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Positionen zu Cannabis in der EU: Liberal, halblegal, strikt

In Prag wollen die Drogenbeauftragten der EU-Länder über eine progressivere Cannabis-Politik sprechen. Die Positionen der Mitgliedsstaaten könnten unterschiedlicher kaum sein.

In einem Parkhaus zieht der polnische Rapper Mata genüsslich an einem Joint. Es ist eine Szene aus seinem Musikvideo zum Song "Patointeligencja". Der wurde innerhalb kurzer Zeit zu einem Internetphänomen und auf YouTube bis September 2022 mehr als 60 Millionen Mal angeklickt.

Im wahren Leben wurde der 22-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Michał Matczak heißt, Ende Januar mit 1,5 Gramm Marihuana erwischt. Die Polizei durchsuchte seine Wohnung und er und sein Freund verbrachten die Nacht in Polizeigewahrsam. Nach polnischem Gesetz könnten ihm bis zu drei Jahre Haft drohen.

Wie dem Rapper geht es vielen Menschen in Polen, denn das Land fährt eine strikte Drogenpolitik: Der Besitz, Konsum und Anbau von Marihuana ist eine Straftat. Allerdings belebte der Fall des Rappers die Drogendebatte in Polen neu. Die meisten Kommentatoren, darunter Politiker der Linken und der Bürgerplattform, fordern, das geltende Recht zu liberalisieren. Andererseits gibt es Stimmen wie die von Janusz Kowalski von der rechten Partei Solidarna Polska, die noch strengere Strafen für Drogenbesitz vorschlugen.

Ganz anders in den Niederlanden, in Estland, Tschechien, Portugal und Spanien: Wer dort Cannabis rauchen oder kaufen möchte, kann davon ausgehen, dass es keine strafrechtlichen Konsequenzen haben wird. Schon seit Mitte der 1970er-Jahre dürfen niederländische Coffeeshops Cannabis für den Eigenbedarf verkaufen. Allerdings wurde der Einkauf nie geregelt, was zu neuen Problemen führte: Die Lücke füllen Drogenbanden aus, die ihr Netzwerk wiederum für den Kokainhandel nutzen.

Entkriminalisiertes Portugal

Ein gutes Beispiel für eine von der EU bisher akzeptierte Entkriminalisierung von Cannabis ist deshalb eher Portugal. Seit 2001 macht sich nicht mehr strafbar, wer dort einen Joint raucht. Nicht mal, wer sich eine Spritze setzt. Die Mengen sind genau festgesetzt: zehn Tagesdosen à 2,5 Gramm Marihuana - wer damit erwischt wird, riskiert ein Bußgeld, aber keine Anzeige.

Portugal investiert zusätzlich in die Bekämpfung von Drogensüchten und hat deshalb dafür zuständige Kommissionen aus Juristen, Sozialarbeitern und Psychologen gebildet. In solchen Gesprächen werden die Betroffenen auf ihren Konsum angesprochen und aufgefordert, ihn zu reflektieren.

In Lissabon sitzt auch die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA). Im aktuellen Drogenbericht heißt es, dass immer mehr synthetisches Cannabis auf den europäischen Markt gelange. Das kann zu Herzinfarkten, Bewusstlosigkeit und Psychosen führen. Eine EU-weite Legalisierung könnte den Handel mit verunreinigten Gras austrocknen, sagen Befürworter.

Cannabismarkt wird komplexer

Auch Belgien gehört zu den Ländern, die beim Cannabis-Konsum zumindest ein Auge zudrücken. Wer eine kleine Menge von unter drei Gramm für den persönlichen Gebrauch dabei hat oder eine einzige Pflanze züchtet, riskiert lediglich die Beschlagnahmung und bis zu 25 Euro Bußgeld.

Jedoch boomt nicht nur in Belgien das Konzept der Cannabis Social Clubs: Nichtkommerzielle Vereine organisieren in Hallen den kollektiven Anbau von Marihuana-Pflanzen - nicht nur, aber auch für den medizinischen Gebrauch. Anbauen können nur Mitglieder und jedes jeweils nur eine Pflanze.

Die Initiatoren nutzen eine rechtliche Grauzone. Denn für den Anbau von Cannabis mit nicht mehr als 0,2 Prozent THC-Gehalt für den persönlichen Gebrauch gibt es keine Regulierung. Das führt auch dazu, dass Geschäfte, die hanfbasierte Produkte mit dem nicht rauschinduzierenden Wirkstoff CBD verkaufen, in Brüssel und Umgebung aus dem Boden sprießen.

Liberales Image, strikte Politik

Trotz seines progressiven Images: Schweden führt eine Null-Toleranz-Politik gegen Drogen. Selbst der Besitz kleiner Mengen Cannabis ist eine Straftat. Ein Bericht aus dem Jahr 2014 ergab, dass der Cannabiskonsum in Schweden höher ist als in Portugal, wo der Drogenbesitz 2001 weitgehend entkriminalisiert wurde. Andere Untersuchungen zeigen: Zwar ist der Konsum in Schweden in den letzten Jahren gestiegen, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aber gering. Im vergangenen Jahr gaben laut der schwedischen Gesundheitsbehörde 2,6 Prozent der 16- bis 84-Jährigen an, in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert zu haben.

In Italien erwarten Beobachter nach der Wahl Ende September einen Rückschritt in der derzeit eher progressiven Cannabis-Politik. Zwar finden sich in den Programmen der Lega oder der Fratelli d'Italia keine konkreten Hinweise darauf. Aber die Parteivorsitzenden Matteo Salvini (Lega) und Giorgia Meloni (FDI) kündigten bereits an, auf die Barrikaden gehen zu wollen, sollte eine vollständige Legalisierung von Cannabis im Raum stehen.

Mit Zuarbeit von Franka Welz (ARD-Studio Madrid), Anneke Wardenbach und Raphael Jung (ARD-Studio Warschau), Julia Wäschenbach (ARD-Studio Stockholm) und ARD-Studio Rom
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