Was macht Väter in der heutigen Zeit aus? Inwiefern hat sich die Vaterrolle geändert? Welchen Schwierigkeiten stehen Väter gegenüber? Welche Herausforderungen müssen die „neuen" Väter meistern? Margit Stamm ist Erziehungswissenschaftlerin. In ihrem neusten Buch „Neue Väter brauchen neue Mütter" fordert sie die Mütter auf, für die Väter Platz zu machen. Sie stellt die neuen Herausforderungen, denen sich die Väter von heute gegenübersehen, in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang und zeigt, dass neue Väter nur Verantwortung übernehmen können, wenn die Mütter loslassen. Ein Interview.
Frau Stamm, was macht aus Sicht der Forschung einen guten Vater aus?Ein guter Vater widmet sich bewusst und zeitintensiv seinen Kindern. Er ist ihnen zugewandt, kann die Kinder leiten und ist ein gutes Vorbild. Präsenz allein ist dabei nicht entscheidend, auch wenn das lange in der Forschung als wichtigstes Qualitätskriterium galt. Wir wissen heute, dass auch Männer, die Vollzeit arbeiten, gute Väter sein können - jedenfalls, wenn sie sich zu Hause aktiv den Kindern widmen.
Häufig wird von „neuen Vätern" gesprochen. Was machen sie anders als ihre eigenen Väter?Die Väter heute verbringen deutlich mehr Zeit mit ihrer Familie als noch vor zehn oder 15 Jahren. Auch die Betonung der väterlichen Autorität hat abgenommen. An ihre Stelle tritt emotionale und körperliche Präsenz. Väter von heute kuscheln und trösten viel selbstverständlicher und unterstützen ihre Frauen bei der Berufstätigkeit. Anders ist das Bild bei der Hausarbeit. Hier sind Männer immer noch nicht so engagiert, wie die Mütter es erwarten.
Wie stark hat die Elternzeit die Vaterrolle verändert?Studien zeigen, dass die Elternzeit ein hervorragendes Instrument ist, damit Mütter und auch Väter ihre Elternrolle aktiv(er) finden und leben können. Väter, die die Elternzeit genutzt haben, sind in der Regel engagierter im Haushalt und kümmern sich auch danach intensiver um ihre Kinder.
Auch junge Paare verfallen schnell in sehr traditionelle Muster, wenn die Kinder da sind. Woran liegt das?Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Ein wichtiger ist die finanzielle Situation. Männer verdienen oft mehr als Frauen. Die Gender-Pay-Gap spielt natürlich auch für Eltern eine große Rolle und sorgt dafür, dass Väter häufiger die klassische Ernährerrolle übernehmen. Dazu kommen traditionelle Wertvorstellungen. Studien zeigen, dass viele Mütter bewusst länger bei den Kindern bleiben wollen. Die Begründung hat mich überrascht. Sie beriefen sich häufig auf den Mutterinstinkt und sahen sich besser für die Kinderbetreuung geeignet als die Väter.
Steht die Überhöhung der Mutterrolle der Gleichberechtigung im Weg?Unser Mutterbild ist in den 80er-Jahren stehen geblieben. Die Frauen fühlen sich für alles verantwortlich, selbst wenn sie mitten im Berufsleben stehen. Genau diese Belastung aus Kindern, Haushalt und Beruf sorgt für so großen Stress, dass viele Mütter am Rande eines Burn-outs stehen. Für mehr Gleichberechtigung braucht es deshalb nicht nur mehr Kita-Plätze und Elternzeit, auch unser Mutterbild muss sich radikal wandeln. Es kann nicht sein, dass der ganze Erwartungsdruck auf allein auf den Frauen lastet.
Wie kann dieser ideologische Wandel gelingen?Unsere Vorstellung über Mutterschaft kommt nicht von den Frauen allein, sondern ist tief in der Gesellschaft und in der Fachwelt verankert. Die Elternarbeit oder die Medizin legen immer noch einen sehr starken Fokus auf die Frauen, Väter kommen nur am Rande vor. Das führt auch dazu, dass Frauen für Probleme verantwortlich gemacht werden. Ist die Ernährung gesund? Schläft das Kind richtig? All diese Fragen und Entscheidungen werden den Frauen allein „angelastet". Diese Fixierung auf eine „intensive Mutter" wird so schnell zur Belastung.
Welchen Einfluss hat die ungleiche Bezahlung zwischen Männern und Frauen bei dieser Rollenfestlegung?In der Schweiz hat eine Umfrage gezeigt, dass Frauen vor allem in Teilzeit arbeiten wollen, aber mit Aufstiegschancen, spannenden Aufgaben und einer guten Absicherung durch Gehalt und Jobgarantien. Doch genau dieser Anspruch wird selten erfüllt. Mitarbeiter in Teilzeit haben es in den meisten Unternehmen unnötig schwer. Würde sich das ändern, wäre es auch für Männer attraktiver, in Teilzeit zu arbeiten.
Welche Rolle spielt die gesellschaftliche Anerkennung von Kindererziehung oder Hausarbeit?Unsere Befragungen zeigen immer wieder, dass Väter einen freien Nachmittag für die Familien unter der Woche durchaus schätzen, aber sich nicht so aufopferungsvoll in die Familienarbeit stürzen. Es ist eine spannende Frage, was passieren müsste, damit auch Väter ähnlich aufopferungsvoll dabei sind wie Mütter. Ein guter Weg wäre sicher eine Aufwertung der Fürsorgeleistungen. Pflege, Kinderbetreuung, Haushalt wurde viel zu lange als typisch weiblich gesehen. Mit diesem Stempel ist es weniger wert und wird schlechter bezahlt. Durch eine Aufwertung könnten diese Aufgaben auch bei Männern mehr Gewicht bekommen. Das ist nicht nur eine politische Herausforderung, sondern auch eine familiäre.
Margit Stamm Von Birk Grüling/RND