Bardo Faust

Journalist, Autor, Referent, Nieder-Olm

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Gastro-Zukunft: Erfolg ist kein Zufall

  Von Bardo Faust

STUTTGART. Früher war das alles ganz einfach: Die nächste Kneipe, das nächste Restaurant lagen um die Ecke. Wer Gesellschaft wollte oder einfach nur Hunger hatte, wusste, wohin er zu gehen hatte. Als Werbung genügte ein Schild über der Tür und eine Speisekarte daneben. Heutzutage jedoch ist alles komplizierter: Die Gäste werden immer anspruchsvoller und zugleich kaum ausgabefreudiger, gleichzeitig wächst die und der Preisdruck nimmt zu.

Wie steht es also um die Zukunft der traditionellen Gastronomie? Wer hat die besten Chancen, sich am Markt zu behaupten? Hört man sich unter Experten um, wird die Richtung klar: Gastronomie muss authentisch und glaubwürdig sein. „Wenn ein Gasthaus Zum Hirschen heißt, dann erwarte ich, dass es da eine Wildkarte gibt", sagt der Berater und Trendscout Pierre Nierhaus und nennt weitere Beispiele für Authentizität: das Hofbräuhaus in München, die Frankfurter Apfelweinwirtschaft Wagner, das Altbier-Dorado Füchschen in Düsseldorf, aber auch eher kleinere Häuser wie das Brauhaus Zum Goldenen Engel in Ingelheim bei Mainz.

Dass die Qualität der F&B-Offerten, Service und Ambiente stimmen, ist Voraussetzung. Knausern beim Interieur, langweilige Speisekarten, mittelmäßige Zutaten und lieblose Küche sind K.o.-Punkte. Doch ebenso wichtig ist es, dass Gastronomen ihre Persönlichkeit ins Spiel bringen und so die Atmosphäre im Lokal prägen. „Herzlichkeit, Enthusiasmus, Individualität, dass macht den Unterschied aus", so Nierhaus. Ebenso der Wille, auch mal spontan auf Gästewünsche zu reagieren. „Hier liegt die Chance des Einzelgastronomen." Gute Beispiele dafür gibt es von Flensburg bis Oberstdorf. Fest steht: Individualität und Einzigartigkeit sind mehr denn je Erfolgsfaktoren. Das zu vermitteln, geht manchmal besser in der Gruppe. Etwa im Raum Lippe. Dort hat sich Wirtin Wilma Thorenmeier vom Restaurant Alter Krug in Ruensiek bereits vor Jahren mit gleichgesinnten Gastronomen aus der Region zur Kooperation „Lippische Land-Wirte" zusammengeschlossen. „Wir fragten uns damals, wie wir das Gastronomiesterben stoppen können", sagt Thorenmeier. Die Idee, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, war schnell geboren. Mit Saisonkarten, Genusstouren von Restaurant zu Restaurant, Lesungen, Themenabenden und Events, bei denen im Landestheater Detmold bis zu 600 Gäste verköstigt werden, versuchen die Land-Wirte, die Menschen in ihre Lokale zu holen. Und es funktioniert: „Viele Gäste, die durch eine der Aktionen erstmals kamen, kommen nun immer wieder", berichtet Thorenmeier.

Kommunikation, auch das ist ein Erfolgsfaktor in der Gastronomie. Das weiß auch Sebastian Wohlers von der Nierdersachsenschänke in Fredenbeck bei Hamburg. Unweit der Großstadt sieht er sich durchaus im Wettbewerb mit dem Angebot in der City. „Die Menschen sind schnell in der Stadt, genießen die kulturellen Angebote, gehen dort dann auch Essen", so Wohlers. Da heiße es, sich immer wieder mit neuen Ideen zu profilieren - inspiriert auch durch Gespräche mit den Gästen, die dies übrigens sehr schätzten. Ähnlich sieht das Wilma Thorenmeier: „Früher ging man ins Gasthaus, um zu kommunizieren." Dies will sie wieder fördern, durch Würfelabende zum Beispiel.

Wenn es ums Essen geht, ist die Regionalität aus dem Geschehen nicht mehr wegzudenken. „Frische Produkte aus der näheren Umgebung sind gefragt", sagt zum Beispiel die Rheingauerin Susanne Breuer von Breuer's Rüdesheimer Schloss. Damit teilt sie die Einschätzung der österreichischen Foodexpertin Hanni Rützler, die überdies das Gemüse zum neuen Favoriten kürt. „Wir schauen darauf mit einer neuen Liebe", was einen geringeren Fleischkonsum impliziere. Rützler findet, dass Gastronomie auch Mut zur Lücke braucht. Alle Geschmäcker bedienen, das gehe nicht mehr. Stattdessen sollten die Wirte „ein klares Profil entwickeln, damit die Unterschiede leichter zu erkennen sind".

Pierre Nierhaus sieht das ganz ähnlich: „Die Gastronomen müssen ihre Angebote einschränken." Und am besten auch die Öffnungszeiten. Nierhaus findet, dass Restaurants auf den schnellen Mittagstisch verzichten sollten, wenn sie sich nicht gerade in einer hochfrequenten Innenstadtlage oder an einem touristischen Ort befinden. „Das Mittagsgeschäft ist für einen Individualgastronomen schwierig", sagt er. Ausnahme seien Bistros. „Die Leute sollten sich nicht kaputtmachen, nicht dem Mittagsgeschäft nachtrauern und lieber mal Freizeit machen." Wichtig sei es, sich treu zu bleiben und nicht in die Billigspirale zu geraten.

Susanne Breuer von Breuer's Rüdesheimer Schloss fasst zusammen, was in vielen Gesprächen durchklingt: „In regionalen Konzepten liegt die Zukunft, das wollen die Gäste". Gutbürgerliche Küche sei ebenfalls immer gefragt - etwa bei Feiern. „Aber nur, wenn die Qualität stimmt und keine Fertigprodukte verwendet werden", so Breuer.

Bleibt die Spitzengastronomie, die nach Sicht der Gastronomin kaum vom Geschäft mit Privatgästen überleben kann. Pierre Nierhaus sieht das deutlich entspannter. Auch die Spitzengastronomie habe eine Zukunft, „aber alles muss etwas lässiger werden". Der Gast wolle zwar einen tollen Service, aber nicht am Tisch belästigt werden. „Der Kellner muss nicht alle vier Minuten auftauchen, sondern dann, wenn er gebraucht wird." Nierhaus wünscht sich überdies mehr Lässigkeit bei der Vergabe der Sterne: „In anderen Ländern gibt es auch Sterne für Häuser, die Menüs deutlich unter 100 Euro anbieten. Das macht richtig Laune", so das Fazit des Experten.


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