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Polens Börse boomt: Jetzt einsteigen? |

Wer in einem gut gelaufenen Aktienmarkt noch auf der Suche nach unterbewerteten Unternehmen ist, muss eventuell gar nicht so weit schauen. Es reicht der Blick zu Deutschlands fünftgrößtem Handelspartner, nach Polen. Osteuropas größte Volkswirtschaft hat sich zu einem der zentralen europäischen Hotspots für Technologie und Digitalisierung entwickelt. Seit 2013 sinken die Arbeitslosenzahlen jährlich, im Februar wies das Land mit rund 3,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote aller EU-Staaten auf.

Aber nicht nur die etablierten, auch viele junge innovative Firmen fungieren als Wachstumstreiber. Vor allem in Warschau, Krakau und Breslau hat sich eine lebendige Szene entwickelt, mit den Schwerpunkten IT, FinTech und Gaming, aber auch mit Zukunftstrends wie KI und dem Internet der Dinge. Bisher hat allerdings noch kein polnisches Start-up den Meilenstein „Einhorn" (Bewertung über 1 Milliarde US-Dollar) erreicht.

Für diese kleinen, stark wachsenden Unternehmen betreibt die GPW, die Warschauer Wertpapierbörse, seit 2007 einen weiteren Handelsplatz: New Connect. Er richtet sich an Firmen, die durch ihr IPO nicht mehr als 5 Millionen Euro einnehmen wollen. Wer hier an die Börse geht, soll nur mit 2 bis 3 Monaten Vorbereitungszeit planen müssen, bei einem Emissionswert von unter 2,5 Millionen Euro sogar nur mit 5 Tagen. Das funktioniert, weil die New Connect-Firmen nicht so stark reguliert werden und weniger strengen Bilanzierungsvorschriften unterliegen.

Für Anleger birgt das aber die Gefahr mangelnder Transparenz: Bei diesen Firmen ist es meist schwieriger, genaue und regelmäßige Informationen zu bekommen. Oft sind „Investor Relations"-Unterlagen nur auf Polnisch verfügbar. Wegen ihrer niedrigen Liquidität sind die Aktien meist schlechter handelbar - und falls sie doch über einen deutschen Broker handelbar sind, ist der Spread oft sehr hoch.

Auch das Währungsrisiko sollten Anleger kennen: Währungen von Schwellenländern wie Polen - zumindest zählt der Indexanbieter MSCI Polen immer noch zu den „Emerging Markets" - sind meist eher instabil und volatiler als Leitwährungen wie der Dollar oder der Yen. Das kann Währungsverluste nach sich ziehen. Der Zloty hat sich zuletzt schwach entwickelt und fiel im März auf ein Zwölfjahrestief zum Euro, was einerseits an der polnischen Zentralbank liegt, deren erklärtes Ziel eine schwache Landeswährung ist. Andererseits liegt der Entwicklungsrückstand an der dritten Corona-Welle, die in Polen hohe Infektionszahlen verursacht und das sowieso chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat.

Auch deshalb hat sich Polens Aktienmarkt noch nicht vom Corona-Tief erholt - anders als die Märkte in Deutschland oder den USA. Für 2021 prognostizieren Experten dennoch ein BIP-Wachstum von rund 3,5 Prozent. Die Zukunft wird zeigen, ob Polen es schafft, das vorhandene Entwicklungspotential voll auszuschöpfen und sich zu entwickeln: Von einem regionalen Zentrum, das nachhaltig wächst, hin zu einem etablierten Markt und Wachstumstreiber in Mitteleuropa, der globale Investoren anzieht.

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