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Kipchoge-Wasserträger "Bottle Claus" trainiert für Extrem-Radrennen

Beim Berlin-Marathon reichte Claus-Henning Schulke dem Weltrekordhalter Kipchoge das Wasser. Als "Bottle Claus" wurde er berühmt. Nun trainiert er für das "Race Across America": In nur zwölf Tagen will er die USA auf dem Rad durchqueren. Von Anton Fahl

Zwei Mal klatscht Claus-Henning Schulke in die Hände, bevor er beide Fäuste in die Höhe reckt. So euphorisierend kann Wasserreichen sein. Soeben ist Eliud Kipchoge an Schulke vorbeigerauscht, um ihm mal wieder eine Flasche aus der Hand zu reißen - auf dem Weg zur Weltrekordzeit beim Berlin-Marathon 2022. Bei dem jährlichen Sportereignis ist Schulke längst ein bekanntes Gesicht, schon bei vorherigen Läufen hielt er die Flüssignahrung für Kipchoge bereit. Die Szenen der Wasserübergabe gingen um die Welt: "Bottle Claus" war geboren. Der Weltrekordhalter bezeichnete Schulke nicht nur als seinen Freund, sondern gar als "Hero".

"Ich habe das immer in meinem Herzen mit mir herumgetragen"

Seit 25 Jahren begleitet Schulke den Berlin-Marathon als Volunteer, zuletzt war er als "Teamleiter der Eliteverpflegung" nicht nur für Kipchoge, sondern für rund 40 Athleten zuständig. Die Strecke zwischen den Verpflegungsstationen legt Schulke mit dem Fahrrad zurück - mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 Stundenkilometern -, um rechtzeitig wieder bereit zu stehen. 

Ein buchstäblich räderndes Pensum. Doch diese Anstrengungen reichen nicht annähernd an die Strapazen heran, denen sich "Bottle Claus" im kommenden Juni aussetzen will: Aktuell trainiert er für das "Race Across America" (RAAM), einen Ultra-Radmarathon in den USA.

Die Ursprünge seines Vorhabens reichen bis in das Jahr 1987 zurück, wie Schulke sagt. Seinerzeit habe er die Staaten schon einmal mit dem Fahrrad durchquert und sei dort auf Wettkämpfer des Race Across America gestoßen. "Ich habe das immer in meinem Herzen mit mir herumgetragen. Und jetzt heißt es für mich: Das will ich!", sagt Schulke.

In zwölf Tagen durch zwölf Staaten

Das "Race Across America" wird seit 1982 jährlich ausgetragen, es zählt zu den härtesten Radrennen der Welt. In diesem Jahr startet das RAAM am 13. Juni in Oceanside (Kalifornien), an der Westküste der Vereinigten Staaten. Die Route verläuft durch 12 US-Bundesstaaten bis zum Ziel in Annapolis (Maryland) an der Ostküste - einmal quer durch das Land. 

Unter anderem führt die Strecke von gut 5.000 Kilometern - mit etwa 52.000 Metern Höhenunterschied - über die Rocky Mountains und Appalachen. Innerhalb von gerade einmal zwölf Tagen müssen die Fahrer das Ziel erreichen. Nur einer Handvoll der rund 30 Teilnehmer wird dies erwartungsgemäß gelingen. Es ist eine Mammutaufgabe, über die Schulke trocken sagt: "Ein bisschen Schiss habe ich schon."

Doch der 57-Jährige ist davon überzeugt, dass er es schaffen kann, schließlich blickt er auf eine jahrzehntelange, sportliche Laufbahn zurück, wie Schulke erzählt: Im Alter von 16 Jahren sei er zum ersten Mal einen Marathon gelaufen, mit der Zeit entwickelte sich seine Leidenschaft für Triathlons. Insgesamt habe er bereits 16 sogenannte "Ironman"-Wettbewerbe absolviert. Für das "Race Across America" hat sich Schulke durch seinen Sieg beim Race Across Germany 2022 qualifiziert: Innerhalb von zwei Tagen legte er die gut 1.000 Kilometer zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen zurück. 

Kurz gesagt: Der Mann ist fit. Und trotzdem sagt Claus-Henning Schulke mit einem Lachen: "Ich hab' schon einen richtigen Knall. Mein Umfeld sagt: 'Du bist ja völlig durchgedreht!' Da will ich ihnen aber auch nicht widersprechen."

Tägliches Pensum quer durch Berlin

Um sich bestmöglich auf das Rennen vorzubereiten, fährt der Bauprojekt-Manager nach eigener Aussage täglich in seinen grellen Trainingsklamotten von Zehlendorf nach Mitte mit dem Fahrrad zur Arbeit. Nach dem Feierabend mache er weiter. Täglich komme er auf eine Distanz von über 70 Kilometern, mit möglichst vielen Steigungen, sagt Schulke: Teufelsberg, Schäferberg, Pfaueninsel. "Ich nehme alles mit", sagt er. An den Wochenenden trainiere er zusätzlich zwei Mal à sechs Stunden. 

Um das "Race Across America" erfolgreich zu meistern, geht Schulke davon aus, zehn Tage quasi non-stop durchzufahren. Zeit zum Schlafen bleibe kaum. "Ich habe ein bisschen getestet, mit wie viel oder wenig Schlaf ich auskomme", sagt er. "Und dann kommen noch die Dämonen, die dich anschreien und immer rufen: 'Jetzt machst du 'ne Pause!' Diesen Dämonen musst du widersprechen und sagen: 'Nee, nee. Ich muss, ich muss, ich muss weiter. Ich muss ins Ziel kommen!'" Ganz zu schweigen von den körperlichen Schmerzen. Früher oder später würden sich "Popo, Füße, Hände, Rücken, manchmal auch der Nacken" bemerkbar machen.

Mit Crew und Crowdfunding zum Ziel

Ganz alleine wird Schulke beim "Race Across America" allerdings nicht unterwegs sein. Eine acht- bis neunköpfige Crew wird ihn in Begleitfahrzeugen flankieren und allumfassend unterstützen: von der Navigation und Motivation bis hin zur Fahrradmechanik und Ernährung. Insgesamt dürfte die Reise, Schulke zufolge, einen hohen fünfstelligen Betrag kosten. Das RAAM ist also nicht nur ein besonders anstrengendes, sondern auch teures Unterfangen. 

Wohl dem, der Kultstatus hat. Prompt wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Mit seinem Traum von einer Zieleinfahrt in Maryland ist "Bottle Claus" längst nicht mehr allein.

Mit Material von Dennis Wiese

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