In seinem neuen Sachbuch "Schwarz. Weiß. Denken!" glänzt Kevin Dutton darin, solche philosophischen Überlegungen mit psychologischen Untersuchungen zu verknüpfen und damit zu erklären, warum wir in Schubladen denken. Eigentlich forscht der Autor an der University of Oxford und ist bekannt für populärwissenschaftliche Veröffentlichungen über Psychopathen. Mit seinen Äußerungen ist er dabei öfter angeeckt. Die Menschen wollen nicht hören, dass Psychopathen auch positive Eigenschaften haben, so Duttons Vermutung. Denn Psychopathen gehören offenbar in eine ganz bestimmte Schublade und sollen darin bleiben. Diese Erfahrung hat den Forscher dazu gebracht, ein neues Buch zu schreiben: über die Entstehung unseres Schwarz-Weiß-Denkens - und wie es in einer immer komplexeren Welt an seine Grenzen stößt.
Zurück zum vermeintlichen Sandhaufen: Selbst wenn es rein logisch keine korngenaue Trennung gibt, an dem aus einem Häufchen ein Haufen wird, können wir sehr wohl zwischen beiden unterscheiden. Das ist Duttons erste Feststellung. Die Welt besteht aus kontinuierlichen Grautönen, aber wir erkennen eindeutige Einteilungen, Schwarz und Weiß. Und das ist wichtig. Menschen sehnen sich nach kognitiver Geschlossenheit, sie wollen Unsicherheiten überwinden und prägnante Antworten finden. Sonst gelangt man nie vom Denken zum Handeln. Doch so nützlich klarkantige Kategorien auch sind, um giftige Schlangen nicht mit krummen Stöcken zu verwechseln, führen sie laut Dutton in einer komplizierter werdenden Welt immer öfter zu Problemen. Rassismus zum Beispiel beruht darauf, dass Menschen andere auf Grund bestimmter Merkmale wie der Hautfarbe in eine Schublade stecken und ihnen stereotype Eigenschaften zuschreiben.
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Bleiben wir am Meer. Ist das eigentlich blau oder grün? Und wo liegt auf der Farbskala die Grenze? Für Menschen, die Berinmo sprechen, die Sprache eines Volks in Papua-Neuguinea, stellen sich solche Fragen nicht. Beide Töne gehören für sie in die Farbkategorie "Nol". Bläuliche Mustertafeln können sie Experimenten zufolge schlechter von grünen unterscheiden als englischstämmige Personen. Dutton schlussfolgert: Die Sprache bildet die Kategorien, in denen wir denken. Und diese prägen, wie wir die Umgebung wahrnehmen.
Folglich lässt sich unser Bild der Welt verändern, indem wir die Sprache verändern. Es ist alles eine Frage des Rahmens, durch den man etwas betrachtet (deswegen spricht man auch von "Framing", vom englischen Begriff "frame" für Rahmen). Ein Beispiel: Sind Kondome, die zu "90 Prozent effektiv" sind, verlässlicher als jene, die eine "Versagequote von 10 Prozent" haben? Klar, mathematisch besteht kein Unterschied, aber die Perspektive ist eine andere. Wir sehen die Verhütungsmittel durch einen anderen Rahmen, wenn wir dabei an "Versagen" denken statt an "Schutz".
Manipulieren leicht gemachtLeider wandelt sich Kevin Dutton im letzten Drittel des Buchs vom neugierigen Forscher zum überzeugten Ratgeberautor. Er erklärt darin, wie man sich das Schubladendenken zu Nutze machen kann, um andere von sich zu überzeugen. Er nennt seine eigene Strategie "Supersuasion" (super + "persuasion", Englisch für Überzeugung). Zwar gibt der Autor durchaus hilfreiche Tipps, doch sie kommen in eingängigen Dreiklängen zu glatt geschliffen daher. Alles steht und fällt demnach mit den Kategorien "Kampf versus Flucht", "wir versus sie", "richtig versus falsch". Am Ende ist es für Kevin Dutton also wieder eindeutig richtig oder falsch, schwarz oder weiß.
Dennoch, die scharfsinnigen Gedanken des Autors, die amüsanten Anekdoten und verständlichen Gespräche mit Forscherinnen und Forschern aus den verschiedensten Fachgebieten machen "Schwarz. Weiß. Denken!" zu einer lehrreichen und unterhaltsamen Lektüre, die ein Stirnrunzeln immer wieder in ein Staunen verwandelt.
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hat "Philosophie-Neurowissenschaften-Kognition" studiert und war Praktikant bei "Gehirn&Geist".
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