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Der Recycling-Schwindel: Was mit unseren Pfandflaschen nach dem Zurückbringen wirklich passiert

Die Verwandlung von der schnelllebigen Umweltsauerei zum ökologischen Vorzeigeprodukt dauert etwa sechs Stunden. So viel Zeit brauchen die Sortierlinien und Waschanlagen hinter den Werkstoren der beiden grauen Mehrzweckhallen, um eine Plastikflasche für den Einmalgebrauch in ein nachhaltiges Recyclingfabrikat zu verwandeln.

Der französische Abfallkonzern Veolia betreibt hier im Norden von Rostock eine der größten Müllanlagen Europas, Lkws transportieren jedes Jahr rund eine Milliarde PET-Flaschen auf den schal riechenden Hof. Die Flaschen werden erst nach Farben sortiert, dann von Metallen, Folien und anderen Störstoffen befreit und anschließend zu sogenannten PET-Flakes geschreddert. Nachdem die weißen, zwei bis drei Zentimeter kleinen Plastikfetzen unter Hochdruck und in Natronlauge gereinigt wurden, werden sie von Abfüllbetrieben abgeholt und zu neuen Plastikflaschen weiterverarbeitet.

Die Deutschen stehen in dem Ruf, besonders für die Umwelt zu sorgen. Seit Jahren gibt in Umfragen mehr als die Hälfte der Deutschen an, beim privaten Einkauf auf Nachhaltigkeit zu achten, und fast drei Viertel versuchen, im Alltag Plastikverpackungen zu vermeiden. Dass zwischen Anspruch und Realität bisweilen Lücken klaffen, zeigen immer wieder die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach produzieren die Deutschen pro Kopf jährlich rund 30 Kilo Plastikmüll - insgesamt 5,7 Millionen Tonnen Verpackungen, ein Spitzenplatz in Europa mit steigender Tendenz.

Flasche zu Flasche?

Mit dabei: Rund 500.000 Tonnen Plastikflaschen. Recycling heißt das Zauberwort, das helfen soll, eine Brücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schlagen. Werden Dosen, Verpackungen und Folien aus dem Gelben Sack oder dem Pfandsystem nicht etwa verbrannt, sondern sauber und effizient zu neuen Plastikartikeln weiterverarbeitet, entsteht aus problematischem Abfall ein begehrter Rohstoff.

Auch deshalb werben Getränkewirtschaft und Recyclingindustrie seit Jahren mit dem sogenannten Bottle-to-Bottle-Verfahren. Es verspricht, dass aus jeder weggeworfenen Plastikflasche im Handumdrehen eine neue entsteht. Schon der Begriff suggeriert die Idee der sauberen Verwertung - aus dem Plastikfrevel wird ein nachhaltiger Stoffkreislauf.

Doch am Bild des rückstandsfreien Plastikzyklus, das die Industrie mit großen Werbemitteln zu zeichnen versucht, bestehen Zweifel. Recherchen von FOCUS Online zeigen, dass beim PET-Recycling in heimischen Anlagen jedes Jahr hunderttausende Kilo ultrafeine Plastikpartikel anfallen, sogenanntes Mikroplastik, oft nur wenige Mikrometer groß. Mikro- und Nanokunststoffe stellen eine noch überwiegend unbekannte Gefahr für die Umwelt dar.

Recycling-Schwindel: Mikroplastik aus PET-Waschmaschinen

In den Waschstraßen von Abfallfirmen wie Veolia in Rostock, scheuern die Plastikflakes unter hohem Druck aneinander, der so entstehende Abrieb gelangt mit dem Prozesswasser in die örtliche Kanalisation. Weil weder die Filter der Recyclinganlagen, noch die der Kläranlagen für Partikel feinster Größe ausgelegt sind, gelangen das Mikroplastik in Flüsse, auf Äcker und am Ende ins Meer. Grenzwerte für Mikroplastik aus Recyclinganlagen existieren in Deutschland nicht, auch ein Monitoring sucht man vergeblich.

Frank Welle kennt die PET-Recyclingbranche seit Jahren. Er forscht für das „Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung" (IVV) in der Nähe von München seit 30 Jahren zur Wiederverwertung von Plastik. Die Recycler rufen Welle an, wenn sie eine neue Anlage bauen oder eine Auskunft brauchen, ob ihr Material lebensmitteltauglich ist. „In Sachen Mikroplastik müssen wir besser werden", sagt Welle. „Aber um einen normalen Abrieb kommen wir nicht umhin." Was konkrete Mengen in Tonnen angeht, kann der Experte jedoch keine konkrete Auskunft geben. Nur so viel: Mikroplastik aus dem Flaschenrecycling brächte nichts auf die Waage.

330.000 Tonnen Mikroplastik in die deutsche Natur - pro Jahr

Die Zahlen eines anderen Fraunhofer Instituts zeigen etwas anderes: Ralf Bertling erfasste gemeinsam mit seinem Bruder Jürgen Bertling für das Oberhausener „Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik" (UMSICHT) in einer Studie aus dem Jahre 2018, dass jährlich satte 330.000 Tonnen Mikroplastik in die deutsche Natur gelangen. Ein Löwenanteil kommt mit etwa 100.000 Tonnen aus dem Reifenabrieb, ein Problem, dem sich die Auto- und Pneuindustrie sicherlich noch zuwenden muss.

Aber auch aus dem Kunststoffrecycling sollen es 8000 Tonnen sein. Die Bertling-Brüder bezogen sich hauptsächlich auf Abrieb bei Transport und Verwehungen von feinem Kunststoff bei Lagerung. Sollte noch einmal eine Tonnage aus dem eigentlichen Recyclingprozess hinzu kommen, „müsste man die Rechnung sicherlich nochmal neu aufmachen", sagt Ralf Bertling.

Bis zu 250 Tonnen Mikroplastik direkt in die Kanalisation

Eine Studie des „Instituts für Umweltforschung" (Ifeu), das die Ökobilanzen der PET-Flaschen bewertet, kommt auf einen Materialverlust beim Recycling zwischen drei und zehn Prozent, die „Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung" (GVM) schätzt, dass ein bis vier Prozent reines PET beim Recyclingprozess verloren gehen, und zwar unter anderem als Auswaschung, Abrieb und Stäube.

Schon allein diese Schätzungen um Auftrag der Industrie wecken Zweifel an der Glaubwürdigkeit des „Bottle to Bottle" Verfahrens, das sich Abfüller auf die Fahnen schreiben. Jenseits der Tatsache, dass überhaupt nur jede dritte Flasche zu einer neuen Flasche wird. Der Rest landet in Textilien oder der Autoindustrie.

Vor allem: Wie hoch der Anteil an Mikroplastik in Tonnen ist, der in die Umwelt gelangt, bleibt bei den Untersuchungen von Ifeu und GVM unklar. Wobei sich der Großteil des Materialverlusts im Milligrammbereich und darunter bewegen dürfte - schließlich will die Industrie jedes verlorene Gramm wertvolles PET abgreifen und zurück in den Prozess geben. Auch nach mehrfachen Nachfragen schlüsselt die GVM nicht auf, wie viel Tonnen PET in Form kleinster Partikel in welchen Prozessschritten verloren geht. Wohl weil der Großteil Industrie selbst diesen Verlust nicht genau abschätzen kann, oder möchte.

Der ehemalige leitende Angestellter der Anlage in Rostock bestätigt allerdings, dass Mikroplastik aus der Recyclingindustrie sehr wohl etwas auf die Waage bringt: „Natürlich produzieren wir beim Waschvorgang Stäube, die im Wasser enthalten sind und die in die kommunale Wasseraufbereitung gehen", sagt Achim Ebel, der heute für ein mittelständisches Unternehmen eben jene Recycling-Waschanlagen vertreibt, die auch bei Veolia eingesetzt werden.

Ebel schätzt, dass von den etwa 500.000 Tonnen PET-Flaschen in Deutschland bis zu 250 Tonnen Mikroplastik jährlich in deutsche Kläranlagen laufen - das wären fast 30 Kilogramm Mikroplastik, die täglich in die Kanalisation Rostocks gelangen könnten.

Laut Veolia sei dies eine grobe Schätzung, wie der Sprecher des Abfallkonzerns auf Anfrage schreibt. Eine eigene Schätzung oder Eingrenzung legt der Konzern nicht vor.

Überforderte Kläranlagen

Dass Mikroplastik Kläranlagen überfordert, in die das Abwasser der Recycler fließt, haben Forscher des „Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung" (AWI) im Jahr 2014 erstmals für zwölf Anlagen nachgewiesen. Nur eine Kläranlage verfügte über eine Schlussfiltration, dort konnte Mikroplastik zu 97 Prozent filtriert werden. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis: „Kläranlagen können auf herkömmlichem Weg Mikroplastik nicht vollständig aus Abwässern zurückhalten." Und die Aufrüstung von Kläranlagen mit Schlussfiltration lief in den vergangenen Jahren nur langsam voran.

Der Verantwortliche der Studie, der Meeresforscher Gunnar Gerdts, sagt: Selbst wenn große Mengen Mikroplastik zurückgehalten würden, „kommt bei großen Kläranlagen eine stattliche Summe raus, die in die Gewässer fließt." Wobei gerade die besonders kleinen Partikel im Nanobereich wohl nicht abgeschieden werden und sich besonders schädlich auf Lebewesen in Gewässern auswirken könnten, so Gerdts.

Zuständig für die Einschätzung der Mikroplastik-Problematik ist das Umweltbundesamt (UBA). Dort schätzt man, dass die Kläranlagen etwa 90 Prozent des Mikroplastiks abscheiden, die sich danach im Klärschlamm wiederfinden. Folglich könnten bundesweit noch 25 Tonnen Mikroplastik aus PET-Recyclinganlagen pro Jahr ungefiltert in Flüsse und Meere laufen. Auf Anfrage von FOCUS Online zur Problematik dieser Tonnage schreibt das UBA:

„Grundsätzlich ist es notwendig, alle Belastungen der Umwelt und der Gewässer mit Plastik zu verhindern, weil es über Jahrhunderte nicht abgebaut werden könnte." Das UBA habe noch kein ausreichendes Bild der Mengen von Mikroplastik in deutschen Flüssen, arbeite aber an einer Messstrategie dafür.

Grenzenloses Mikroplastik

Ferner liegen im UBA „derzeit keine umfassenden Erkenntnisse zum Vorkommen von Mikroplastik in Abluft und Abwasser aus den genannten Anlagen vor. Dies liegt vor allem an fehlenden harmonisierten Untersuchungsverfahren", schreibt das Amt auf Anfrage. Folglich gebe es derzeit keine Grenzwerte für Mikroplastik in Abwasser und Abluft. Und auch keine vorgeschriebene Filtertechnik. Kurzum: PET-Recyclingunternehmen sind bei der Freisetzung von Mikroplastik unreguliert.

Dieser Umstand beschäftigt seit einigen Monaten die „Deutsche Umwelthilfe" (DUH). „Wir brauchen dringend gesetzlich festgelegte Grenzwerte für die Emission von Mikroplastik aus Recyclingwerken", sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der DUH. Auch müsste der Verbleib des Mikroplastiks in der Umwelt in Ökobilanzen berücksichtigt werden.

Die DUH hat schon Ende 2019 alle großen PET-Recycler und Anlagenbauer angeschrieben und gefragt, wie viel Mikroplastik entsteht und welche Filtertechnik zur Abscheidung eingesetzt wird. Fast niemand antwortete - und wenn, dann wurde auf die Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen hingewiesen, die es nicht gibt. Diese Antworten liegen uns vor. Auch Veolia in Rostock wurde von der DUH angeschrieben, ohne Stellung zur Filterung von Mikroplastik zu nehmen.

Nach Recherchen von FOCUS Online verfügt die Veolia-Anlage zwar über Siebfilter, nicht aber über ein Absetzbecken, in dem sich Mikroplastik zur Ruhe setzen kann, oder über eine Ultrafiltration, die feinste Kunststoffe noch besser abscheiden kann. Und nach Recherchen von FOCUS Online verfügt im gesamten deutschsprachigen Raum nur eine Anlage in Österreich über ein solches Absetzbecken und Ultrafiltration.

Veolia will besser werden

Auch auf Anfrage von FOCUS Online verweist die Pressestelle von Veolia auf die Einhaltung von behördlichen Grenzwerten, die Mikroplastik gar nicht umfassen. Allerdings hat Veolia das Problem des Mikroplastiks offenbar erkannt: Der Abfallkonzern beteilige sich „aktiv an laufenden Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Abwasserqualität in Recyclinganlagen. Neben eigenen, industrienahen Forschungsprojekten kooperieren wir mit lokalen Forschungspartnern, um verbesserte Reinigungs- und Filtertechnologien praxistauglich zu machen", so der Veolia-Pressesprecher auf Anfrage. Außerdem engagiere sich Veolia bei der Forschung zu Filtersystemen, die in Zukunft mehr Mikroplastik aus Industrieabwasser abscheiden können.

Veolias Problem: der Einsatz von noch feineren Filtern im industriellen Maßstab scheitere an der „zu geringen Durchsatzkapazität." Heißt: je feiner die Filter, desto langsamer fließt das Prozesswasser, desto aufwendiger der Prozess. Dabei ist das PET-Recycling bei optimiertem Einsatz doch ein sinnvolles Instrument, um Plastik im Stoffkreislauf zu halten.

Zu den PET-Recyclern in Deutschland zählt neben Veolia und einigen kleinen Betreibern auch der Einzelhandelriese „Lidl". Aus rund 6000 Pfandautomaten in den eigenen Supermärkten werden insgesamt etwa drei Milliarden Plastikflaschen pro Jahr verarbeitet. Zu Mikroplastik im Recyclingprozess äußert sich die „Schwarz-Produktion" nicht - Sie recycelt für „Lidl" und „Kaufland" PET-Flaschen und gehört zum Konzern.

Branchenverband: Mikroplastik ist Problem?

Organisiert ist die PET-Recyclingbranche im „Fachverband Kunststoffrecycling" (BVSE). Auch dort sind die Mikroplastik-Emissionen inzwischen ein Thema. Geschäftsführer Thomas Probst ist zurückhaltend mit einer Bewertung, nur so viel: Man müsste jetzt das Thema Wasser im Recycling ganz neu angehen und Hunderttausende Euro in Filter investieren.

Matthias Barjenbruch von der Technischen Universität Berlin kennt die Veolia-Anlage und die Kläranlage in Rostock ebenfalls gut. Als Professor für Wasserreinhaltung und Siedlungsabwasser wurde er vor mehr als 15 Jahren von den Rostocker Behörden hinzugezogen, um für die damals gerade gebaute Veolia-Anlage zu bewerten, ob das Wasser ins Kanalsystem eingeleitet werden darf. „Wir hatten eine zusätzliche Belastung für die Kläranlage in Rostock berechnet, die 40.000 Einwohnern entsprach." Das Ergebnis damals: Die Kapazitäten der Anlage in Rostock reichten aus, um das Abwasser des PET-Recyclers zu reinigen.

Nur: Wie viel Mikroplastik aus der Recyclinganlage in die Kläranlage gelangt, daran wurde laut Barjenbruch damals gar nicht gedacht. Er sagt: „Wir kriegen heute eine Menge Mikroplastik in der Kläranlage runter. Aber wir sind nicht so weit, wie wir sein sollten." Barjenbruch schätzt, dass trotz Klärbecken noch 0,1 Milligramm Mikroplastik pro Liter die Anlage ungefiltert verlässt und in das Flusswasser fließt. Aber das sind nur Schätzungen, betont Barjenbruch. Gemäß seiner Annahme und des Durchlaufs der Kläranlage wären dies 4,4 Kilo Mikroplastik täglich, die in die Warnow fließen, den örtlichen Fluss.

Im Klärschlamm, auf Feldern, in Gewässern

Die Kläranlage von „Nordwasser" in Rostock schreibt auf Anfrage:„Es gibt keine rechtliche Regelung - bspw. in der bundesweit gültigen Abwasserverordnung - zu Grenzwerten oder auch Mess-, Analyse- und Reinigungsverfahren in Bezug auf Mikroplastik, auf deren Grundlage wir handeln könnten beziehungsweise müssten."

Wie viele Tonnen Mikroplastik nun genau von der Veolia-Anlage in Form von Mikro-PET in die Kläranlage von Nordwasser laufen, lässt sich nur schätzen. Schließlich können Forscher wie Matthias Barjenbruch noch nicht verlässlich die Arten von Mikroplastik in Kläranlagen bestimmen. Messungen müssen zudem kontinuierlich an der Recyclinganlage vorgenommen werden, und zwar dann, wenn die Anlage läuft.

Nach bisheriger Forschung der TU Berlin und Schätzungen des UBA setzt sich ein Großteil des Mikroplastiks der Veolia-Anlage also im Klärschlamm von Nordwasser ab. Was passiert dort mit diesem Klärschlamm? Auch damit haben wir die Kläranlage in Rostock konfrontiert. Nordwasser Pressesprecherin Bettina Kalnins schreibt auf Anfrage: „Seit diesem Jahr wird ein Großteil des anfallenden Klärschlammes landwirtschaftlich verwertet."

Das kommunale Abwasserunternehmen hatte die Entsorgung von fast 20.000 Tonnen Klärschlamm ausgeschrieben, jetzt holt „Remondis Stoffstrommanagement" - eine Firma des Abfallkonzern Remondis - die Schlämme in der Kläranlage ab, lagert sie ein, und düngt damit unter anderem Felder von Bauern.

Auf Anfrage von FOCUS Online äußert sich Remondis nicht dazu, an welche Bauern der Abfallkonzern wie viel Klärschlamm abgibt, sondern verweist auf die Pressestelle von Nordwasser.

Recycler und Kläranlagen müssten aufrüsten

Der Gefahr von Mikroplastik in der Umwelt sind sich Umwelttechniker und Toxikologen bewusst. Nur wie groß die Gefahr von Mikrokunststoff auf Boden und Gewässer ist, bei dieser Einschätzung steckt die Forschung in den Kinderschuhen. Professor Matthias Rillig von der Freien Universität Berlin beschäftigt sich mit der Auswirkung von Mikroplastik auf den Boden. Rillig fasst aus seiner Forschung recht offen zusammen: „Es ist ein Eingriff in den Ablauf der Dinge der Lebewesen im Boden." Mit unabsehbaren Folgen.

Auch Professor Andreas Fath von der Universität Furtwangen forscht seit Jahren zu Mikroplastik. Er sagt: „Wir vergiften uns indirekt." Nach seiner Kenntnis gelangt das mit Klärschlamm auf Felder ausgebrachte Mikroplastik durch Regenfälle doch ungeklärt in Flüsse und Meere. „Mikroplastik gehört zu neuen Schwebstoffen in Gewässern, die Schadstoffe absorbieren, und die dann von Meeresbewohnern aufgenommen werden."

9100 Kläranlagen in Deutschland - doch nur 350 haben Schlussfiltration

Zu dieser Erkenntnis kommen ebenfalls andere deutsche Forscher, die von einem Risiko des Mikroplastiks in der Nahrungskette für Mensch und Natur ausgehen. Und das UBA schätzt die Auswirkungen der 25 Tonnen Mikrokunststoffe auf die Binnengewässer wie folgt ein: „Organismen könnten verhungern, wenn sie nur Mikroplastik zu fressen bekommen oder es nicht ausscheiden können." Dafür hat die Behörde aber noch keine Beispiele. Trotzdem wohl keine guten Nachrichten für alle Seafood-Fans.

Matthias Barjenbruch empfiehlt, dass alle Kläranlagen in Deutschland eine weitere Klärstufe einziehen, um mehr Mikroplastik abzuscheiden. „Von 9100 Kläranlagen haben gerade einmal 350 eine solche Schlussfiltration", sagt er. Auch das Bundesforschungsministerium (BMBF) hat den Bedarf erkannt. Das BMBF fördert mit „Simcondrill" die Forschung zu einem Zyklonfilter, bei dem mit Laser Mikroplastik entfernt wird. Noch gibt es deutschlandweit keine Recycling- oder Kläranlage, die den Zyklonfilter einsetzt. Bis dahin bleibt für den Kunden im Supermarkt nur eines: Gleich zur Glasflasche greifen, statt zu vermeintlichen ökologischen Verwandlungskünstlern aus Plastik.

Diese Reportage ist mit Unterstützung des „Vereins Recherche und Reportage e.V.", initiiert und gefördert von der Brost-Stiftung, zu Stande gekommen.
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