Eine Geißel für masochistische Besserwisser: An James Joyces „Ulysses", 1922 erstmals erschienen, sind schon Generationen von Lesern gescheitert.
Dieses Werk ist der Heilige Gral für ehrgeizige Anglisten. Unser Autor hat sich seit Jahren vorgenommen, es durchzuarbeiten. Jetzt ahnt er, warum das nie geklappt hat.
Marcel Reich-Ranicki soll ihn nie zu Ende, Elke Heidenreich nur die letzten 50 Seiten gelesen haben. Auch Jonathan Franzen ist kein großer Fan, und Kurt Tucholsky verglich ihn als frustrierter Rezensent und Zeitgenosse mit „Fleischextrakt": „Man kann es nicht essen. Aber es werden noch viele Suppen damit zubereitet werden." Der Roman „Ulysses" von James Joyce ist bis heute viel mehr als eine gut tausendseitige Odyssee am langen 16. Juni 1904 des Ehepaars Leopold und Molly Bloom und des jungen Intellektuellen Stephen Dedalus: Er ist der Heilige Gral für ehrgeizige Anglisten, Stoff für touristische Folklore und vor allem eine Geißel für neugierige und masochistische Besserwisser.
Mit der Popularisierung des notorisch ungelesenen Romans erkor eine Gruppe Dubliner Schriftsteller Mitte der Fünfzigerjahre den 16. Juni zum „Bloomsday" - dem Feiertag für Joyceaner. Für mich war der 16. Juni zehn Jahre lang der Tag, der mich daran erinnerte, dass mich die Weltliteratur immer wieder besiegte. So lange wie Homers Odysseus über das Mittelmeer reiste, versuche ich schon erfolglos, Joyces „Ulysses" in den Hafen gelesener Bücher zu steuern. An diesem 16. Juni nun frage ich mich, ob ich mich dem Buch vielleicht immer falsch genähert habe.