Es gibt nur noch ein paar Tausend Wildhunde in ganz Afrika. In Simbabwe lernen Schüler in einem Camp die bedrohten Tiere zu schützen.
In der Mittagshitze pirscht Professor durch den dichten Wald. An einem Baum bleibt er stehen, er schaut sich die Blätter ganz genau an, dann sucht er nach Biss-Spuren an der Rinde. War hier ein Impala unterwegs oder vielleicht ein Kudu? Professor macht sich Notizen in seinem Baumkunde-Heft. Er weiß: Wo sich Beutetiere aufhalten, fühlen sich auch Wildhunde wohl.
Seit vier Tagen lernen Professor, 12, und seine Klassenkameraden in einem Busch-Camp in Simbabwe alles über die seltenen Raubtiere: wie sie sich verhalten, wo sie leben und wie man sie schützen kann. Denn Afrikanische Wildhunde sind stark gefährdet.
Das Camp gehört zu einem Rettungszentrum für Wildhunde im Westen des Landes. Hier behandeln Artenschützende verletzte und kranke Tiere. Wenn sie wieder gesund sind, entlassen sie die Wildhunde zurück in die Natur. Am Vormittag hat Professors Klasse zwei Tiere in ihrem Gehege beobachtet. Von Weitem könnte man sie mit Hyänen verwechseln. Ihr Körper ist dünn, ihr Fell ist mit verschiedenfarbigen Flecken übersät, ihre großen Ohren erinnern an Micky Maus.
Im Deutschen wird der Wildhund auch als Hyänenhund bezeichnet. Beide Arten sind zwar Raubtiere, aber näher verwandt sind sie nicht. Professor findet es faszinierend, wie sozial die Tiere sind. "Wildhunde arbeiten immer im Team, zum Beispiel beim Jagen", erklärt er, "und wenn Welpen zur Welt kommen, kümmert sich das gesamte Rudel um sie."
Nur noch weniger als 7000 Afrikanische Wildhunde gibt es auf dem gesamten Kontinent. Vor 100 Jahren waren es noch Hunderttausende. Ein paar Hundert der verbliebenen Tiere leben in Professors Heimat Simbabwe. Er und seine Klassenkameraden sind in Dörfern am Rande des Hwange-Nationalparks aufgewachsen. In dem Schutzgebiet sind die Wildhunde sicher. Außerhalb ist der Mensch die größte Gefahr für sie. Wilderer verteilen Drahtschlingen, um Antilopen zu fangen. Sie wollen das Fleisch der Tiere essen oder verkaufen. Immer wieder geraten auch Wildhunde in die Fallen. Deren Kadaver lassen die Wilderer verwesen, denn das Fleisch der Wildhunde ist nutzlos für sie.
"Es ist ein trauriger, unnötiger Tod", sagt Survivor Nyasulu, 27. Er ist Teil des Ranger-Teams, das die Wildhunde in der Gegend beschützt. Mit zwölf Jahren hat Survivor das Busch-Camp besucht, wie Professor heute. Danach stand für ihn fest: Er will Wildhüter werden. "Wir müssen bedrohte Arten wie Wildhunde retten. Sie sind ein wichtiger Teil unseres Ökosystems", sagt Survivor. Er zeigt auf mehrere Türme aus Drahtschlingen, die in der Sonne rostrot leuchten. "Mehr als 5000 davon sammeln wir im Jahr", sagt er. Die Ranger verteilen den Draht später an Künstler, die Schmuck und Figuren daraus formen - zum Beispiel Wildhunde.
Jeden Tag gehen Survivor und die anderen 15 Wildhüter und Wildhüterinnen auf Patrouille. In den Wäldern und der Savanne Simbabwes suchen sie nach Fallen. Zugleich halten sie Ausschau nach Spuren von Mensch und Tier. Zwei speziell ausgebildete Schäferhunde begleiten sie dabei. "Mit ihrer feinen Nase helfen sie uns dabei, Wilderer aufzuspüren", sagt Survivor. Als Ranger muss er fit sein. Häufig legt er mehr als 15 Kilometer am Tag zurück. "Wenn wir eine Spur finden, dann folgen wir ihr bis zum Ende", sagt er. Für Survivor ist es ein Traumjob: "Wir bewahren die Artenvielfalt für die nächsten Generationen", sagt er.
Doch nicht nur Wildhüter können die Tiere schützen - sondern auch die Kinder aus der Umgebung. Beispielsweise indem sie die Polizei anrufen, wenn sie Kadaver oder Fallen entdecken. In den vergangenen Jahren haben Artenschützer in Simbabwe einige Rudel mit Halsbandsendern ausgestattet. Im Busch-Camp erfahren die Schüler, wie das sogenannte Tracking funktioniert. "Mit einer Antenne und den Signalen vom Halsband können wir die Wildhunde aufspüren", erklärt Professors Klassenkameradin Nonsikelelo, 12.
Vorsichtig nimmt sie eines der Halsbänder in die Hand. Es ist mit dicken Metallstacheln besetzt. "Wenn ein Wildhund in eine Falle gerät, halten ihm die Stacheln die Schlinge vom Hals", sagt sie. Mehr noch: Bewegt das Tier in der Falle lange genug den Kopf, kann es den Draht mithilfe der Stacheln lösen und sich selbst befreien. Das grelle Orange der Halsbänder soll die Wildhunde zusätzlich vor Verkehrsunfällen bewahren, wie eine Warnweste.
Nach dem Baumkunde-Unterricht packen Nonsikelelo, Professor und die anderen Kinder langsam ihre Sachen. Ihre Zeit im Busch-Camp ist nach einer knappen Woche vorüber. Morgen beginnt wieder der normale Schul-Alltag. Etwas traurig sei er schon, sagt Professor. Die Begegnung mit den Wildhunden im Zentrum hat ihn beeindruckt: "Es war das erste Mal, dass ich den Tieren so nahe gekommen bin." Eines Tages will er wiederkommen, das weiß Professor jetzt schon.