Reporter und Moderator Ulli Zelle ist eines
der bekanntesten Gesichter des rbb Fernsehens. Für Interviews traf er
schon Michael Gorbatschow, Helmut Kohl und Yoko Ono. Zusammen mit der
Autorin Silke Cölln hat er für den rbb nun Bundesfamilienministerin
Franziska Giffey in den ersten Wochen in ihrem neuen Amt begleitet. Die
Reportage ist am Dienstag, 12. Juni 2018, um 21 Uhr im rbb Fernsehen zu
sehen.
Für die Dreharbeiten waren Sie zehn Tage lang mit Franziska Giffey unterwegs. Was für ein Mensch ist die neue Familienministerin?
Ulli Zelle: Sie ist jung, fröhlich – aber sie kann auch sehr konzentriert, sehr hands-on sein, sehr zielgerichtet, sehr zielstrebig. Der erste Eindruck täuscht: Sie erfüllt, wenn man sie kennt, nicht dieses Blondchen-Image. Die zarte Stimme ist halt zart, aber sie kann sich durchaus Gehör verschaffen. Und ich glaube, die werden wir noch wahrnehmen in der nächsten Zeit.
Was ist Franziska Giffeys Geheimnis? Was macht sie anders als andere Politikerinnen und Politiker?
Sie versteht es ausgezeichnet auf Leute zuzugehen, zu fragen, zuzuhören – und auch mal den Terminplan zu sprengen, weil sie wirklich interessiert, was die Leute zu sagen haben. Das macht sie schon anders. Sie geht viel mehr an die Basis. Zu ihrem Politikstil gehört zum Beispiel auch zu demonstrieren, also auf die Straße zu gehen. Das sind alles Eigenschaften, die sie aus Neukölln mitgenommen hat. Jetzt wird sich zeigen müssen, ob das reicht, um auch bundesweit erfolgreich zu sein.
Dann gleich die Frage: Könnte Giffey auch Kanzlerin?
Ob sie Kanzlerin kann, das weiß ich nicht. Ich glaube, dass sie dazu tatsächlich noch ein wenig zu jung und unerfahren ist in der nationalen und internationalen Politik. Aber sie kann in eine Rolle hineinwachsen, die eventuell den Altvorderen und Altvorderinnen in der SPD mal gefährlich werden könnte. Also da ist Potenzial da, aber noch nicht Kanzlerin. Zunächst einmal muss sie einen guten Ministerin-Job machen.
Was sagen die Kritiker?
Viele sind skeptisch, weil sie daran zweifeln, dass sie über den kommunalen Tellerrand rausschauen kann, dass sie wirklich mehr machen kann als Neukölln. Neukölln ist zwar an vielen Orten, aber Neukölln ist nicht überall: eben nicht in der Pfalz und nicht in Bayern und vielleicht auch nicht in Schleswig-Holstein.
Gab es während des Drehs knifflige Situationen, in denen Sie dachten: Na, kriegt sie das hin?
Also sie hat es immer hingekriegt. Außer den Terminen – weil sie sich eben viel Zeit nimmt und manchmal irgendwann die Pressesprecherin oder der Pressesprecher nervös trampelt, die Security aus dem Ruder läuft, weil sie einfach zu Fuß irgendwo hingeht, was vorher nicht abgesprochen war. Sie ist sehr spontan.
Ist Ihnen bei Franziska Giffey irgendein Tick oder eine besondere Angewohnheit aufgefallen?
Sie hat den Stil "konservative Freundlichkeit". Das heißt also allein schon äußerlich immer ein anderes adrettes Kostüm, hohe Schuhe, so ein bisschen zurechtgemacht, möchte man vielleicht sagen. Aber sie sagt wiederum: Das gehört sich so. Wenn sie als Ministerin irgendwo auftritt, dann warten die Menschen auf sie, dann erwarten sie auch etwas von ihr. Und deshalb ist sie das ihren Zuhörerinnen und Zuhörer auch schuldig.
Gibt es noch etwas, das man unbedingt über Franziska Giffey wissen sollte?
In dem Film, den wir gemacht haben, tauchen auch unerwartete Protagonisten auf. Zum Beispiel Ades Zabel, Kabarettist aus Neukölln, oder Simi Will, eine Club-Talkerin aus einer Kneipe in Neukölln. Die sehen Giffey völlig ungeschminkt im wahrsten Sinne des Wortes. Die sagen nämlich: 'Also was ist denn dit für ‘ne Trutsche, also das ist ja ein Blondchen-Image. Und diese Piep-Stimme.' Aber sie haben dann sofort auf den zweiten Blick erkannt: Da ist mehr. Da kommt etwas. Und Simi Will hat sich dann auch zu diesem Satz verstiegen: 'Die kann Kanzlerin.' Wir werden es abwarten.
Zum Original