Obgleich dem spanischen Kino der Hype der Masse bislang verwehrt blieb, konnten gerade Genre-Fans in den letzten Jahren einige Perlen im Cine español für sich entdecken. Im klaustrophobischen Kammerspiel „Buried - Lebens begraben" trumpfte mit Ryan Reynolds zwar ein Hollywood-Star in der Hauptrolle auf, dennoch entstand der Streifen zu weiten Teilen als spanische Produktion. Auch der düstere Thriller „Sleep Tight" erhielt hierzulande keinerlei Aufmerksamkeit an den Kinokassen, triumphierte jedoch mit einem kultpotenziellen Bösewicht und das Psychostück „The Body" erwies sich beim Fantasy Filmfest 2013 als die Entdeckung und einer der spannendsten Plottwister der letzten Jahre. Trotz dessen beschränkt sich iberische Filmkost weiterhin vornehmlich auf den Heimkinomarkt, sodass sich auch der fehlende Kinostart von Patxki Amezcua s („25 kilates") „7th Floor - Jede Sekunde zählt" nicht zwingend anhand der (möglicherweise fehlenden) Qualität erklären lässt. Der mit spanischen Topstars bestückte Krimi überzeugt als stilsicher inszenierter, minimalistischer Thriller der Marke „Unknown Identity".
Sébastien ( Ricardo Darin) ist ein erfolgreicher Anwalt, frisch geschieden und liebender Vater von zwei Kindern. Wie jeden Tag holt er Sohn und Tochter von seiner Ex-Frau Delia ( Belén Rueda) ab um beide zur Schule zu bringen und auf dem Weg dorthin ein wenig Zeit mit ihnen zu verbringen. Doch an diesem Tag ist alles anders. Bei einem Wettrennen durchs Treppenhaus verschwinden die Kinder spurlos. Sébastien ist verzweifelt, als er feststellen muss, wie viele Leute es auf ihn und das Wohl seiner Sprösslinge abgesehen haben könnten. Alsbald entwickelt sich dieser Tag zu den schwersten Stunden im Leben der Ex-Eheleute, die vergeblich vor dem Telefon auf Anweisungen der Entführer warten. Doch damit ist dieser Fall noch längst nicht abgeschlossen...
Wer hinter „7th Floor - Jede Sekunde zählt" einen modernen Twist-Ride vermutet, wird angesichts der diese Tatsache versprechenden Ausgangslage möglicherweise enttäuscht werden. Der ruhig erzählte Thriller liefert mit der Entführung von zwei Kindern und nahezu unendlich vielen, potenziellen Tätern einen bodenständig inszenierten Krimi, der in einer künstlerischer Behäbigkeit daherkommt und dessen Spannung sukzessive damit voranschreitet, all die als Entführer infrage kommenden Personen nach und nach auszuschließen. Dadurch entwickelt sich für den Zuschauer ein spannendes Mitratespiel, doch mit der Auflösung kommt nicht etwa der große Knall, sondern die Ernüchterung. Im Realismus der Story steckt vermutlich einer der Schwerpunkte, den „7th Floor" zu einem typischen Heimkino-Titel macht. Ganz gleich, ob der Filmemacher sein Handwerk versteht und sein karg ausgestatteter Streifen von kühl inszeniertem Hochglanz ist, fehlt es „7th Floor" an hollywoodtypischer Dynamik. Das wäre nicht weiter schlimm, immerhin hat der Streifen nicht annähernd etwas mit der US-amerikanischen Filmschmiede zu tun und ist angesichts seines geringen Budgets ohnehin eine äußerst kleine Produktion, aber auch ohne das große Geld lässt sich Spannung generieren.
„7th Floor" bleibt in der Gesamtheit nicht etwa spannungsarm, aber ihm geht in seiner ohnehin übersichtlichen Laufzeit von rund 90 Minuten ein wenig die Puste aus. Ricardo Darín („Chinese zum Mitnehmen") in der Rolle des Vaters bringt die Besorgnis um seine Kinder zwar passend zum Ausdruck, könnte bisweilen jedoch noch emotionaler agieren und Belén Ruedas Spiel erinnert stark an ihre Rolle in „The Body", in welcher sie schon einmal einen weiblichen Unsympatling verkörperte. Beiden Darstellern gelingt es, das bisweilen behäbige Skript mit Leben zu füllen und den Film somit bis zur reichlich vorhersagbaren Auflösung packend zu gestalten.
„7th Floor" wäre im Kino untergegangen - im Heimkino lohnt sich der Thriller aufgrund der Einladung zum Mitraten. Bei seinen Schwächen im Storytelling überzeugt die spanische Produktion mit hochstilisiertem Design, soliden Darstellerleistungen und einer bodenständigen Prämisse. Wem das zu wenig ist, der greife bitte im Hollywoodregal zu!
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