pippi Langstrumpfs Freundin Annika doch cool und mutig wäre. Und in „Glitzer" geht es darum, was aus all den anderen Farben wird, wenn alle Kinder nur Rosa und Blau tragen.

Denkst du bei deinen Songs auch an die großen Hörer?

„Schmetterlingskacke" ist so schnell und so ungeplant entstanden, dass ich mir gar keine strategischen Überlegungen machen konnte. Mir war es eher wichtig beide Perspektiven zusammenzubringen und vielleicht Gespräche am Abendbrottisch anzuregen. Zum Beispiel geht es in „Fragen fragen", um die ständige Neugier von Kindern, die Eltern auch an den Rand der Verzweiflung bringen kann. Gerade wenn sie vom Alltag vielleicht geschafft sind, aber die Kinder noch so viele Fragen haben. Solche Perspektivwechsel und Gesprächsanlässe finde ich interessant. Aber dahinter stecken keine strategischen Gedanken.

Darf Kindermusik also als mehr sein als Entertainment und Spaß für kleine Ohren?

Auf jeden Fall. Kinder dürfen auch zu Musik grübeln oder träumen. Kindermusik nur auf Tanzbarkeit oder Dauerbespaßung zu reduzieren, wäre aus meiner Sicht vermessen. Kinder haben ein Recht darauf, Fragen gestellt zu bekommen oder zum Nachdenken angeregt zu werden. Ich glaube, Kinder dürfen auch durch alle Gefühle gehen. Es ist nicht immer alles schön und lustig, manchmal tut man sich auch mal weh oder ist traurig. Diese Bandbreite der Gefühle darf auch in der Musik für Kinder stattfinden.

Wie steht es aus deiner Sicht um Rollenbilder in Musik, Büchern oder Filmen für Kindern?

Ich würde mich über mehr Normalität von Vielfalt freuen. Nehmen wir ein starkes Mädchen wie Pippi Langstrumpf. Die ist für mich die Beyonce der Kinderliteratur - ein bisschen nicht von dieser Welt. Sie kann Pferde hochheben und wohnt allein in einem Haus. Ihre Figur überstrahlt alles und lässt den Rest verblassen. Tommy und Anika sind da schon wieder sehr klischeesbelastet. Ich glaube, es ist wichtig Vielfalt als normaler und selbstverständlicher zu erzählen. Es gibt Geschichten über kleine Jungs, die gerne Röcke tragen. Daraus wird dann schnell ein Problem, das am Ende zwar oft aufgelöst werden kann, aber immer noch ein Problem bleibt. Ich würde mir mehr Geschichten über kleine Jungs in Röcken wünschen, die gerne auf Bäume klettern oder Fußball spielen. Gleiches gilt für starke Mädchen oder Kinder mit Behinderung.

Achtest du als Mutter auf Vielfalt, wenn du Filme oder Kinderbücher aussuchst?

Das ist ein wenig wie bei Süßigkeiten. Die Menge macht es. Ich möchte meinem Kind nichts vorenthalten, nur weil es meinen Vorstellungen nicht entspricht. Sie darf alle Kinderbücher lesen, die sie möchte und auch so viel Rosa tragen wie sie will. Immerhin möchte ich die Bedürfnisse und Wünsche meines Kindes respektieren. Gleichzeitig versuche ich natürlich Dinge wie Vielfalt oder Toleranz zu thematisieren oder auch vorzuleben - und manchmal findet man die auch an ganz unerwarteten Stellen.

Hast du dafür ein Beispiel?

Ganz klar, Elsa, die Eisprinzessin. Der Film hat eine schöne Geschichte, auch wenn die sich unter dem Disney-Rummel etwas versteckt. Da ist ein Mädchen mit großer Begabung, die ihre Kindheit lang eingesperrt wird, weil ihr die Eltern nicht zutrauen, mit ihren besonderen Fähigkeiten umzugehen. Elsa ringt den ganzen Film mit sich selbst, um mit ihrer Gabe und ihrer Selbst ins Reine zu kommen. Und am Ende rettet sie nicht wie sonst im Märchen die große Liebe zu einem Prinzen, sondern die Beziehung zu ihrer Schwester. Hier gibt es viele Elemente, die normalen Märchen-Traditionen brechen und darüber mit der eigenen Tochter nachzudenken, macht mir immens viel Spaß.

Über Sukini:

Nora Hantzsch, alias Sukini, ist seit 15 Jahren eine starke Stimme gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Nach dem Ende ihrer Rap-Karriere widmet sie sich heute ganz der Kindermusik. Ihr Debütalbum „Schmetterlingskacke" erschien im September und widmet sich auch „ernsten" Themen wie Geschlechterrollen, Rassismus oder Mobbing.

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