Papst Franziskus versprach "Null Toleranz" gegenüber Missbrauchsfällen - in seinem Heimatland Argentinien werfen ihm Opfer vor, Teil eines Systems des Schweigens gewesen zu sein.
ATMO Provolo Institut
Das ist ein Ort des Grauens, rufen die Frauen wütend, Respekt vor den Opfern! Sie stehen vor dem Instituto Próvolo nahe Mendoza im Westen Argentiniens – bis vor kurzem ein katholisches Internat für Hörgeschädigte. Die Stadt hat das acht Hektar große Anwesen nun von der Kirche erworben, die Stadtverwaltung soll einziehen. Eine weitere Demütigung für die Familien ehemaliger Schüler
OT Carlos Lombardi
Der Fall des Institutes Próvolo ist einer der größten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche in Lateinamerika.
Carlos Lombardi ist rechtlicher Beistand der Opfervereinigung
OT Carlos Lombardo
Die Opfer waren Taubstumme, 28 haben ausgesagt, wie gehen aber von weit mehr aus. Begonnen hat alles in der Zentrale des Institutes in Verona, Italien. Dort wurden zwischen 1950er bis 80er Jahren Schüler sexuell missbraucht. Einige der Verantwortlichen wurden heimlich nach Argentinien versetzt. Und der Missbrauch ging weiter, sowohl hier auch in einem zweiten Institut in der Stadt La Plata.
Erst im Jahr 2016 werden der inzwischen über 80-jährige Priester Nicola Corradi und andere Verdächtige verhaftet. Der deutsche Theologe Hans Zollner, Mitglied der päpstlichen Kommission zum Schutz von Kindern, sagt
OT Hans ZOLLNER
Das war die übliche Politik, das man Leute, um keinen öffentlichen Skandal zu produzieren, vermeintlich, versetzt hat. Nicht bedenkend, dass man damit einen viel größeren Skandal später schafft.
Die Opfer in Argentinien fragen sich jedoch: Was war, für den Vatikan, der eigentliche Skandal? Der jahrzehntelange Missbrauch oder sein Öffentlich-Werden? Die erste Anzeige gab es bereits 2008, damals war Franziskus als Bergoglio Präsident der argentinischen Bischofskonferenz. Nach seinem Amtsantritt als Papst 2013 überreichte ihm ein ehemaliger Provolo-Schüler aus Italien erneut einen Brief. Passiert ist erst etwas, als der Druck in den Medien größer wurde – Pater Gabriel Cuesta, der in den 1980er Jahren selbst missbraucht wurde, wundert das nicht
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OT Gabriel Cuesta
Er hat zu seinem Amtsantritt als Papst zwar „Null Toleranz“ gegenüber Missbrauch in der Kirche gefordert. Aber außer Worten ist bisher kaum etwas passiert. Und das deckt sich mit seinem Verhalten als Erzbischof Kardinal Bergoglio hier in Argentinien. Er war Teil eines Systems des Schweigens und des Vertuschens – bestes Beispiel ist der Fall Grassi
Der Ordenspriester Julio César Grassi, der ein Heim für arme Kinder führte, wurde 2010 wegen Missbrauchs zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt – Bergoglio solle dabei versucht haben, Einfluss auf die Justiz zu nehmen, sagt der Anwalt Juan Pablo Gallego, der die Opfer vertrat:
OT Gallego
Bergoglio hat, als Präsident der argentinischen Bischofskonferenz, eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um Grassi zu verteidigen und den Prozess als eine Hexenjagd zu beschreiben.
Im Fall Próvolo hat Franziskus 2017 einen sogenannten Apostolischen Kommissar ernannt, der für die Ermittlungen nach Kirchenrecht zuständig ist – Julieta Anazco aus la Plata bleibt skeptisch, sie hat 2014 die Gruppe „Netzwerk der Überlebenden“ in Argentinien gegründet, erst 30 Jahre nachdem sie mehrfach von einem Priester missbraucht wurde, konnte sie darüber sprechen – mittlerweile hat das Netzwerk Anzeigen gegen 65 Geistliche gesammelt, von über 1000 Opfern.
OT Julieta
Wir haben ihm alle geschrieben, aber nichts ist passiert. Wir fordern, die Öffnung der Archive der Glaubenskongregation. dass die Täter aus der Kirche ausgeschlossen und der weltlichen Justiz übergeben werden. Und vor allen: nicht mehr in Kontakt mit Kindern kommen.
Julieta Anazcos Peiniger wurde in ein Altenheim versetzt, zu einem Strafprozess kam es nie, der Fall wurde als verjährt zu den Akten gelegt. Der Geistliche, der Gabriel Cuesta und sieben weiteren missbrauchte, wurde befördert, bis zu seinem Tod war er Bischof einer Gemeinde im Chaco, im armen Norden Argentiniens. Dort, wo der Staat kaum präsent und die Kirche oftmals die einzige Autorität ist
OT Cuesta
Für ein Kind ist ein Pater wie Gott. Ich konnte erst Jahre später darüber sprechen. Ich möchte mir nicht ausmalen, was in den indigenen Gemeinden im Chaco passiert ist.
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