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Der Hashimoto-Hype

Was klingt, wie der Name eines asiatischen Smartphone-Herstellers, ist in Wirklichkeit eine Schilddrüsenkrankheit: Hashimoto-Thyreoiditis, kurz Hashimoto. Aktuell erlebt die Diagnose eine Art Hype: immer häufiger und schneller stellen Ärzte sie. Dabei ähneln die Symptome stark denen anderer Krankheiten. Folge: Fehldiagnosen. Und das kann auch gefährlich werden.

Was haben Top-Model Gigi Hadid, Schauspielerin Zoe Saldana und die Moderatorin Vanessa Blumhagen gemeinsam? Alle drei Frauen leiden an der Schilddrüsenkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis, auch Autoimmunthyreoiditis oder kurz: "Hashimoto" genannt.


Auslöser und Risikofaktoren


Hashimoto ist eine Autoimmunkrankeit, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt. Der Körper bildet dabei Abwehrstoffe, also Antikörper, gegen seine eigene Schilddrüse und greift diese an.

Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Hashimoto-Thyreoiditis ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen des Menschen und die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion. Zwar gilt als gesichert, dass die Krankheit familiär gehäuft auftritt – warum jedoch manche Menschen Hashimoto-Thyreoiditis entwickeln und andere nicht, ist noch nicht genau erforscht.

Oft bricht die Krankheit in Umschwungphasen des Lebens aus

Oft bricht die Erkrankung in hormonellen Umbruchphasen aus, zum Beispiel in der Pubertät, während der Schwangerschaft oder den Wechseljahren. Zudem gibt es Hinweise, dass Stress die Krankheit begünstigt. Aktuell werden weitere Auslöser diskutiert, wie bestimmte Viruserkrankungen (Pfeiffersches Drüsenfieber oder Gürtelrose) eine Dysfunktion der Nebennierenrinde oder eine übermäßige Jodzufuhr.

Erst Über- dann Unterfunktion

Dass die Krankheit oft erst spät erkannt oder auch fälschlicherweise diagnostiziert wird, hängt primär mit ihrem Verlauf zusammen:

Da die entzündete Schilddrüse bei vielen Betroffenen zunächst immer wieder größere Mengen an Schilddrüsenhormonen ins Blut abgibt, ähneln die Begleiterscheinungen zu Beginn oft der einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose). Patientinnen und Patienten klagen dann oft über Schlaf- und Herzrhythmusstörungen, innere Unruhe; sie fühlen sich gereizt und haben starken Durst; oft nehmen Patienten auch ab und Patientinnen berichten zusätzlich häufig über einen abweichenden Menstruationszyklus.

Irgendwann kippt das System

Erst im späteren Stadium kann eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) auftreten – weil die Antikörper die Schilddrüsenzellen dauerhaft angegriffen und letztlich zerstört haben, sodass diese nur noch wenige oder keine Hormone mehr bilden können. Dann leiden Patientinnen und Patienten häufig unter Schwellungen durch Wassereinlagerungen, haben Stimmungsschwankungen, Haarausfall, Verdauungsprobleme, nehmen zu, sind müde und können sich nur schwer konzentrieren oder haben Muskelschmerzen.

Diese Symptome können je nach Patientin oder Patient stark variieren.

(Fehl)diagnose Hashimoto

"Das sind allesamt unspezifische Symptome, die auch bei vielen anderen Krankheiten auftreten", so Felix Beuschlein vom Universitätsspital Zürich gegenüber dem Südkurier. Werden dazu bei einem ersten Bluttest auffällige Schilddrüsenwerte gefunden, führe das bei vielen Medizinern zu dem voreiligen Schluss, dass die Symptome auf eine Schilddrüsenerkrankung zurückzuführen seien, so Beuschleim weiter. Statt weiteren Untersuchungen sei der nächste Schritt dann oft die Hormontherapie.

Auf der anderen Seite kann eine mangelhafte Untersuchung auch dazu führen, dass bei Patientinnen und Patienten aufgrund der Symptome zunächst ein Burnout oder eine Depression diagnostiziert und (ohne Erfolg) behandelt wird – weil die Schilddrüse gar nicht erst untersucht wurde.

In beiden Fällen sind die Leidtragenden die Patientinnen und Patienten. Um dem vorzubeugen, sollten Betroffene in jedem Fall auf eine gründliche Untersuchung vor dem Start einer Behandlung bestehen.

Hashimoto oder nicht?

Um möglichst eindeutig herauszufinden, ob eine Patientin oder ein Patient an Hashimoto-Thyreoiditis erkrankt ist, sieht die Diagnostik mehrere Schritte und Untersuchungen in unterschiedlichen Fachbereichen vor:


  • In einem ersten Gespräch sollte sich die Ärztin oder der Arzt ein Bild über die Vorgeschichte (inkl. Abklären einer möglichen genetischen Prädisposition) sowie über die Leitsymptome und den Lokalbefund verschaffen
  • Mithilfe von Ultraschall und Doppler-Ultraschall der Schilddrüse können entzündliche Veränderungen festgestellt werden
  • Szintigraphie der Schilddrüse: dabei wird mithilfe von radioaktivem Jod untersucht, wie stark einzelne Bereiche der Schilddrüse Jod aufnehmen – das entspricht in der Regel dem Ausmaß, wie viel Schilddrüsenhormone das Gewebe produziert. So kann eine Über- oder Unterfunktion festgestellt werden
  • Gegebenenfalls MRT- oder CT-Untersuchungen: Wenn der Verdacht auf einen Tumor in der Schilddrüse besteht, darf keine Szintigrafie angewandt werden; stattdessen kommen MRT oder CT zum Einsatz
  • Laboruntersuchung auf Schilddrüsenantikörper (TRAK, TPO-AK, Tg-AK) und Schilddrüsenhormone (TSH, fT3 und fT4): Der Bluttest kann auf eine Über- oder Unterfunktion hinweisen; durch das Bestimmen verschiedener Antikörper-Werte im Blut kann Hashimoto von anderen Autoimmunerkrankungen, wie Morbus Basedow, abgegrenzt werden

Nicht heilbar, aber behandelbar

Wird dann eine Schilddrüsenerkrankung erkannt und mittels einer Hormontherapie behandelt, verschwinden die Beschwerden in der Regel wieder. Allerdings braucht dies Zeit, denn die richtige Hormondosis zu finden kann knifflig sein. Und selbst wenn die Schilddrüsenwerte wieder richtig eingepegelt sind, dauert es meist noch, bis auch die psychischen Symptome – wie Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Weinerlichkeit oder Nervosität – komplett abklingen.

Es gibt allerdings auch Patientinnen und Patienten, die sich trotz eines gut eingestellten Hormonhaushalts nicht gesund fühlen – dann müssen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte im Einzelfall herausfinden, wie die weiteren Beschwerden entstehen und was dagegen hilft. Hashimoto ist zwar nicht heilbar ist, aber gut behandelbar (auch, wenn es manchmal etwas länger dauert).


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