Benedict Weskott

M.A., Freie:r Journalist:in, Berlin

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Rezension

Lo-Fi im Schwebezustand: „The Work“ von Gold Panda

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Neue Projekte und ein grundsätzliches Überdenken des Arbeitsprozesses waren das, was Derwin Dicker alias Gold Panda nach seinem letzten Album angehen wollte. Und er brauchte Zeit für sich selbst, denn neben Depressionen hatte er auch seit langem mit einem Alkoholproblem zu tun. Nach der Geburt seiner Kinder musste er sich diesen Problemen stellen.

„‚The Work‘ is a phrase that you hear a lot in therapy and maybe recovery if you're working on some kind of addiction. I've felt like I've done work on myself to be in a position to raise two children and it also refers to my music as my hobby but also my job. Sometimes it feels like a day job and sometimes I totally loose myself in the moment and I couldn't be happier than just being in the studio working away on music.“

Dicker wollte den ständigen Kater am Tag danach loswerden und auch den Spaß an der Musik auf keinen Fall verlieren. Deshalb war es ihm sehr wichtig, seine persönliche Balance zwischen Musik als Leidenschaft und als Beruf zu finden.
Wie mit der Lupe sucht Gold Panda nach kleinsten Details in Musikstücken, die er dann digital verändert und rearrangiert, um daraus Melodien zu erschaffen. Dieser Prozess ist zwar intensiv, hat aber keinesfalls die gesamten sechs Jahre seit seiner letzten Veröffentlichung in Anspruch genommen. Für die lange Pause waren Dickers Leben und alles, was darin passiert ist, verantwortlich. Auf dieses Auf-und-Ab spielt der Title des Tracks „I've Felt Better (Than I Do Now)“ an.

„We moved during the pandemic and I had all my equipment set up in my living room. And I was looking at a packet of antidepressants and the way I chopped up the sound on that track sounded like it was saying: ‚I've felt better than I do now.‘ And that gave me something, it gave me something to work with. I couldn't really think of another title for it because it was so obvious to me. So, it's been hard work these last couple of years but I feel pretty good.“

Das Vorgängeralbum „Good Luck And Do Your Best“ erschien mit Tracktiteln wie „Your Good Times Are Just Beginning“ und weichen Klangflächen sehr lebensbejahend und warmherzig. Dagegen klingen die neuen Tracks auf „The Work“ eher introspektiv und ambivalent. Nicht unbedingt düster oder melancholisch, aber auch nicht optimistisch. Im Track „Chrome“ ist dieser wankelmütige Lofi-Schwebezustand hörbar.

„I suppose the last album was kind of like affirmations almost, something you say to yourself to give yourself confidence. And I think this one is seeing the work that I've done on myself and my improvements. And it doesn't all have to be positive. I think there's a lot of power in negative thinking actually. The way my brain works is that it always thinks of the worst-case scenario in everything. It's kind of like a security net because it's never gonna be as bad than I can imagine. So whatever happens is always worse in my head – so far. So there's kind of a power in this negative thinking for me.“

Weniger selbstkritisch wollte Derwin Dicker sein und sich selbstbewusster und leichter fühlen. Der Lofi-Hiphop-Electronica-Sound auf „The Work“ spiegelt diese neue Verspieltheit und vorsichtige Leichtigkeit wider. Die Geschichte ihres Produzenten bildet sich in der Musik aber nicht ab, dabei würde sie als Erzählung eigentlich viel hergeben.
„The Work“ ist ein in sich geschlossener, neuer Akt aus Gold Pandas Diskografie. Aber durch die Ähnlichkeit der einzelnen Tracks bleibt das Album im Ganzen letztendlich zu gleichförmig und unaufgeregt, um sich wirklich festzusetzen. So wirken die 40 Minuten wie ein flüchtiger Gedanke, der im nächsten Moment schon wieder verschwunden ist.

(15.11.2022, Tonart, Deutschlandfunk Kultur)