Das Vereinsmuseum auf Schalke würdigt die Choreos der Fans mit einer Sonderausstellung. Sebastian Pantförder, Kurator der Ausstellung, erklärt, was die Choreos so besonders macht.
Sebastian Pantförder, seit einer Woche ist in Ihrem Museum die Geschichte der Schalker Choreografien in einer Sonderausstellung zu sehen. Wie kam es dazu?
Seit circa einem Dreivierteljahr bauen wir Stück für Stück unser Museum um und in diesem Zuge wollten wir auch unser sogenanntes Fanzimmer in Angriff nehmen, das Teil des Museums ist. Es hat sich glücklich gefügt, dass Vertreter der »Ultras Gelsenkirchen« auf uns zukamen und sagten, dass sie gerade auf einer Reise nach Italien gewesen seien: Dort haben sie sich unter anderem verschiedene Vereinsmuseen anschauen und Eindrücke sammeln können. Und so fragten uns die Ultras, ob wir nicht mit ihnen zusammen in unserem Museum etwas auf die Beine stellen könnten. Daraufhin haben wir den Ultras vorgeschlagen, gemeinsam eine Sonderausstellung umzusetzen. Beim Thema Choreografien kamen wir sofort auf einen gemeinsamen Nenner.
Was wird im Rahmen der Ausstellung alles gezeigt?
Wir zeigen multimedial - anhand von zahlreichen großformatigen Fotos, aber auch mittels Filmmitschnitten - die ganze Bandbreite an Choreografien unserer Fans. So sind, angefangen im Jahr 2001, Choreos von Heim-, Auswärts-, Pokal- und Europapokalspielen zu bestaunen - ein Querschnitt der jüngeren Schalker Vereinsgeschichte.
Wurde dabei auf bestimmte Choreos ein Fokus gelegt?
Wir haben zwei Choreos ausgewählt, die wir in besonderer Form präsentieren: zum einen die sogenannte »Beamer-Choreografie« vom Heimspiel gegen Hannover 96 in der Saison 2015/2016. Bei dieser Choreo wurde die gesamte Arena verdunkelt, um auf riesigen Leinwänden Bilder aus unserer Vereinsgeschichte zeigen zu können. Werner Hansch hat die Installation moderiert. Eine Choreo in dieser Art hatte es bis dahin nicht gegeben - das war eine Neuheit! Hier zeigen wir die komplette Choreo als Film sowie ergänzendes Bildermaterial, aber auch Informationen zu den Kosten, verwendeten Materialien und dergleichen.
Und welches ist die zweite Choreo, die auf besondere Art und Weise gewürdigt wird? Unsere große »Eurofighter-Choreografie«, die vor dem letzten Heimspiel der Vorsaison gezeigt wurde. Neben diversen Bildern gibt es auch Bauzeichnungen zu sehen, sodass die Besucher mal eine Vorstellung davon bekommen, wie viel Arbeit und Planung in solchen Choreos steckt. Zudem haben wir Arbeitsmaterialien ausgestellt: Stoffe, Werkzeuge, Seilzüge - alles was für eine Choreo benötigt wird.
Nach welchen Kriterien wurde entschieden, gerade diese beiden Choreos genauer zu präsentieren?
Das hat vor allem etwas damit zu tun, welches Material uns zur Verfügung stand. Beispielsweise haben wir von der Choreografie, die 2001 im letzten Heimspiel im Parkstadion gezeigt wurde, leider nur sehr wenig Material. Mit der Zeit wurden eben einerseits die Fotos und andererseits auch die »Ultras Gelsenkirchen« immer »professioneller«. Weil die beiden genannten Choreos nun mal auch die aufwendigsten waren, haben wir uns dafür entschieden, diese beiden besonders zu würdigen. Die anderen kommen aber trotzdem nicht zu kurz - wir zeigen Bilder von insgesamt circa 60 Choreografien.
Die Ausstellung heißt: »Nordkurve Gelsenkirchen - gestern, heute, morgen«. Wie kam dieser Titel zustande?
Diese Namensgebung war ein Vorschlag der »Ultras Gelsenkirchen«. Die Fankultur hat sich ja immer weiterentwickelt, von der Hooliganszene bis zur Ultraszene. Das Gleiche gilt für die Fanfreundschaften. Und insofern kam die Idee des Zusatzes »gestern, heute, morgen« auf: Auch anhand der Choreografien wird die Geschichte der Schalker Fanszene deutlich. Und die Geschichte hört ja nicht auf: Mittlerweile könnte man bereits die nächste Choreo vom Gastspiel der Schalker in Berlin hinzufügen, mit der einem verstorbenen Schalker Ultra gedacht wurde.
Gab es irgendwelche
Gegenstände, die Sie gerne im Fanzimmer ausgestellt hätten, die die
Ultras aber nicht zur Verfügung stellen wollten?
Ganz im
Gegenteil. Die Ultras waren eher erstaunt und begeistert, was wir
bereits an Requisiten von den »Mighty Blues« und der »Gelsen-Szene«, den
beiden ehemaligen Hooligan-Gruppierungen von Schalke, in unserem Besitz
haben. Gerade die jüngeren Mitglieder der »Ultras GE« sind besonders
interessiert, da sie die »Mighty Blues« ja nur aus Erzählungen kennen.
Ansonsten standen wir in einem sehr engen Austausch mit den Ultras und
ein Großteil der ausgestellten Sachen stammt auch aus ihrem »Bestand«.
Wir haben gemeinsam Ideen entwickelt, welche Utensilien man überhaupt in
eine Ausstellung einbauen kann. Die Ultras haben sich dann in weiten
Teilen um die Umsetzung gekümmert und haben wirklich tolle, akribische
Arbeit geleistet!
Haben Sie ein persönliches Lieblingsstück in der Ausstellung?
Da
tue ich mich sehr schwer. Ich war gefühlt bei 95% der Choreos im
Stadion dabei - jede Choreo hat ihre eigene, ganz besondere Geschichte.
Zumal eine Papptafel-Choreo, wie wir sie noch zu Zeiten des Parkstadions
zu sehen bekamen, genau so ihren Charme hat wie eine moderne, imposante
Choreo mit dreidimensionalem Europapokal.
Die
»Eurofighter-Choreo« hat, Angaben der Ultras zufolge, 120.000 Euro
gekostet - ein Betrag, der von anderen Fanszenen zum Teil kritisiert
wurde. Wer zahlt auf Schalke für die Choreos?
Das machen bei
uns die »Ultras GE« über Spendensammlungen im Rahmen von Heim- und
Auswärtsspielen oder bei der Saisoneröffnung. Es gibt auch ein
Spendenkonto. Die Choreos werden so zu 100% über Spenden finanziert,
Vereinsgelder stecken definitiv nicht mit drin - was übrigens auch genau
so von den Ultras gewollt ist.
Ultras haben
generell einen schweren Stand – gerade in den Medien. Wollen Sie die
Ultras anhand der Ausstellung auch mal von einer anderen Seite zeigen?
Wir
wollen zeigen, wie viel Arbeit, Herzblut und Kreativität in den
Choreografien steckt. Es ist eben nicht damit getan, ein paar Papptafeln
hochzuhalten oder ein paar Planen auszurollen. Es kommt auch kein Lkw
vorgefahren, der hinten die fertige Choreo drin hat und dann war es das.
Die Ausstellung verdeutlicht, dass die Choreografien teilweise eine
monatelange Planung erfordern und dass jede Choreo einer Unmenge an
Kosten und Arbeitsstunden bedarf.