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Botschafterin unter extremen Bedingungen

"Bagdad war nicht mein Wunschposten", gibt Brita Wagener unumwunden zu. "Aber als man es mir angetragen hat, bin ich mit großer Neugier dorthin gegangen", sagt Wagener, die bis vor kurzem deutsche Botschafterin im Irak war. Zwei Jahre ist sie im Irak gewesen, einem Land im Umbruch. Sie wollte erfahren, wie weit der Irak auf dem Weg zur Demokratie gekommen ist, wie weit die wirtschaftliche Entwicklung das Leben der Menschen beeinflusst, wie die Kultur. "Ich erwartete ein Land im Aufwind."

Stattdessen hat sie einen weiteren Verfall des Zweistromlands beobachten müssen, das Wiederaufkeimen des Terrorismus. "Ich habe erfahren, wie schwierig es für ein Land nach Jahrzehnten von Diktatur, Sanktionen, Krieg und Bürgerkrieg ist, Normalität zu finden und demokratische politische Institutionen aufzubauen." Es sei viel mühsamer, als es sich viele Iraker selbst vorgestellt haben. Das zu sehen, sei sehr ernüchternd gewesen.

Die gute Seite

An eines aber dürfte sich Brita Wagener dann doch gerne zurückerinnern: Sie hat ihren Mann häufiger gesehen als sonst. Martin Kobler war zur gleichen Zeit Chef der UN-Mission im Irak. Wenn beide in Bagdad waren, gab es mittwochs ein Zusammentreffen. Dann fuhr die Botschafterin in den Stadtteil, in dem die UN ihr Hauptquartier hat und wurde von ihrem Mann zum indischen Essen eingeladen.


Die schlechte Seite

Ihre letzten Wochen in Bagdad waren die schlimmsten. Als die Terrormiliz "Islamischer Staat" in einer Blitzaktion weite Teile des Nordirak unter ihre Kontrolle brachte, dachte sie: "In drei Tagen stehen sie auch bei uns vor der Tür." Die bestehenden Sicherheitsregeln für die Gebäude im Bagdader Stadtteil Mansour wurden verschärft und fortan genauer befolgt. Die wenigen Deutschen, die sich im Irak zu der Zeit aufhielten, wurden aufgefordert das Land zu verlassen. Deutsche Ingenieure, die an der bis heute schwer umkämpften Raffinerie in Baiji, 190 Kilometer nördlich von Bagdad, arbeiteten, konnten gerade noch rechtzeitig außer Landes gebracht werden, bevor die schwarz vermummten Dschihadisten versuchten sie zu stürmen. "Die Intensität, die Geschwindigkeit und das planmäßige Vorgehen dieser Gruppe haben mich überrascht", gibt Brita Wagener zu.


Das Diplomaten-Ehepaar

Martin Kobler leitet seit Juni 2013 die UN-Friedensmission im Ostkongo

Brita Wagener wurde vor 59 Jahren in Salzgitter geboren und wollte schon als Kind Diplomatin werden. Zielstrebig studierte sie Jura, konzentrierte sich auf internationales Recht. Dass sie einmal einen der wenigen Topjobs als Frau in einem Krisengebiet bekommen werde, hätte sie damals jedoch nicht gedacht. Ihre Tochter war schon geboren, als sie und ihr Mann sich gemeinsam in den 80er Jahren um eine Karriere im diplomatischen Dienst bewarben und angenommen wurden. Die beiden Söhne kamen später. "Ein Ehepaar zusammen im diplomatischen Dienst, war damals noch selten", erinnert sie sich. Nicht wenige im Auswärtigen Amt sprachen von Interessenskonflikten.


Auch 2003, fast 20 Jahre später, merkten deutsche Medien noch kritisch an, als Wageners Mann, Martin Kobler, deutscher Botschafter in Kairo wurde und sie den Posten als Konsulin bekam. Als er nach drei Jahren zurück nach Berlin ging und danach für die UN nach Kabul, startete sie durch. Ganz allein. Generalkonsulin in Istanbul wurde ihr erster Leiterposten. Und sie hat ihn geliebt. Schwärmend erzählt sie von der Hohen Pforte, die einmal die kaiserliche Botschaft war und heute das Generalkonsulat beherbergt, schwärmt von der Lebendigkeit der Stadt, den unzähligen historischen Gebäuden. "Aufregend", kommentiert sie ihre Zeit dort.


Der Hochsicherheitstrakt

Die deutsche Botschaft in Bagdad wird scharf bewacht

Der Aufenthalt in Bagdad dagegen mutete wie ein Kontrastprogramm an. Ein willkürlich entstandener Compound, der die Botschaft bildet. Acht Häuser insgesamt gehören zu dem Komplex, der seit 2004 ständig erweitert wurde. Früher wohnten hier Familien mit Kindern, eine Bäckerei gehörte ebenfalls dazu. Jetzt dominieren T-Walls, wie die Betonstehlen à la Berliner Mauer im Fachjargon heißen, Stacheldraht, Sandsäcke, Überwachungskameras, Eisentore. Ein Hochsicherheitstrakt ist entstanden.

Sicherheitsschleusen aus irakischem Militär, Mitarbeitern von angeheuerten Sicherheitsfirmen und Mitgliedern der deutschen Spezialeinheit GSG9 umkreisen das Herzstück der Botschaft: das Arbeitszimmer des Botschafters, das auch ironisch "Dom" genannt wird. Die hohe Decke, die sich zum Firmament hin wölbt, gibt dem Raum eine sakrale Note. Ein Echo lässt die eigene Stimme widerhallen.


Die "Rote Zone"

Lebensgefährlich: Immer wieder gibt es Anschläge in Bagdad, wie hier im August 2014

"Die Botschaft liegt nicht in der besonders gesicherten 'Grünen Zone', sondern in der 'Roten Zone', in einer Wohngegend", erklärt sie die übertrieben anmutenden Sicherheitsmaßnahmen. Dadurch seien ihre Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt gewesen. Öffentliche Veranstaltungen durfte sie nicht besuchen: "Das macht diesen Posten schwierig, man lebt und arbeitet in einem Land, das man nur zu kleinen Teilen kennenlernen kann." Es gibt Botschaftsmitarbeiter, die den Komplex nie verlassen dürfen, lediglich die Straße zwischen Flughafen und Botschaft sehen, von Bagdad nichts kennen. "Wie ist es denn so draußen", werden die Besucher dann gefragt, "ist Bagdad schön?"

Das deutsche Innenministerium, das für die Bewachung der Auslandsvertretungen zuständig ist, hat in den Bürgerkriegsjahren 2006/07 die Standards für Bagdad festgelegt und sie beibehalten - auch als die Situation sich 2009 entspannte. Selbst als es in Afghanistan gefährlicher war, blieb die Sicherheitsstufe in der irakischen Hauptstadt höher als in Kabul. Mit der neuerlichen Bedrohung durch den "IS" sind die Bestimmungen nochmals verschärft worden. Wageners Nachfolger wird es noch schwerer haben, den Botschaftskomplex zu verlassen. Für ihn beginnt nun ein Leben hinter Mauern und Zäunen in einem Land das man vermutlich nie wirklich kennenlernen wird. Brita Wagener hat es bereits hinter sich.


von Birgit Sevensson