Es war eine lange Diskussion. Nun haben sich die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen mit der Kanzlerin darauf einigen können, dass bei hohen Infektionszahlen auch die Maßnahmen in den Schulen noch mal verschärft werden. Die Maskenpflicht auch im Unterricht soll ab Klasse 7 zwar bereits gelten, wenn es mehr als 50 Infektionsfälle pro 100.000 Einwohner in der Region gibt. Der Hybrid- oder Wechselunterricht aber noch nicht. Nur bei einem besonders hohen Infektionsgeschehen (über 200 Infektionen pro 100.000 Einwohnerinnen) soll im Rahmen einer Hotspotstrategie schulspezifisch nachgeschärft werden. Dazu könnten dann geteilte Klassen für die älteren Schülerinnen ab Klasse 8 gehören.
Es ist immer noch unklar, welche Rolle die Schulen beim Infektionsgeschehen spielen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien sind widersprüchlich und werden gezielt zitiert von Kultusministerinnen, Interessenverbänden und Eltern. Wer für den Wechselunterricht ist, zitiert zum Beispiel die Studie, die vor zwei Wochen von australischen Wissenschaftlern in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftlerinnen kamen zu dem Schluss, dass der Anstieg des R-Wertes im großen Maße mit der Öffnung von Schulen einhergeht. Wer gegen jegliche Schulschließung eintritt, zitiert eine kürzlich veröffentlichte Analyse von über 100.000 Corona-Testergebnissen, die aus verschiedenen deutschen Kinder- und Jugendkliniken zusammengetragen wurden. Aus ihr folgern manche, dass die Dunkelziffer der Erkrankungen bei Kindern doch deutlich geringer ist als bisher gedacht. In Zukunft wollen die Kultusministerien aber regelmäßig vergleichbare Zahlen erheben und auswerten.
Das Thema wird sehr emotional diskutiert. Mit Schulschließungen könnte man sicherstellen, dass sich dort das Virus nicht ausbreitet. Komplette Schließungen fordert zwar gerade niemand. Aber Gewerkschaften und Lehrerverbände beklagen seit langem, dass die RKI-Richtlinien nicht eingehalten werden. Sie sahen vor, dass schon bei einem Inzidenzwert von 50 pro 100.000 Einwohnerinnen die Klassen halbiert werden. Und sie klagen laut: Es gehe darum, die Lehrenden zu schützen. Die Bundesländer würden ihre Fürsorgepflicht vernachlässigen.
Gegen eine Schließung sprechen die Erfahrungen aus dem letzten Lockdown: Die Kinder leiden, weil sie die Beziehung zum Lehrer brauchen, um zu lernen, aber auch, weil ihnen die Sozialkontakte fehlen. Kinder aus bildungsfernen Haushalten wurden oft nicht erreicht und deshalb noch mehr benachteiligt als sie es ohnehin schon sind. Die Digitalisierung funktioniert noch nicht überall so, dass ein guter Hybridunterricht, also der Wechsel zwischen digitalem und analogen Lernen, möglich wäre. Eltern und deren Arbeitgeberinnen haben darüber hinaus das Arbeiten im Homeoffice und gleichzeitige Beschulen der Kinder noch schmerzlich in Erinnerung.
Die Elternschaft scheint gespalten. Die einen plädieren für Hybrid- oder Fernunterricht, weil sie sich zum Beispiel selbst darum sorgen, dass sich Familienmitglieder anstecken. Die anderen sorgen sich mehr darum, dass ihre Kinder mit reduziertem Schulbesuch vielleicht weniger lernen und ihre Freunde nicht treffen können. Die einen wollen Masken auch für die ganz Kleinen, die anderen halten die Maskenpflicht für schädlich.
Die Schulen haben kaum Möglichkeiten zu agieren. Sie werden von den zuständigen Schulämtern mit immer neuen Corona-Regeln überschüttet. Die Kommunikation mit dem Gesundheitsamt ist schleppend. Anrufe und Mails von besorgten Eltern legen Schulbüros und Schulleitungen lahm. Tritt ein Corona-Fall auf, muss die Schule dafür sorgen, dass die Kinder in der Quarantäne weiter beschult und die Lehrkräfte, die ebenfalls in Quarantäne sind, irgendwie vertreten werden.
Sind also die schulspezifischen Lösungen genau der richtige Weg? Schließlich lassen sich die Bedingungen an den Schulen kaum vergleichen. Manche Schulen sind technisch sehr gut ausgestattet, um Schülerinnen und Schüler im Fern- oder Wechselunterricht zu beschulen. Kinder in sozialen Brennpunkten brauchen vielleicht mehr Präsenzunterricht. Warum dann nicht einen Schul-Lockdown light an den Bedingungen an den Schulen und den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientieren? Aber wie viel Spielraum wollen die Schulen?
Eine Schulleiterin, an deren Schule bereits im Wechselmodell unterrichtet wird, ein Schulleiter, dessen Schule digital schon vor Corona gut aufgestellt war und ein Rektor einer Brennpunktschule sprechen hier unter anderem über Möglichkeiten und Grenzen des Hybridunterrichts.