Bernd Schlupeck

Journalist für Text & Ton, München

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Neue Tricks für saubere Klicks

Wäre das Internet ein Land, hätte es inzwischen weltweit den sechsthöchsten Stromverbrauch. Sein ökologischer Rucksack wird immer schwerer. Doch es gibt Wege, diesen deutlich zu erleichtern


Der Wecker klingelt, wir stehen auf und schalten unsere elektronischen Helfer ein. Noch im Bad schauen wir die abonnierten Newsletter am Smartphone durch. Zum Frühstück spielen wir Musik per Streaming-Dienst auf dem Tablet ab. In der Arbeit führen wir Videokonferenzen und schicken unzählige Mails. Internetbasierte digitale Technologien gehören zum Alltag. Doch die zunehmende Vernetzung ist auch ein Energiefresser, dessen Hunger stetig rasant steigt.


Nicht allen Nutzern ist bei ihren Internetaktivitäten bewusst, dass sie damit große Mengen CO2 in die Atmosphäre blasen. Jeder abgespielte Song, jede Mail, jeder Klick verbraucht Strom. Allerdings schlägt sich das nicht in der eigenen Stromrechnung nieder, denn alles existiert in der Cloud und damit auf tausenden von Servern in riesigen Rechenzentren weltweit. Noch immer ist die Kosten-Nutzen-Rechnung der Digitalisierung negativ. „In den letzten zehn bis 20 Jahren wurde kräftig digitalisiert. Ich sehe noch nicht, dass die Emissionen sinken", sagt Tilman Santarius vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung.

Wie viel Strom für ein Megabyte Datenverkehr notwendig ist, können selbst Experten nicht genau beantworten. Fest steht: Rechenzentren müssen 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche mit Strom versorgt werden. Zwar wächst deren Strombedarf heute langsamer als noch vor zehn Jahren, doch sind immer mehr Menschen online, derzeit 3,5 Milliarden, 2001 waren es nur 500 Millionen. Niklas Schinerl, Greenpeace-Experte für Energie, sagt: „Wäre das Internet ein Land, so hätte es weltweit den sechstgrößten Stromverbrauch."


In Deutschland fließen pro Jahr etwa 13 Terawattstunden Strom in die rund 50.000 Rechenzentren - so viel wie vier mittelgroße Kohlekraftwerke im Jahr produzieren. Das haben Forscher vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) modelliert. „Der Anteil am jährlichen Strombedarf in Deutschland liegt damit bei gut zwei Prozent", sagt Lutz Stobbe vom IZM. Wie der Forscher erklärt, benötigt der gesamte Bereich Informations- und Kommunikationstechnik - also Netze, Mobilfunk, Geräte in Haushalten - jährlich etwa acht bis zehn Prozent des deutschen Stroms.


Bis 2025 wird der Strombedarf der Endgeräte zwar abnehmen, in Rechenzentren jedoch weiter steigen, auf gut 16 Terawattstunden pro Jahr. Denn es werden immer mehr Anwendungen angeboten, Speicherkapazitäten nachgefragt und Daten versendet. Laut einer Studie von Cisco wird sich der weltweite Datenverkehr in den kommenden Jahren verdreifachen - von heute zehn auf 30 Gigabyte pro Kopf im Jahr 2021. Zudem sind immer mehr Geräte im Netz. „Die Zahl der vernetzten Haushaltsgeräte, die rund um die Uhr empfangsbereit sind, um auf Sprachbefehle oder Signale anderer Geräte zu reagieren, wird enorm steigen", prognostiziert Ralph Hintemann vom Borderstep Institut. Hinzu kämen auch noch Industrie 4.0-Anwendungen, selbstfahrende Autos und Smart Cities.


Schon seit Längerem versuchen Betreiber von Rechenzentren gegenzusteuern und diese effizienter zu gestalten. Schließlich sind Stromkosten der größte Ausgabeposten im laufenden Betrieb. Am Anfang hat die Infrastruktur zur Kühlung und Stromversorgung im Verhältnis zum IT-Energieverbrauch noch wesentliche Strommengen verschlungen. Gemessen wird dieses Verhältnis mit der sogenannten Power Usage Effectiveness, kurz PUE. Der bestmögliche, aber theoretische Wert ist ein PUE von „1". Dann flösse die gesamte Leistung in die IT. „Begonnen haben wir mit einem PUE von 2, heute liegen wir zwischen 1,2 und 1,4", sagt Béla Waldhauser. Er ist Geschäftsführer des Data-Center-Anbieters Telehouse, der in Frankfurt Server auf einer Fläche von 45.000 Quadratmetern zur Verfügung stellt.


Das Problem ist, dass Rechenprozesse viel Wärme erzeugen, Rechner also gekühlt werden müssen. Rund 20 bis 40 Prozent der verbrauchten Energie entfallen heute auf die Kühlung.


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