Mit einer großen Flasche voll Gift auf dem Rücken geht Bäuerin Annie Mpere durch ein Baumwollfeld und besprüht die hüfthohen Pflanzen. Sie trägt Handschuhe, Mundschutz und Brille. Ganz so, wie es ein Mitarbeiter des Baumwollprojekts Compaci vor laufender Kamera aufgetragen hat. Ein Vorzeigefall. Gut gelaunt sagt Mpere aus dem südostafrikanischen Sambia wenig später: „Früher haben wir einfach nur Baumwolle angebaut. Traditionelle Landwirtschaft, wie wir sie von unseren Eltern gelernt haben. Jetzt wissen wir, dass Landwirtschaft ein Business ist."
Doch wer profitiert von diesem Geschäft? Die vertrauensseligen Worte der Bäuerin lassen nichts Gutes für sie und ihre Landsleute ahnen. „Wir sind vollkommen abhängig von der Firma NWK. Und wir müssen hart dafür arbeiten, dass wir unsere Kredite zurückzahlen können, damit uns NWK wieder Kredite geben kann." Sie lächelt noch immer. „Wir wollen das Unternehmen nicht enttäuschen."
Annie Mperes Treue gilt dem börsennotierten, international operierenden Agrarkonzern NWK Limited. Er verkauft ihr und anderen Bauern Saatgut, Dünger und Pestizide, beschafft Kredite für Traktoren und kauft letztlich auch die Ernte ab. In Sambia kooperiert NWK mit Compaci - einem Projekt der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Die Tochter der staatlichen Förderbank Kreditanstalt für Wirtschaft (KfW) finanziert Investitionen privater Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern und hat sich - als Teil der deutschen Entwicklungshilfe - nachhaltige Unterstützung für kleinere lokale Erzeuger auf die Fahne geschrieben. Doch wie nachhaltig hilft man Kleinbauern wie Annie Mpere, wenn man sie dazu drängt, sich in eine neofeudal anmutende Abhängigkeit von einem Großkonzern zu begeben?
Die Kritik, dass die Entwicklungshilfe der Industrienationen nur vordergründig zur Armutsbekämpfung zum Einsatz kommt, wird von unabhängigen Beobachtern schon viele Jahre geäußert. Das eigentliche Ziel sei: der Ausbau von Absatzmärkten für westliche Firmen. Neu ist nun, wie der aktuelle ARTE-Dokumentarfilm am Beispiel von Annie Mpere und anderen zeigt, dass private Investoren ganz offiziell vom Staat als Heilsbringer im Kampf gegen Armut angepriesen werden. Dass, wie unzählige Fälle belegen, gerade multinationale Konzerne nicht vor ökologischer Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und Landraub zurückschrecken, um Profitinteressen in unterentwickelten Ländern durchzusetzen, wird bei der Fördervergabe offenbar ausgeklammert.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat zu Beginn des Jahres einen „ Marshallplan für Afrika " umrissen. In dem Konzept nachzulesen: wohlklingende Forderungen wie „Afrika braucht afrikanische Lösungen" und „Wertschöpfung statt Ausbeutung". Wie die Ziele erreicht werden sollen? Durch den Ausbau von öffentlich-privaten Partnerschaften und industriell angelegte Strategien. Ansätze zur Förderung von lokal bewährten, traditionellen Anbaumethoden und Aspekte wie der Erhalt der Artenvielfalt und der Bodenfruchtbarkeit vor Ort spielen in dem Entwicklungsprogramm, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle.
Zu den bekanntesten afrikanischen Kritikern des bestehenden Systems der staatlichen Entwicklungshilfe gehört die Ökonomin Dambisa Moyo. Sie stammt, wie Bäuerin Annie Mpere, aus Sambia. In ihrem viel beachteten Buch „ Dead Aid " geht die ehemalige Weltbank-Mitarbeiterin so weit, einen sofortigen Stopp der von den Industrieländern im großen Maßstab vergebenen Fördergelder zu empfehlen. Ihrer Analyse zufolge hat sich die soziale und ökologische Lage in den meisten Teilen Afrikas in den vergangenen Jahrzehnten eher verschlimmert als verbessert - trotz der vielen Milliarden, die reiche Länder für den Aufbau des Kontinents bereitstellten.
„Die Vorstellung, Entwicklungshilfe könne systematische Armut mindern und habe dies bereits getan, ist ein Mythos. Millionen Afrikaner sind heute ärmer - nicht trotz, sondern aufgrund der Entwicklungshilfe", schreibt Moyo. Der „auf Mitleid und Almosen basierende Ansatz" der westlichen Entwicklungshilfe untergrabe in Wahrheit Handel, Wachstum und Investitionen in Afrika, fördere korrupte Regierungen und verschärfe dadurch noch die Instabilität der Länder. „Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die Menschen ermutigen, sich selbst zu helfen", fordert Moyo. Für ihre Landsfrau Annie Mpere bedeutet dies wohl: besser Bäuerin bleiben - ohne Big Business.
Dokumentarfilm
Öffentlich-private Partnerschaft: Anhand von Förderprojekten in West- und Ostafrika zeigt der Dokumentarfilm, welche Risiken entstehen, wenn sich staatliche Entwicklungshilfe mit den Interessen von Großkonzernen kreuzt.