Benedict Weskott

M.A., Freie:r Journalist:in, Berlin

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Rezension

Modenschau-Musik: die neue EP „PlanningtoChanel“ von Planningtorock

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Christopher Bailey, bis 2018 Chefdesigner von Burberry, sagte einmal, erst die Zusammenarbeit mit Musiker*innen mache eine Modemarke zu mehr als einem Produkt. Die Verbindung zwischen Chanel und Songwriter*in, Produzent*in und Regisseur*in Jam Rostron alias Planningtorock besteht schon seit über einem Jahrzehnt; Karl Lagerfeld outete sich als Fan des 2006 erschienenen Debütalbums „Have It all”. Jetzt wurde Planningtorock sogar vom Label engagiert. Karl Lagerfelds Nachfolger Michel Gaubert hat schon früher Musik von Planningtorock für Shows benutzt, im letzten Jahr vereinbarten die beiden eine Zusammenarbeit. Die Anfrage für die Tracks auf „PlanningtoChanel” kam dann kurz vor knapp.

„Es war sehr lustig: Michel erklärte mir alles und sagte dann: ‚Und die Show ist in zehn Tagen.‘ Das war also ziemlich intensiv. Zum Glück arbeiten wir beide sehr schnell und es hat perfekt funktioniert.“

Bei der Präsentation der Fall/Winter-Kollektion im mondänen Pariser Grand Palais konnten vor allem die dramatischen und nachdrücklichen Momente der Musik ihre Wirkung voll entfalten. Planningtorocks Leichtigkeit war für Chanels cleane, kühle Looks zum Teil etwas zu fröhlich, aber mit der Veröffentlichung als EP überträgt sich dieser Charme jetzt umso mehr. „PlanningtoChanel“ besteht aus drei Tracks, die auf der EP jeweils als „Maxi Version” und als „Chanel Show Version” enthalten sind. Der mit 10 Minuten längste Track „Drama Darling” besticht zu Beginn mit balearischen Disco-Vibes, die als Referenz an die New Yorker Ballroom-Szene klare Einflüsse aus Vogue und Disco heraushören lassen.

„Es war sehr spannend, meine Stimme anders zu verwenden. Diese Vokal-Stakkatos, die ich gemacht habe, bezeichne ich als ‚queeren, virtuellen Chor‘. Deshalb denke ich, dass in den Tracks auf jeden Fall viel Mode steckt. Das liegt daran, dass die Tracks eine starke Attitüde haben, ein wenig Posieren und eine Art Performance sind. Und Mode ist ja eine Art Performance.“

Als Anhaltspunkte für die Produktion schickte Michel Gaubert Planningtorock zwei Dinge: den Soundtrack des 70er-Jahre-Films Donkeyskin und den Song „Désenchantée” der französischen Popkünstlerin Mylène Farmer (sprich: Milenn Farmör), der 1991 erschienen ist. Diese Musik hat sich Jam Rostron alias Planningtorock zu Herzen genommen. Anders als in früheren Tracks verwendet sier – das nicht-binäre Pronomen ist eine Zusammensetzung aus „sie“ und „er“ – eine leichte Produktion mit High-End-Synthesizern, um einen möglichst authentischen Sound zu erreichen, und verzichtet auf große Kicks oder tiefen Bass.

Schon als Kind saß Jam Rostron begeistert vor dem Fernseher und schaute Modenschauen. Auch insofern schließt sich mit „PlanningtoChanel” ein Kreis. „Für mich als queere Person ist Mode eine sehr wichtige Möglichkeit, sich auszudrücken und die eigene Identität und Sexualität zu entdecken und zu verstehen. Und das hängt definitiv auch mit Musik zusammen.“

Gleichzeitig trägt aber allein die Aufteilung der Modewelt in Männer- und Frauenkollektionen natürlich nicht zur Aufweichung von binären Vorstellungen von Geschlecht bei, sondern reproduziert diese Zweiteilung immer wieder neu. Aber oft bieten Kleidung und modischer Ausdruck die Möglichkeit, queere Geschlechterbilder zu präsentieren und Normen zu verwischen – und hier kommen Chanel und Planningtorock zusammen.

Die gute Stimmung der EP ist eine bewusste Entscheidung in einem Jahr, das viele Menschen hart trifft und laut Jam Rostron schon jetzt vieles für immer verändert hat. Die künstlerische Plattform für soziopolitische Zwecke zu nutzen, ist für sier heute unverzichtbar.

„Ich glaube, Musik zu machen wird nie wieder so sein wie zuvor. Mehr denn je fühle ich diese Verantwortung, meine Privilegien als weiße Person zu reflektieren und vor allem, wie ich den Kampf gegen Rassismus unterstützen kann. Und Musik ist eben das, was ich Vollzeit mache, und deshalb dachte ich, dass das mein Medium, wo ich immer wieder an diese Dinge erinnerte werde und aktiv bleibe.“

Jede Veröffentlichung von Planningtorock wird deshalb von nun an antirassistische Arbeit unterstützen. Ein Teil der Erlöse von „PlanningtoChanel” geht an ein US-amerikanisches Institut, das sich für die Rechte Schwarzer trans* Personen einsetzt. Damit bringt die EP nicht nur Musik für Runway und Dancefloor, sondern auch intersektionalen Aktivismus mit.