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Manager-Exodus geht weiter: Was ist bei Twitter los?

Der Mann mit dem Vogel: Twitter-Chef Jack Dorsey führt nebenbei auch den Online-Bezahldienst Square.

Eigentlich sollte bei Twitter gerade Hochstimmung herrschen. Nutzt doch immerhin der künftige Präsident Amerikas den Dienst als quasi offizielles Sprachrohr. Pressekonferenzen sind erst mal keine anberaumt, Interviews mit Zeitungen und Fernsehsendern gibt Donald Trump auch nicht gerade am laufenden Band. Stattdessen wird getwittert, was das Zeug hält. Spontane Ausfälle gegenüber angeblich korrupte Medien twittert Trump ebenso wie offizielle Verlautbarungen über seine Zukunft als Geschäftsmann. Mit 17,6 Millionen Followern hängt er sogar Barack Obama ab. Der kommt „nur“ auf 12,7 Millionen.


An Beachtung dürfte es Twitter dieser Tage also kaum mangeln. Trotzdem kommt aus dem Firmensitz in San Francisco eine bescheidene Nachricht nach der nächsten. Nach den Turbulenzen rund um die Übernahmespekulationen, wo ein interessiertes Unternehmen nach dem anderen absagte, setzte ein wahrer Manager-Exodus ein – und geht immer weiter.



Der jüngste Abgang ist der technische Direktor Adam Messinger. Nach fünf Jahren wolle er sich eine Auszeit gönnen, teilte der Manager am Dienstag standesgemäß über Twitter mit. Am gleichen Tag verkündete auch Produktmanager Josh McFarland seinen Abgang. McFarland war erst vor 18 Monaten zu Twitter gestoßen, nachdem der Dienst sein Tech-Start-up Tellapart für rund 500 Millionen Dollar übernommen hatte. Jetzt geht er zur Kapitalbeteiligungsgesellschaft Greylock Partners, die vor dem Verkauf an Twitter als Investor bei Tellapart mit an Bord war.


Twitter steht ein steiniger Weg bevor

Schon im November hatte Adam Bain, immerhin die rechte Hand von Unternehmenschef Jack Dorsey, seinen Hut genommen. Bain war sechs Jahre dabei und äußerst beliebt im Unternehmen. 2015 ging sogar der Hashtag #AdamBainIsSoNice rund.

Ganz und gar nicht angenehm waren dagegen die Nachrichten, die Twitter Ende Oktober in eigener Sache verkündete: Etwa 350 der knapp 3900 Mitarbeiter müssten gehen. Die Streichungen sind Teil von Dorseys Sparkurs, denn Twitter macht seit seiner Gründung 2006 Jahr um Jahr Verlust. Im dritten Quartal 2016 waren es 94 Millionen Euro. 2017 soll das endlich anders aussehen, da will Dorsey einen Gewinn verkünden.

Der Weg dahin ist steinig. Ob er zum Erfolg führt, dürfte vor allem an Gründer Dorsey selbst hängen. Nachdem er vor gut einem Jahr an die Spitze des Unternehmens zurückgekehrt war, hatte er einiges angepackt. Statt Sterne kann man bei Twitter jetzt Herzchen verteilen, die Nachrichtenfunktion wurde umgebaut und dann stellte Dorsey sogar eine Aufweichung der „heiligen“ 140-Zeichengrenze in Aussicht.


Twitter-Chef in Teilzeit

Diese musste er nach massiven Protesten (der Hashtag #RIPTwitter spricht Bände) zwar wieder kassieren. Dafür kosten jetzt aber Fotos keinen Platz zum Schreiben mehr – und Fotos sind bekanntlich Gold wert im Netz, wie der Erfolg von Instagram zeigt. Künftig will Dorsey verstärkt den Fokus auf News und Video setzen.

 

Trotz allem kommt Twitter bislang wenig voran. Stand die Twitteraktie einmal bei etwa 50 Euro, ist sie heute noch um die 17 Euro wert. Auch nach dem Wahlerfolg von Edel-Fan Donald Trump bewegte sie sich kaum, obwohl dessen Posts mal um mal unzählige Leute anziehen. Nicht gerade förderlich für den Dienst sind auch Dorseys öffentliche Auftritte: Mitte 2015 vernichtete er auch durch die Art seiner Präsentation der Quartalszahlen mal eben fünf Milliarden Dollar Börsenwert.


„Menschen in aller Welt kennen Twitter. Aber es ist nicht klar, warum sie Twitter nutzen sollten“, sagte Dorsey damals. Das sei nicht akzeptabel und man sei damit „auch nicht glücklich“. Der damalige Finanzvorstand Anthony Noto setzte noch einen drauf: „Ganz einfach: Das Produkt ist weiterhin zu schwer zu nutzen.“ Obendrein wies er gleich noch auf eine „dramatische Verlangsamung“ des Nutzerwachstums hin. Die Märkte waren nicht begeistert von so viel Ehrlichkeit. Mittlerweile hat es fast Tradition, dass die Twitter-Aktie nach jeder Quartals-Präsentation Dorseys nach unten rauscht.


Dazu kommt: Dorsey ist nur Teilzeit-Chef bei Twitter. Den mobilen Bezahldienst Square führt er auch noch. Nicht unbedingt die beste Konstellation, um sich voll und ganz auf die Twitter-Krise zu konzentrieren. Bei Trumps Treffen mit den Größen des Silocon Valley saß Jack Dorsey dann auch nicht mit am Tisch. Als Grund nannte Trumps-Team, Twitter sei wirtschaftlich einfach nicht wichtig genug.

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