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Der letzte Stich

Alle Rettungsversuche sind gescheitert, das Hoffen war vergebens: der traditionsreiche Nähmaschinenhersteller Pfaff in Kaiserslautern muss Insolvenz anmelden

Die Hoffnung der Pfaffianer stand im Industriegebiet Nord von Kaiserslautern. Ein adretter Industrie-Neubau, fast schlüsselfertig, in vier Wochen hätten sie dort einziehen sollen. Dann wäre beim traditionsreichen Nähmaschinenhersteller Pfaff endlich eine neue Zeit angebrochen, hofften die Mitarbeiter.

Die Hoffnungen sind verpufft. Am Donnerstag gab die Geschäftsleitung die Insolvenz bekannt. Obwohl die Gläubiger auf große Teile ihres Geldes verzichten und sich der Betriebsrat mit massiven Stellenstreichungen abgefunden hat, ist es nicht gelungen, einen Investor zu finden, der noch einmal 15 Millionen Euro in den Betrieb steckt. 400 Mitarbeiter bangen jetzt um ihre Arbeitsplätze. Die Region leidet mit, schließlich kannte früher jedes Kind das Traditionsunternehmen Pfaff.

Pfaff und Kaiserslautern waren einmal eins. Das Nähmaschinen-Unternehmen, das 1862 vom Instrumentenbauer Georg Michael Pfaff gegründet worden war, war einst der größte Arbeitgeber der Stadt. Doch seit 20 Jahren fällt es von einer Krise in die nächste.

Die aktuellen Probleme begannen Anfang August. Damals hatte der Münchner Finanzinvestor GCI, der 62 Prozent der Pfaff-Aktien hält, angekündigt, seine Anteile zu verkaufen. Der Grund sei die schlechte Geschäftsentwicklung des Unternehmens und der Konjunktureinbruch auf dem Markt der Industrie-Nähmaschinen. Im laufenden Jahr war die Nachfrage vor allem im wichtigen asiatischen Markt um 20 Prozent zurückgegangen. Anfang des Jahres hatte GCI noch neun Millionen Euro in das Unternehmen investiert, um den Umzug zu finanzieren. Anfang September stellte GCI bereits zugesagte Zahlungen ein.

Warum so kurz vor dem Umzug in die neue Werkshalle? Der war schon seit 2005 geplant. Da hätte man auch noch warten können, sagen viele Pfaffianer. Das Unternehmen wäre besser dagestanden, wäre nach dem Umzug attraktiver gewesen für mögliche Käufer.

Mit der Öffnung der Mauer brach der Markt im Osten weg

Die Notbremse wurde wohl nicht in München, sondern im fernen New York gezogen. GCI-Chef Andreas Aufschnaiter ist in London auf dem Handy zu erreichen. Der amerikanische Hedgefond QVT habe bei seinem größten Aktionär ein neues Management installiert, berichtet Aufschnaiter etwas atemlos. Des-halb sei das gesamte Wachstums- und Refinanzierungssegment von GCI zusammengebrochen. Plötzlich fehlte das Geld im letzten Glied der Beteiligungskette, bei Pfaff in Kaiserslautern.

Vor einer Woche war der Vorstandsvorsitzende Josef Kleebinder vor die Betriebsversammlung auf dem alten Firmengelände in der Kaiserstraße getreten und hatte verkündet, dass das Unternehmen zahlungsunfähig sei. Kleebinder appellierte an die Pfaffianer, einem Sanierungskonzept zuzustimmen, bei dem bis zu 180 der verbliebenen 400 Arbeitsplätze gestrichen würden. "Da war es war so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören", erzählt der Kaiserslauterer Oberbürgermeister, der dabei war. "Eine schockierende Stimmung."

Pfaff ist das letzte Opfer einer ganzen Branche, die zu Blütezeiten aus 200 Nähmaschinen-Herstellern bestand. Längst sind die Produktionsstandorte und Arbeitsplätze nach Asien gewandert. Pfaff in Kaiserslautern ist als einziges Unternehmen in deutscher Hand übrig geblieben.

1987 hatte das Traditionsunternehmen mit großen Aufwand sein 125-jähriges Bestehen gefeiert, im Beisein des Bundeskanzlers. Damals arbeiten noch 6000 Mitarbeiter im Werk in Kaiserslautern. Doch damals hatte längst die billigere und innovative Konkurrenz aus Fernost den europäischen Markt erreicht, mit dem Mauerfall brachen für Pfaff auch noch von heute auf morgen wichtige Märkte im einstigen Ostblock weg. Zudem versäumt Pfaff den Anschluss an moderne Produktentwicklungen. Zwischen 1989 und 1993 verlassen sieben Vorstände das Unternehmen, als es das erste Mal verkauft wird, liegen die Unternehmensschulden bei fast 20 Millionen Mark.

Der chinesisch-kanadische Finanzhai James Henry Ting übernimmt die Aktienmehrheit des Pfälzer Unternehmens, er plant die Fusion mit der amerikanischen Traditionsmarke Singer. Beide Marken zusammen bilden den größten Nähmaschinenhersteller der Welt. Aber Pfaff ist der schwächere Partner, am Ende rettet sich das Unternehmen zu erstenmal in die Insolvenz. Zwischen 2001 und 2005 wechseln dreimal die Besitzer. Am Ende übernimmt der Finanzinvestor GCI, der Pfaff 2007 zurück an die Börse bringt. "Das Comeback einer Traditionsmarke" jubelt die FAZ.

Der Jubel verhallt rasch. Im gleichen Jahr macht Pfaff sechs Millionen Euro Verlust. Im ersten Halbjahr 2008 liegt der Umsatz 14 Prozent unter dem des Vorjahres. Die Schulden haben sich inzwischen auf 40 Millionen summiert. Vorstandschef Kleebinder sagt, wenn er die dramatische Finanzlage gekannt hätte, hätte er seinen Posten nicht angetreten. Kleebinder ist erst seit April im Amt, nachdem erst sein Vorgänger und dann der Finanzvorstand überraschend zurückgetreten waren. Es scheint, als hätten sie sich in letzter Minute aus dem Staub gemacht.


12. September 2008

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