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Grüner Wasserstoff: Wettlauf der Wüstenstaaten

Copyright: Annika Brohm

In Saudi-Arabien und Namibia entstehen gigantische Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff. Deutschland ist als Partner beteiligt. Doch auch der neue Energieträger birgt Risiken.


Der Weg zur Stadt der Zukunft führt durch ursprüngliche Wüstenlandschaften. Hier und da trotten ein paar Kamele am Straßenrand entlang, gefolgt von Beduinenhirten. Ansonsten: nichts. Man könnte meinen, man habe sich im Niemandsland verirrt, wären da nicht die Schilder. "Neom" steht auf ihnen geschrieben. Es ist der Name der Planstadt, die sich künftig durch den gesamten Nordwesten Saudi-Arabiens ziehen soll. Zugleich ist Neom ein Versprechen. Die Wortschöpfung steht für "neue Zukunft". Und genau die will das saudische Königshaus nun einläuten.


Noch sprudelt in Saudi-Arabien das Öl und sorgt für Wohlstand. Doch angetrieben von seiner "Vision 2030" sucht Kronprinz Mohammed bin Salman vorsorglich nach neuen Einkommensquellen, unter anderem Wasserstoff. In Neom stampfen Experten von Unternehmen wie ThyssenKrupp eine gigantische Produktionsanlage aus dem Boden. 650 Tonnen grünen Wasserstoff am Tag will Saudi-Arabien dort künftig herstellen und in alle Welt exportieren. "Wir sind davon überzeugt, dass wir der wettbewerbsfähigste Produzent sein werden", sagt Energieminister Abdulaziz bin Salman Al Saud. Damit ist das Ziel gesetzt: Nach Jahrzehnten als globale Tankstelle greift Saudi-Arabien nach der Marktführerschaft bei Wasserstoff.


Einer der Partner bei diesen Plänen ist Deutschland. Im März 2021 schloss der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ein Abkommen mit dem saudischen Energieminister. Denn auch Deutschland will zum globalen Vorreiter bei grünem Wasserstoff werden. Allerdings nicht als Produzent, sondern vorrangig als Ausstatter und Nutzer. "Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen", heißt es in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Vor allem in der Industrie, im Verkehr und im Wärmesektor soll er fossile Energieträger ersetzen.


Auf Partnersuche

"Ohne Importe von grünem Wasserstoff wird das in Deutschland nicht möglich sein", sagt Malte Küper vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Forscher schätzen den grünen Wasserstoffbedarf in Deutschland bis 2030 auf 50 bis 60 Terawattstunden. Das entspricht in etwa einem Zehntel des gesamten Strombedarfs hier zu Lande. Geht es nach der Ampelkoalition, kann Deutschland bis 2030 etwa die Hälfte davon selbst erzeugen. Stellt sich die Frage: Woher soll der restliche grüne Wasserstoff kommen?


An Importkandidaten mangelt es nicht. Von der Arabischen Halbinsel bis nach Australien, von Südamerika bis nach Afrika - weltweit streben etliche Regionen nach einer führenden Rolle auf dem Wasserstoffmarkt. Sie alle haben das, woran es Deutschland mangelt: reichlich Platz, Sonne und Wind. "Wenn man Wasserstoff emissionsfrei herstellen will, braucht man jede Menge Ökostrom", erklärt Küper.


So rechnen sich im Wasserstoffrennen selbst Länder eine Chance aus, die auf dem globalen Energiemarkt bislang höchstens Außenseiter waren. Eines davon ist Namibia. Mit dem Wüstenstaat im Südwesten Afrikas hat Deutschland im August 2021 eine neue Partnerschaft besiegelt. 40 Millionen Euro will die Bundesregierung in den Ausbau der namibischen Wasserstoffwirtschaft investieren. Das soll sich später auszahlen. Nach Berliner Berechnungen wird der Energieträger in keinem Land günstiger zu haben sein. "Ein gewaltiger Standortvorteil für Wasserstoff made in Namibia", sagte die damalige Forschungsministerin Anja Karliczek. Schließlich brauche Deutschland Wasserstoff in großen Mengen, und das möglichst rasch. In Berlin ist man überzeugt: "Namibia kann liefern."


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