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Die größte Schlacht gegen den IS

Die Rückeroberung von Mossul wird den "Islamischen Staat" militärisch schwächen. Die Sicherheitslage im Irak wird sich dadurch aber nicht verbessern.

Was hat Lionel Messi mit dem "Islamischen Staat" (IS) und Mossul zu tun? Auf dem T-Shirt des kleinen Adnan steht der Name des argentinischen Fußballstars in großen Buchstaben geschrieben. "Es ist eine Demonstration gegen Daesh", sagt Adnan. Daesh, so bezeichnet man in der Region die Kämpfer der Terrormiliz.

Adnan kam vor Kurzem aus Mossul ins Flüchtlingslager Razalija im Westen von Bagdad. Der achtjährige Junge will mit dem Kleidungsstück an seine drei Freunde erinnern, die auch ein solches T-Shirt trugen und dafür mitten im Zentrum von Mossul je 30 Peitschenhiebe erhielten. Fußball sei harām, verboten, hätten die IS-Kämpfer gesagt und die Jungen öffentlich bestraft. Adnan wollte nur noch weg.

Während gut 400 Kilometer nördlich von Bagdad die Militäroffensive zur Rückeroberung von Mossul begonnen hat, kommen die ersten Flüchtlinge von dort in der Hauptstadt an. Je näher die kurdischen Peschmerga und die Soldaten der irakischen Armee an die ehemals zweitgrößte Stadt des Landes heranrücken, desto nervöser werden die Menschen in Bagdad.  

Abdelkadr, Adnans Vater, kann nur schätzen, wie viele Zivilisten sich noch in seiner Heimatstadt befinden. "Etwa eine Million", sagt er. Andere sprechen von 1,5 Millionen. Als der IS Mossul im Juni 2014 einnahm, hatte sie noch knapp drei Millionen Einwohner. Inzwischen sind jedoch viele geflohen. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Die UN gehen von insgesamt 3,5 Millionen Binnenflüchtlingen im Irak aus.

Abdelkadr, seine Frau, zwei Töchter und Adnan haben eine Odyssee hinter sich. 600 US-Dollar kostete es für jeden von ihnen, aus Mossul zu fliehen. Daesh achtete streng darauf, dass die Einwohner nicht weggehen. Auch die eigenen Kämpfer wurden in den Wochen vor der Militäroffensive mit Gewalt am Verlassen der Stadt gehindert. Zum Schluss musste man sogar 1.000 Dollar pro Person bezahlen, um aus der Stadt herausgeschleust zu werden. Jetzt geht gar nichts mehr.  

Abdelkadr und seine Familie wurden in das Gebiet der syrisch-türkischen Grenze gebracht. Sie strandeten irgendwo im Niemandsland. Wie die Familie schließlich nach Kirkuk kam, will Aldelkadr nicht sagen. Von dort ging es dann nach Bagdad. 

Das Militär verkündet erste Erfolge

Die bislang größte Militäroperation gegen das vor gut zwei Jahren ausgerufene Kalifat des IS wurde lange vorbereitet. Am Flughafen der kurdischen Metropole Erbil, 80 Kilometer von Mossul entfernt, standen schon seit Wochen Apache-Hubschrauber bereit. DC-10 Großraumflugzeuge flogen schweres Militärgerät der Amerikaner ein. Auch Soldaten waren mit an Bord. US-Präsident Barack Obama hatte die Zahl der amerikanischen Militärs für den Einsatz in Mossul um weitere 500 auf 5.500 aufgestockt. Zwar spricht man in Washington weiterhin von "Beratern" und "Experten". Doch diese haben auch einen Kampfauftrag.   

In Erbil wurde die mit 4,8 Kilometern längste Start- und Landebahn im Nahen Osten schon immer auch für militärische Zwecke geplant. Jetzt wird von hier aus ein Teil der Luftangriffe geflogen.

Acht bis zwölf Brigaden der irakischen Armee sind an der Operation beteiligt. Hinzu kommen Polizisten, Spezialkräfte der Antiterroreinheit der Regierung und kurdische Peschmerga-Kämpfer. Verschiedene, zum Teil untereinander verfeindete Milizen stehen ebenfalls bereit, etwa die Brigaden der schiitischen Volksmobilisierungsfront, die Truppen des früheren Gouverneurs Atheel al-Nujaifi, sunnitische Stammesmilizen und türkische Armeeeinheiten. Die kurdischen Peschmerga wollen bereits Geländegewinne im Osten von Mossul verbucht haben. Die irakische Armee spricht von einer gelungenen Einkesselung der Stadt. Doch der eigentliche Kampf um Mossul steht noch bevor.


Offensive verschärft Flüchtlingskrise

Im Lager Razalija leben mit Adnan und Abdelkadr bis zu 1.500 Menschen. Die meisten stammen aus der Provinz Anbar, wo der IS mit Ramadi und Falludscha zwei wichtige Städte verloren hat. Omar Youssef al-Nuri deutet weiter Richtung Westen, wo die Stadtgrenze Bagdads verläuft und die Straße nach Abu Ghureib. Seit einem Jahr hat er die Verwaltung des Lagers übernommen, stammt selbst aus Falludscha und nimmt seit Kurzem mehr und mehr Flüchtlinge aus Mossul auf. "Wir haben inzwischen schon 35 Familien von dort" sagt Al-Nuri.   

Laut Al-Nuri kommen viele Flüchtlinge aus Mossul wie Adnan und seine Familie über Kirkuk nach Bagdad. Dort wolle man Platz schaffen für den bevorstehenden Flüchtlingsandrang, sagt Al-Nuri. "Es ist Schlimmes zu befürchten", sagt er. Die vorhandenen Kapazitäten würden nicht ausreichen. Die bei ihm frei werdenden Zelte würde er sofort weitermelden, sodass andere nachrücken könnten. Die Einwohner Ramadis, das im Januar vom IS befreit wurde, gingen jetzt größtenteils zurück. Die aus Falludscha allerdings noch nicht. Die Stadt sei auch vier Monate nach der Rückeroberung noch immer unbewohnbar.

Unterdessen zeichnen sich erste Konsequenzen des Angriffs auf Mossul ab. Kurz nachdem Iraks Ministerpräsident Haidar al-Abadi die Militäroperation angekündigt hatte, explodierte in Bagdad eine Autobombe in unmittelbarer Nähe des Außenministeriums. Schwarze Rauchwolken nebelten für kurze Zeit das einst schneeweiße Gebäude ein. Krankenwagen und Feuerwehr rasten heran und bargen Tote und Verletzte.  

Mit ernstem Gesicht hatte Abadi im Staatssender Irakija die lang erwarteten Worte gesprochen: "Mein liebes Volk, Söhne von Mossul, die Stunde des Sieges ist gekommen. Die Operation zur Befreiung Mossuls hat begonnen. Gemeinsam werden wir den Islamischen Staat besiegen und unsere Stadt wieder aufbauen." 

Die Autobombe in Bagdad ist ein Vorbote dessen, was geschehen wird, sollte Abadi recht behalten. Denn auch wenn der IS militärisch besiegt werden kann und das Kalifat aufhört zu existieren, wird der Terror im Irak und weltweit nicht zu Ende sein.   


von Birgit Svensson