Benedict Weskott

M.A., Freie:r Journalist:in, Berlin

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Rezension

Album „Better Way“ - Casper Clausen lädt zum Sich-Treiben-Lassen ein

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Die meisten Songs auf Casper Clausens Solo-Debütalbum entstehen aus intuitiven Klangexperimenten: Er schaltet die Geräte und elektrischen Instrumente an, sucht nach Klängen und Melodien und lässt seine Gedanken los. Wie assoziativ und fließend Clausens Experimente sind, zeigt schon der fast neun Minuten lange Opener „Used To Think“ mit seinem langen Intro in bester Progressive-Rock-Manier. Diese Großzügigkeit ist absolut gewollt.

„Ein längerer Song ermöglicht es den Hörer*innen, etwas tiefer in das Lied einzutauchen. Ich kann mit den Hörerlebnissen auf eine ganz andere Art und Weise arbeiten als in einem drei- bis fünfminütigen Song. Ich höre oft lange Lieder und die Länge hat mich noch nie gestört. Und wenn es mich stört, liegt es nicht daran, dass der Song zu lang ist, sondern daran, dass er mir einfach nicht gefällt.“

Casper Clausens Hauptprojekt ist die dreiköpfige Band Efterklang. Die Songs für sein Soloalbum „Better Way“ sind in der Zeit zwischen den Tourneen seiner Band entstanden. Inspiriert hat den Dänen das maritime Flair seiner Wahlheimat Portugal. Jeden Tag überquerte er auf dem Weg von seiner Wohnung zum Studio mit der Fähre die Mündung des Tejo, von Lissabon ins gegenüberliegende Almada. Vom Studio aus beobachtete er die Frachtschiffe, das Wasser, die Kulisse von Lissabon auf der anderen Flussseite, die Terrakottadächer, Straßen und Hügel. Mit ihrem Versprechen von Aufbruch und Entdeckungen zieht sich die Perspektive der Hafenstadt am Meer durch die ganze Platte, und schafft meditative Momente wie im Song „Ocean Wave“.

Jeden Tag wollte Casper Clausen das Studio mit einer Songidee verlassen – diesen Plan machte er gleich zu Beginn. Und er wollte offener mit seinen Gefühlen umgehen.

„Im Vergleich zu anderen Menschen öffne ich mich schon sehr, weil ich auf die Bühne gehe und über alles Mögliche singe. Insofern bin ich es gewohnt, mich zu öffnen. Aber in Bezug auf intimere Erfahrungen interessiert mich sehr, warum ich manche Dinge für mich behalte. Wenn ich den Mut habe, meine Hemmungen zu überwinden und einfach zu teilen, was in meinem Kopf vorgeht und was ich fühle, fühlt sich das so gut an.“

Und das ist durchaus anschlussfähig: Casper Clausen leidet unter dem täglichen Hamsterrad, und er hinterfragt ganz grundsätzlich seinen Umgang mit anderen Menschen. Dazu mischt er Elemente von Krautrock, Avant-Pop und Progressive Rock, eingängige Gitarrenmelodien und fließende elektronische Sounds. Die sphärischen Abschnitten der Platte machen den Kopf frei und schaffen Raum für Neues. Aus diesem schwebenden Zustand stechen wiederum die temporeichen Songs „Used To Think“ und „8-Bit Human“ besonders heraus. Letzterer vergleicht den Menschen des 21. Jahrhunderts mit Teilen eines Computerprozessors: Warum hetzen wir von Termin zu Termin, warum wollen wir den Weltraum erkunden, was machen wir mit der täglichen Nachrichtenflut? Antworten auf diese Fragen findet Clausen nicht unbedingt. Das Album „Better Way“ ist eher der Versuch, mehr im Hier und Jetzt zu leben, nicht immer alles erklären zu wollen.

„Ich bin beim Schreiben immer wieder auf diesen Satz von David Byrne zurückgekommen: „Hör auf, Sinn zu ergeben.“ Mein Gehirn möchte immer alles erklären und in Begriffe fassen, aber oft ist es für mich echt nicht einfach zu erklären, wie ein Song entstanden ist. Vielleicht ergibt es beim Lesen oder Hören nicht direkt Sinn, aber ich hoffe, dass sich etwas zu den Menschen, die es hören, weiterträgt und ihnen etwas für ihre Leben gibt.“

In acht Kapiteln plädiert Casper Clausen dafür, tiefer zu graben, höher zu zielen und sich fallen zu lassen. Besonders Letzteres funktioniert aufgrund der Länge der Songs sehr gut, denn sie können dadurch erst so richtig ihre Wirkung entfalten. Clausen regt nachhaltig dazu an, einen besseren Weg nicht nur zu erfühlen, sondern auch zu finden.

(06.01.2021, Tonart, Deutschlandfunk Kultur)