Bernd Eberhart

Wissenschaftsjournalist und Autor

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Kernkompetenz

Moderne Alpinski sind mit ihren Urahnen kaum noch zu vergleichen. Doch ein Bauteil hat sich trotz allem Fortschritt gehalten: Gute Skikerne werden auch heute noch aus Holz hergestellt.

Der Skifahrer fachsimpelt gerne über sein Material. "Mit meinem Rocker gehen die Schwünge butterweich", erklärt der Sitznachbar in der Gondel bereits in der Talstation. "Und mit dem Vibrationskiller fangen die Latten gar nicht erst das Flattern an", erwidert seine Kollegin. Bis zur Mittelstation hat man dann alles über Titanal-Legierungen, Kanten, Camber, Flex, MOD, ARC, Carbon Stringers und Infrarot-Basiswachs gehört. Voller Stolz lassen am Gipfel dann alle ihre edlen Bretter in den frischen Schnee plumpsen. Bis auf einen. Der erntet entsetzte Blicke von den Mitfahrern: "Das ist aber ein Einsteigermodell", geht ein Raunen durch die Runde. "Die haben ja nicht einmal einen Holzkern, alles Schaumstoff!" Und schon sind die Wintersportexperten auf ihren Highspeed UHM-Belägen oder ihren Speedwall Multilayer Woodcore-Geschossen davongebraust.

Ein Kern aus Holz? Zwischen all den hochmodernen Werkstoffen mit den pompösen Namen? Tatsächlich, auch heute noch statten die meisten Hersteller ihre guten Modelle mit dem Naturmaterial aus, und jeder Weltcup wird auf Holzlatten gewonnen. Und dafür gibt es Gründe.

"Immer mehr Firmen ersetzen die Schäume wieder durch Holzkerne"

Überwiegend Einsteigermodelle bekommen heute einen Kern aus Schaumstoff. "Da muss man verschiedene Methoden unterscheiden", sagt Bernhard Mayr, der viele Jahre lang bei einem großen österreichischen Skihersteller für die Entwicklung zuständig war. Bei billigen Skimodellen oder bei vielen Kinderskiern würden der sogenannte Ober- und Untergurt des Skis zuerst geformt und zwischen diese beiden Schichten dann ein flüssiger Schaum eingespritzt. Dieser "foam injection process" ist laut Mayr eine sehr preisgünstige Herstellungsmethode, diese Skier sind aber weich und nicht sehr langlebig.

Zwar könnten aus hochwertigen, festen Schäumen wie Isocore oder Rohacell auch durchaus gute und besonders leichte Skier gefertigt werden, meint der Experte. Die wären dann teilweise sogar leichter als die Holzmodelle. Die Schaumkerne müssen dafür jedoch aus fertig ausgehärteten Platten herausgefräst und bearbeitet werden. So entsteht viel Arbeit und viel Abfall - und ein möglicher Kostenvorteil gegenüber Holz ist wieder eingebüßt.

Ein paar Skihersteller verfolgen noch den Ansatz mit hochwertigen Schaumkernen, teilweise auch in Kombination mit Holz. "Aber immer mehr Firmen ersetzen die Schäume wieder durch Holzkerne", sagt Jürg Mock, Verkaufsleiter bei der Firma Hess im schweizerischen Döttingen. Der Mann kennt die Branche: Die Furnier- und Sperrholzfabrik Hess ist Weltmarktführer im Bereich der Ski- und Snowboardkerne aus Schichtholz. Fast alle Hersteller, ob groß oder klein, bestücken ihre Latten mit einem Innenleben aus Döttingen. In dieser Saison fertigt Hess die Kerne für über 100 Skimodelle, vom zahmen Pistenrutscher bis zur bissigen Rennmaschine. "Eigentlich jeder Rennski auf dem Siegerpodest kommt von uns", sagt Mock stolz.

Ein Ski mit Holzkern ist spritziger, lebendiger. Ein guter Fahrer merkt das

Holz ist nach wie vor im Trend. Sicherlich hat das auch Marketinggründe - Holz mutet natürlich und nachhaltig an, es klingt nach altbewährt und dynamisch zugleich. Aber es bringt auch echte Pluspunkte auf der Piste. "Ein Ski mit Holzkern verhält sich anders, er ist spritziger, lebendiger", sagt Bernhard Mayr. "Ein sehr guter Skifahrer merkt das, gerade im Rennbereich." Mayr hat viele Innovationen kommen und gehen sehen. Der Holzkern jedoch war eine feste Größe. "Die eigentlich tragenden Teile eines Skis sind der Unter- und Obergurt", erklärt Mayr. Diese Schichten bestehen aus laminierten Glas- oder Kohlefasern, meist ergänzt durch eine stabilisierende Metallschicht aus Aluminium oder Titanal. Beim Fahren verteilen diese Gurte die auf den Ski wirkenden Drücke und Züge gleichmäßig über das Sportgerät; außerdem verleihen sie ihm seine Verwindungssteifigkeit. "Die Aufgabe des Kerns ist einerseits, Ober- und Untergurt stabil miteinander zu verbinden", sagt Mayr. "Andererseits wird die Biegelinie des Skis, also seine Steifigkeit, über den Dickenverlauf des Kerns gesteuert."

Neben der Performance auf der Piste bringt das Holz aber auch Vorteile in der Produktion: Es ist ungiftig, lässt sich bis auf einen zehntel Millimeter genau bearbeiten und ist druck- und temperaturstabil. "Die verschiedenen Schichten des Skis werden zum Schluss mit bis zu zehn Bar Druck verleimt. Wenn der Kern dabei nachgeben würde, wäre jeder Ski anders", erklärt Bernhard Mayr. Auf Holz ist hier Verlass. Außerdem hat sich die Industrie über die Jahre auf den Werkstoff eingestellt und die passenden Maschinen und Technologien zur Bearbeitung entwickelt. (...)

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