Beim Desert Dash durchqueren die Teilnehmer auf dem Mountainbike die älteste Wüste der Welt: 393km durch die Namib, die den Schweizer Konny Looser an seine Grenzen bringen. Protokoll eines Abenteuers.
Am Ende entscheiden 30 Zentimeter, verdammte 30 Zentimeter. Konny Looser geht in die Knie, er lässt den Kopf hängen, sein Gesicht ist mit Staub und Dreck gezeichnet. «Scheisse, Mann!», ruft er. Es ist kurz nach fünf Uhr morgens in Swakopmund, einer Küstenstadt in Namibia. Looser hört, wie die Wellen des Atlantiks heranpreschen und sich langsam wieder zurückziehen; er sieht die Blitzlichter der Kameras, die ihn umzingeln; er fühlt die Kälte in jede Faser seines drahtigen Körpers kriechen.
30 verdammte Zentimeter haben ihm die Siegesserie vermasselt. Ihn zum Verlierer gemacht. Looser, wie ironisch. Er ist Zweiter geworden, aber das tröstet ihn nicht, nein, das macht alles nur noch bitterer. «Am Ende guckt doch eh jeder nur auf den Sieger, oder?», sagt er. Es klingt niedergeschlagen und hoffnungsvoll zugleich: oder? «Wie lange haben die sich schon die Finger nach dem Titel geleckt?», fragt sein Schwiegervater, aber eigentlich ist es keine Frage.
Keine 15 Stunden zuvor geniesst Konny Looser den Ruf einer Legende. Was Michael Schumacher einst für die Formel 1 war und Bayern München für die Deutsche Bundesliga, ist Konny Looser für das Desert Dash. Sechs Mal hat der Schweizer an dem Mountainbike-Rennen in Namibia teilgenommen. Sechs Mal hat er gewonnen. "Langweilig", sagen Desert-Dash-Fans über ihn, "der gewinnt doch eh." Einer seiner stärksten Konkurrenten sagt: "Konny ist so gut wie unschlagbar." Er selbst sagt: "Etwas anderes als der Sieg kommt für mich nicht infrage."
Das Desert Dash ist ein Rennen der Extreme. Auf dem Mountainbike durchqueren die Teilnehmer die älteste Wüste der Welt. 393 Kilometer fahren sie durch die Namib, von bis zu 35 Grad Celsius in der Mittagshitze bis in die Kälte der Wüstennacht, von der Hauptstadt Windhoek bis zur Küstenstadt Swakopmund. Wer dort ankommt, sieht, wie die Dünen der Namib und die Wellen des Atlantiks in einem krachenden Showdown aufeinandertreffen. Wer länger braucht als 24 Stunden, scheidet noch davor aus.
So gegensätzlich die Natur in Namibia ist, so gegensätzlich sind auch die Ansprüche der Teilnehmer. An der Spitze des Rennens loten Profis wie Looser ihre körperlichen und mentalen Grenzen aus. Sie streben nach Bestzeiten und greifen nach dem Titel. Loosers Titel. Im hinteren Feld hieven Hobbyfahrer ihre Bierbäuche die Strassen hinauf, für sie zählt die Teilnahme allein. Ankommen?
Vielleicht, mal schauen. Wer will, kann im Team antreten und die Last der Strecke halbieren oder gar vierteln. Ein Auszug aus der Startliste des Desert Dash 2021: Team «Just riding along» hat sich angemeldet, ausserdem «The Vomit» und «Fat Fun».
Für ein dünn besiedeltes Land wie Namibia ist das Desert Dash ein grosses Event. Bereits Wochen davor drehen sich die Gespräche im Fahrradladen und im Supermarkt um das «Dash». Wer sich als namibischer Einzelfahrer an die Strecke heranwagt, wird für kurze Zeit zur lokalen Berühmtheit. «Hast du gehört, dass Martin in diesem Jahr wieder mitmacht?» «Vielleicht reicht es ja diesmal für den Sieg.» Als Profifahrer aus Europa blickt Looser, verheiratet mit einer deutschnamibischen Radfahrerin, beinahe belustigt auf das Geschehen.
Er sei andere Konkurrenz gewohnt, sagt er: «Es ist nicht gerade so, als ob sich hier die Weltklasse versammeln würde.» Trotzdem spürt er, dass in seinem siebten Jahr irgendetwas anders ist. Er kann es nur noch nicht greifen. Er reist früher als sonst nach Namibia, bereitet sich intensiver vor.
Das Desert Dash findet alljährlich an einem Feiertag mit einem sperrigen Namen statt, dem «Tag der namibischen Frauen und internationalen Tag der Menschenrechte». Stunden vor dem Startschuss parken Familien ihre Geländewagen am Strassenrand, Kofferräume und Ladeflächen werden zu Zuschauerrängen. Fleisch brutzelt auf Barbecues, die hier jeder nur «Braais» nennt. Daneben brutzeln nackte Bäuche in der Sonne. In sicherer Entfernung haben sich Paviane auf Bäumen und Zaunpfählen positioniert, als wollten auch sie einen Blick auf die Wahnsinnigen werfen, die im afrikanischen Sommer über die Schotterstrassen brettern.
Immer wieder hört man an diesem Nachmittag das afrikaanse Wort «Gees». Wörtlich über setzt bedeutet es «Geist». Wenn jemand aber die wahre Bedeutung von «Gees» erklären kann, dann wahrscheinlich die Dash-Zuschauer am Strassenrand: Es ist eine Atmosphäre, die einen unweigerlich mitnimmt, ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
IM TUNNELAll das rauscht an Looser vorbei. Er befindet sich jetzt in seinem Tunnel, und dieser Tunnel soll ihn geradewegs zum siebten Sieg in Folge führen. In der Startzone in einem Windhoeker Parkhaus dröhnt «Black Betty» von Ram Jam aus den Lautsprechern. Der Moderator zählt den Countdown zum 17. Desert Dash herunter. Das letzte «Bambalam» ist noch nicht verstummt, da bringt Looser die ersten Fahrer schon an ihre Grenzen. Er zieht die Menge aus der stickigen Hauptstadt hinaus, den Kupferberg-Pass hinauf, vorbei an trockenen Gräsern und Dornbüschen.
Bergab lässt er sich zurückfallen. Bergauf beschleunigt er wieder. Er spielt mit seiner Konkurrenz wie ein Kind, das eine Horde Ameisen mit einer Zuckerspur anlockt, nur um sie dann zu zerquetschen. Der Wind bläst ihm gnadenlos ins Gesicht. Aber Looser wird nicht langsamer, bis im Spitzenfeld nur noch sechs Fahrer übrig sind. Alles läuft nach Plan.
Sie bahnen sich ihren Weg durch eine Umgebung, die lebensfeindlicher kaum sein könnte. Warum tun sich die Fahrer das eigentlich an? Spass macht ihm das Ganze nicht, das gibt Konny Looser offen zu. Und das Preisgeld von umgerechnet knapp 2200 Schweizer Franken? Geschenkt. Warum es ihn dennoch Jahr für Jahr im Dezember nach Namibia zieht, kann Looser nur schwer in Worte fassen.
«Man könnte tausend Geschichten über das Dash erzählen», sagt er. Zum Beispiel die, wie ein Skorpion bei einer nächtlichen Pinkelpause in das Lichtfeld seiner Stirnlampe tänzelte, als hätte er sein Leben lang auf diesen Auftritt gewartet. Das Dash sei ein Mythos, sagt Looser. «Letztendlich muss man es selbst erlebt haben.»
Rein zahlenmässig hat er schon ganz andere Extreme bewältigt. Im Oktober 2021 etwa hat er das «Titan Desert» in Marokko gewonnen: Rund 640 Kilometer, 7600 Höhenmeter, insgesamt 24 Rennstunden, aufgeteilt auf sechs Tage. Dagegen erscheint das Desert Dash mit seinen knapp 400 Kilometern und 3000 Höhenmetern geradezu mickrig. Aber für den Kopf, sagt Looser, sei das Rennen in Namibia die härteste aller Prüfungen.
Auf mentale Vorbereitung verzichtet er. Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb. Seine Strategie: Einfach nicht darüber nachdenken. Sonst wird man nur nervös. «Das Desert Dash ist unberechenbar», sagt er bei einer Apfelschorle am Tag vor dem Rennen, und irgendwie fühlt er sich jetzt doch nervös, zum ersten Mal in all den Jahren. «Letztendlich kommt doch alles anders, als man es sich ausgemalt hat.»
Rund 40 Prozent der Einzelfahrer werden in diesem Jahr die Ziellinie nicht erreichen. An der dritten Wasserstelle kauert Daniel Abraham Gebru neben seinem Fahrrad. Bei den Paralympics in Rio de Janeiro und Tokio hat derNiederländer Goldmedaillen gesammelt. Das Desert Dash endet für ihn noch in der ersten Hälfte, ein Supportwagen gabelt ihn unterwegs auf. «Ich hab viel zu schnell angefangen», sagt er, «irgendwann war ich einfach ausgebrannt». Die Beine krampfen, der Kopf tut weh, der Bauch auch, eigentlich tut alles weh. «Dann versuchst du es im nächsten Jahr halt wieder», sagt jemand und klopft ihm auf die Schulter. Gebru lächelt, als hätte ihn jemand dazu gezwungen. In diesem Moment scheint ein zweiter Versuch das Letzte zu sein, woran er denken will.
DIE LUFT BRENNTAls Looser den steilen Us-Pass herunter brettert, fühlt es sich an, als hätte jemand die Tür eines Backofens geöffnet. So be schreibt er es später selbst. Die Luft, die ihm entgegenströmt, brennt wie Höllen feuer. Am Strassenrand erinnert ein Kreuz an einen Teilnehmer, der 2006 an dieser Stelle einen schweren Herzinfarkt erlitten hat. Bis heute ist es der einzige Todesfall beim Desert Dash.
Vor den Fahrern breitet sich jetzt eine Landschaft von absurder Schönheit aus. Steile Hänge rauschen Zentimeter neben ihren Reifen in die Tiefe, der Himmel färbt sich zum Tagesende allmählich rot und lila. In der Ferne ragt ein Tafelberg auf, gespickt mit Akazienbäumen. Die Fahrer kriegen davon nicht viel mit. Sie kämpfen gegen den Staub der Schotterstrasse, der sich auf ihren Brillen festsetzt und in ihren Lungen ausbreitet. Die Fahrt über die Passstrasse wird zeitweise zum Blindflug.
Bereits am zweiten Checkpoint ist die Spitzengruppe auf drei Fahrer geschrumpft. Die Startnummern 1001, 1035 und 1273 scheinen zu einer Einheit verwachsen zu sein. Es sind Looser, Tristan de Lange – namibischer Olympia Teilnehmer im Strassenrennen – und dessen Verbündeter Vinzent Dorn. Den Studenten aus Deutschland hatte vor dem Rennen niemand auf der Rechnung. Selbst die Veranstalter müssen in der Startliste nachschlagen, wer sich da an der Spitze festgesetzt hat.
Kilometer um Kilometer fahren sie dicht hintereinander, der ewige Sieger, der namibische Shootingstar und der Underdog. Nicht einmal ein Lineal würde zwischen ihre Reifen passen. Aus der Ferne betrachtet, könnte man meinen, dass sich drei sehr sportliche Freunde zu einer Radtour durch Afrika verabredet haben. Dünne Körper rollen auf dicken Reifen durch die Landschaft, dem Sonnenuntergang entgegen. Zwischendurch zeigen sie auf Tiere am Strassenrand, ein Schakal hier, ein paar Paviane da. An der Spitze wechseln sie sich ab. Jeder darf mal im Windschatten fahren. Ist das noch das härteste Eintagesrennen der Welt, von dem Looser gesprochen hat? «Es wird nicht mehr lange dauern, bis einer zum Angriff bläst», verspricht der Veranstalter.
AN DER GRENZESie machen keine Pause, kein einziges Mal. An den Checkpoints geht alles rasend schnell. Sie füllen ihre Wasserflaschen auf, kramen nach etwas Essbarem, dann fahren sie auch schon weiter. Im vergangenen Jahr hat Looser sich an einem Checkpoint ein Schnitzelbrötchen genehmigt, zur Freude seines stärksten Kontrahenten. Es war eine höllische Arbeit, den wieder einzuholen. Das passiert Looser diesmal nicht wieder. Er kann ohnehin nichts mehr bei sich behalten. Sein Magen macht ihm zu schaffen. «Zu viel Süsskram», sagt seine Schwiegermutter, während sie die vorbereiteten Snacks wieder einpackt.
«Mir ist übel», sagt Looser. Seine Konkurrenten hören es. De Lange erhöht das Tempo. Nicht zu viel, schliesslich müssen auch er und Dorn ihre Kräfte einteilen. Aber es ist genug, um Looser an seine Grenzen zu bringen.
Die Idee für das Desert Dash entstand in einer langen Nacht im Jahr 2004. Der Alkohol floss in grosszügigen Mengen, und nach einer Weile dachte sich der Namibier Aiden de Lange: Wie wäre es, mit dem Rad innerhalb von 24 Stunden durch die Namib zu fahren? Du bist doch «flippen mal», haben die Leute ihm daraufhin gesagt, vollkommen verrückt. Wenig später verabredeten sich de Lange und ein paar Freunde zu einer Radtour von Windhoek nach Swakopmund, auf halber Strecke übernachteten sie in Zelten. Ein Jahr später fand das erste offizielle Rennen statt, damals mit 44 Teilnehmern. Im Jahr 2021 sind es trotz der Pandemie 24 Einzelfahrerinnen und 187 Einzelfahrer. Und ausgerechnet de Langes Sohn Tristan macht Looser das Leben schwer.
De Langes Strategien kennt Looser nur zu gut. Er hat sie ihm selbst beigebracht. Vor zwei Jahren hat er den namibischen Profifahrer trainiert, in der Woche vor dem Dash haben sie sich gemeinsam im kargen Süden Namibias vorbereitet. Wenn de Lange ihn nun schlägt, dann mit seinen eigenen Waffen. Looser schwankt irgendwo zwischen Stolz, Wohlwollen und Verzweiflung.
Als er kurz vor dem Rennen von der Omikron-Variante gehört hatte, sass er quasi schon im Flugzeug zurück in die Schweiz. In letzter Sekunde entschied er sich dafür, doch in Namibia zu bleiben. «Wäre doch dumm, nach all der Vorbereitung doch nicht teilzunehmen», hat er sich gedacht. Schliesslich hat er einen Ruf zu verteidigen. «Back in the Game for the Dash!», schreibt er an jenem Tag auf seinem Blog. «Full Gaz!»
Nun sitzt er auf seinem Rad und strampelt durch die Wüste, aber von «Full Gaz» ist er weit entfernt. Sein Magen rumort, die Wellen und Buckel der Schotterstrassen geben ihm den Rest. Dreimal übergibt er sich vom Fahrrad aus.
IN DIE DUNKELHEITDie Gedanken sind das Schlimmste, vor allem in der Nacht. Und dann sind da noch die Geräusche. War das eine Hyäne? Ein Schakal? Ein Löwe? Die Dunkelheit verschluckt die Lichter der Fahrräder beinahe. Mehr als fünf, zehn Meter können sie nicht vorausblicken. Einige Teilnehmer behaupten nach dem Rennen, sie hätten Geister gesehen. In der Finsternis, wenn sich die Sinne an nichts festhalten können, tritt der Wahnsinn auf die Bühne.
«Ich bin leer, vollkommen leer», denkt Looser. «Vielleicht sollte ich einfach aufgeben.» Dann denkt er: Was sollen nur die Leute von mir denken? Meine Schwiegereltern, die sich für mich die Nacht um die Ohren schlagen? Meine Frau, die in der Schweiz auf mich wartet? Meine Sponsoren? Die, die mich nach sechs Siegen in Folge voller Häme scheitern sehen wollen?
Zumindest der Halbmond zeigt in dieser Nacht etwas Gnade mit ihnen. Für einen kurzen Moment schaltet das Trio an der Spitze die Lichter aus. Ungefiltert lassen sie die Wüstennacht auf sich wirken. Sie sehen Orion am Himmel strahlen. Orion, der sich selbst für den grössten Jäger hielt, bis ihm ein Skorpion einen tödlichen Stich versetzte. Nach ein paar Sekunden ist die Magie vorbei.
Gegen zwei Uhr nachts nähern sie sich der Mondlandschaft von Goanikontes. Tatsächlich könnte man zwischen all den Steinhügeln und Kratern meinen, dass man die Erde inzwischen verlassen hat. Hollywood hat die Kulisse für den Blockbuster «Mad Max» genutzt, ausserdem für «Odyssee im Weltraum». Genau hier hat sich das Rennen in den vergangenen Jahren entschieden, und immer war die Gunst auf Loosers Seite.
Ist die Rolle des ewigen Siegers Fluch oder Segen? Gegen drei Uhr nachts erreichen sie den letzten der fünf Checkpoints. In der Oase von Goanikontes füllen sie ihr Wasser auf. Loosers Getränkebeutel hat ein Loch, die Flüssigkeit rinnt an seinen Beinen hinunter und versickert im Sand. Nichts läuft nach Plan. «Tristan ist stark», sagt er seiner Schwiegermutter.
Er weiss, dass er bis zur sandigen Ziellinie in Swakopmund alles geben muss. Er weiss nur nicht, woher er die Energie dafür nehmen soll. Sein Körper verbraucht nun mehr als 900 Kilokalorien pro Stunde, und doch wehrt sich alles in ihm gegen feste Nahrung. Es überrascht ihn selbst, dass er sich noch auf dem Fahrrad halten kann.
14 STUNDEN, 55 MINUTEN50 Kilometer vor dem Ziel löst Looser das Versprechen des Veranstalters ein: Er bläst zum Angriff. In der Ferne sehen sie die Lichter von Swakopmund, wie rote Rettungsbojen leuchten sie in der Nacht. Bald wird alles vorbei sein. Looser beschleunigt, er tritt in die Pedalen wie ein Wahnsinniger. Aber diesmal wird er seine Konkurrenten einfach nicht los.
Was, wenn sie Katz und Maus mit mir spielen?, fragt sich Looser plötzlich, als sie die Wüste hinter sich lassen und die Strassen von Swakopmund durchqueren. Als Verbündete könnten de Lange und Dorn ihn leicht überlisten. Sie tun es aber nicht. Jeder kämpft nun für sich alleine. Die Luft riecht salzig, endlich füllen sich ihre Lungen wieder mit etwas Feuchtigkeit, und da sind sie dann auch schon, der Strand und die rettende Ziellinie. Looser eröffnet den Sprint durch den Sand. Nur noch 20 Meter trennen ihn von seinem siebten Titel, 10 Meter, 30 Zentimeter.
Die Zuschauer beobachten, wie zwei blaue Trikots und weisse Helme kurz nacheinander auf ihren Rädern heran preschen, gefolgt von einem Fahrer in Schwarz-Weiss. Wenige Meter nach der Ziellinie lassen sie ihre schlaffen Körper und ihre Fahrräder in den Sand fallen. Im Blitzlicht der Kameras kneifen sie die Augen zusammen, als müssten sie erst einmal wieder wach werden. Ist das alles gerade wirklich passiert?
Am Ende trennen sie Sekunden. Ihre Zeiten:
Vinzent Dorn: 14 Stunden, 55 Minuten, 43 Sekunden
Konny Looser: 14 Stunden, 55 Minuten, 31 Sekunden.
Tristan de Lange: 14 Stunden, 55 Minuten, 30 Sekunden.
Später wird Looser noch sagen, dass de Lange den Titel verdient hat. Dass es ein faires Rennen war und schlussendlich der Stärkere gewonnen hat. Dass es halt einfach nicht sein Tag war. Sieg und Niederlage liegen dicht beieinander, so ist das im Sport eben, ansonsten gäbe es ja gar keinen Reiz.
Nach der Siegerehrung am Nachmittag nimmt Loosers Schwiegermutter den Pokal in die Hand, es ist ein schlichter Holzklotz mit einer eingeschnitzten Zwei. «Den benutzen wir als Feuerholz für unseren nächsten Braai», sagt sie. Für einen kurzen Moment vergisst Looser seine Enttäuschung, er lacht. Im Tageslicht sieht alles ganz anders aus, wohlwollender. Er verlässt das Festzelt in Swakopmund, lange bevor die Aftershow vorüber ist. Noch am nächsten Tag will er zurück nach Zürich fliegen. In Namibia hält ihn erst einmal nichts mehr. Am Ende guckt doch eh jeder nur auf den Sieger. Oder?
Zum Original