Anne Fischer

Freie Journalistin und Texterin, Dresden

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Der Marmorbeflügler

Designer Elia Devoti aus Carrara erschafft monolithische Badewannen, Waschbecken und mehr. Ein spezielles Verfahren, das er bereits im Studium entwickelt, ermöglicht ihm, die Produkte aus Blöcken herauszuarbeiten und bis zu 65 Prozent leichter zu machen.



Das spannendste an großen Designern ist – neben ihrem Werk – meist ihr Werdegang. Fragt man Elia Devoti, wie er zum Marmor kam, dann lacht er und meint, es habe gar nicht anders kommen können, der Marmor war einfach schon immer da. "Ich wurde in einer Künstlerfamilie geboren. Meine Mutter, mein Vater und meine Schwester sind Bildhauer." Die Onkel und Großeltern sind es auch. Marmor ist also die natürliche Umgebung Devotis als Kind. Der Großvater gründet in den 60er Jahren in Carrara eine eigene Werkstatt – der Stadt, in der Marmor "sogar zur Zubereitung von Speisen verwendet wird". 

Elia Devoti spielt mit Marmorresten, er ist jeden Tag umgeben von Skulpturen, sein Vater und seine Onkel übernehmen die Firma vom Großvater. Es wird eine der Werkstätten, wie sie für Carrara so typisch sind: Die Familienfotos an der Wand zeigen inzwischen vier Generationen marmorverstaubte Steinmetze und Bildhauer, allesamt bärtige Handwerker, mal neben riesigen Marienstatuen, mal mit den weißen Marmorbergen im Hintergrund.


In die familiären Fußstapfen tritt Elia Devoti nach der Schule trotzdem nicht – sondern studiert, erst an der Kunstschule, danach Architektur an der Universität. "Mich hat der wissenschaftliche Zugang zur Kunst, ihre technischen Komponenten, die Zusammenarbeit verschiedener Fachleute interessiert." 

Zu den Kunden der Natursteinwerkstatt der Familie Devoti zählen schon damals Werften, die Luxusyachten bauen. Sie kaufen Marmor für die Böden, Wände und als Treppenbelag, fragen immer häufiger auch nach Waschbecken und Duschwannen. Das ist schwieriger, wegen des Gewichts des Marmors. Die meisten produzieren Spülbecken deshalb, indem sie Marmorplatten in Fünf-Millimeter-Stärke übereinander schichten, getragen von einer Aluminiumplatte. Dieses Verfahren funktioniert allerdings nicht bei geschwungenen Linien. Elia Devoti stört sich außerdem an den sichtbaren Verbindungslinien.



Geschwungen, nicht geklebt



Also beschließt er, als Studiums-Abschlussarbeit eine neue Technik zu entwickeln. Tage- und nächtelang experimentiert er, rechnet, verwirft, fängt wieder von vorn an. Seine akribische Arbeit lohnt sich, nicht nur wegen der guten Note. Vielmehr legt er in dieser Zeit den Grundstein für das patentierte Verfahren, mit dem heute bei Dedalostone plastische Marmormöbel um bis zu 65 Prozent leichter und dennoch aus einem Block hergestellt werden. "Die Herausforderung bestand darin, den Marmor leichter zu machen, ohne seine Ästhetik zu verändern und dennoch jede Form und jede Dimension realisieren zu können."



Wobei, schränkt Devoti im gleichen Atemzug ein, die Sache mit den großen Dimensionen immer einem logischen Plan folgen sollte. Marmor sei ein grandioses Material, keine Frage, und doch eine Diva, die sich gar zu gern in den Mittelpunkt rückt und schnell den kompletten Raum vereinnahmt, wenn man sie lässt. "Ich glaube nicht an edle und minderwertige Materialien, ich glaube nur an korrekte Anwendung. Marmor ist ein stimmungsvolles Material, hat einen starken Charakter und eine starke Präsenz. Das macht es schwierig, ihn zu gestalten und zu platzieren", erklärt Devoti. Ein guter Designer überflute eine Umgebung nicht mit einem Material. Schon gar nicht mit Marmor.
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AUSZUG aus STEIN 02/2019, S. 6-11