Tausende Menschen protestieren in Kuba gegen die Regierung. Aktivist Omar Isaac lebt im Exil und kämpft auf TikTok für ein Ende des kommunistischen Kubas.
"Wir haben Hunger!" und "Freiheit, Freiheit!" riefen Tausende Demonstrierende auf den Straßen Kubas am 11. Juli. Die Videos und Fotos gingen um die Welt. Für das Land ein historischer Moment, denn seit 1994 ist es das erste Mal, dass die Bevölkerung gegen die kommunistische Regierung aufbegehrt. Weil auf Kuba das Internet immer wieder ausfällt und viele Aktivistinnen Angst davor haben, abgehört zu werden, erklärt der Aktivist Omar Alejandro Isaac Alcuria, 27, die Lage. Er selbst lebt seit zwei Jahren in Peru. Auf TikTok, Instagram, Facebook und Twitter fordert er ein Ende der kommunistischen Regierung und kämpft für Veränderung in seiner Heimat.
ZEIT CAMPUS: Omar, auf den Demos riefen deine Landsleute "Nieder mit der Diktatur" und "Vaterland und Leben" - eine Abwandlung von Castros " Patria o muerte" - "Vaterland oder Tod". Warum kommt es gerade jetzt auf zu so großen Protesten?
Omar: Viele wehren sich gegen eine mehr als 60 Jahre andauernde Unterdrückung durch das kommunistische Regime. Der Gedanke liegt nahe, dass die Demonstrationen eine Folge der Pandemie seien. Zum Teil stimmt das auch: Durch die Corona-Krise hat sich die Lage im Land verschärft und die jahrelange Misswirtschaft wurde noch deutlicher. Finanziell sind viele Kubanerinnen und Kubaner vom Tourismus abhängig, der brach komplett ein, und auch Kubaner im Exil hatten weniger Geld, was sie an ihre Verwandten in der Heimat schicken konnten. Meine Freunde und Freundinnen auf Kuba haben mir auch von Zentren erzählt, in denen die Regierung Menschen mit Verdacht auf Corona eingesperrt hat. Da soll sich das Virus dann erst recht verbreitet haben.
ZEIT CAMPUS: Auf den Videos, die sich über soziale Netzwerke verbreitet haben, sind vor allem junge Leute zu sehen. Rebelliert eine junge Generation gegen die Anhängerinnen der Kubanischen Revolution?
Omar: Das Regime konnte die Jungen nicht so stark mit ihrer Ideologie einlullen wie unsere Elterngeneration. Das liegt unter anderem daran, dass es seit dem Besuch Obamas 2016 Internet im Land gibt. Allerdings muss man sich das leisten können: Der Durchschnittsverdienst liegt zwischen 25 und 30 Euro im Monat, eine Stunde mobiles Netz kostet etwa 1,60 Euro. Außerdem zensiert oder blockiert der staatliche Telekommunikationsdienst Etecsa bestimmte Websites. Trotzdem informieren sich viele heute online und sehen auch, dass es Kubanerinnen und Kubanern im Ausland besser geht.
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ZEIT CAMPUS: Du hast Kuba vor zwei Jahren verlassen. Erst danach wurdest du zum Aktivisten. Wie kam es dazu?
Omar: Ich habe eine Peruanerin geheiratet und wir haben entschieden, in ihrer Heimat zu leben. Als ich dort ankam, gab es einen Moment, der alles für mich verändert hat. Nichts Besonderes eigentlich: Wir sind in einen Supermarkt gegangen. Aber dann habe ich die Regale voller Lebensmittel gesehen. Das hat mich überwältigt. Wir sind nicht reich, aber ich konnte mir diese Dinge leisten. Da wurde mir klar, dass alles, was man mir in meiner Jugend beigebracht hat, Quatsch ist: Kuba ist nicht besser als andere Länder, der Kapitalismus ist nicht böse. Meine Mutter ist Ingenieurin und mein Vater erfolgreicher Musiker. Beide haben in Vollzeit gearbeitet und trotzdem gab es eine Zeit, in der meine Geschwister und ich keine Schuhe hatten. Also habe ich mich entschlossen, über die schlechten Seiten des kommunistischen Kubas zu sprechen: die Armut, die Repression, die Chancenlosigkeit.
ZEIT CAMPUS: Dafür nutzt du Facebook, Instagram, Twitter, YouTube und vor allem . Dabei wurde ausgerechnet diese Plattform in der Vergangenheit immer wieder der Zensur bezichtigt. Ist es nicht widersprüchlich, gerade mit dieser App für Meinungsfreiheit und Demokratie zu kämpfen?
Omar: Damit habe ich mich ehrlich gesagt nicht auseinandergesetzt, als ich im vergangenen Jahr damit angefangen habe. Mir gefällt die Plattform, weil ich dort viele junge Menschen erreichen kann. Der Algorithmus hat mir außerdem eine höhere Reichweite verschafft, als ich auf Twitter oder Instagram habe. Zuletzt wurden aber einige meiner Videos blockiert. Ich habe zudem eine Nachricht bekommen, dass mein Account gesperrt würde, wenn ich noch einmal gegen die Regeln der TikTok-Community verstoße. Ich vermute, das liegt daran, dass ich in letzter Zeit viele Videos zum Thema Polizeigewalt geteilt habe. Also Videos, bei denen Polizisten auf kubanische Bürger einschlagen oder auf sie schießen, man hat in den Videos Blut gesehen.