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Anne Baum

Freie Journalistin, Hamburg

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Adoption: "Als Einzige ohne dicken Bauch zwischen den Müttern"

Wir wussten von Anfang an, dass wir Kinder wollen. Erst waren wir in einer Fernbeziehung, dann zog mein Mann zu mir. Es kam der Zeitpunkt, an dem sich alles richtig anfühlte. Am Anfang war ich sehr locker. Ich sagte mir, dass es Zeit braucht, schwanger zu werden. Doch mit jedem Monat ohne positiven Schwangerschaftstest wuchs meine Unruhe. Und mit der Unruhe die Frustration. Doch wie lange es dauern würde, bis ich unsere Töchter berühren können würde, ahnte ich damals nicht.

Nach einem Jahr machten wir einen Termin in der Kinderwunschklinik. Wir hatten das beruhigende Gefühl, hier Eltern zu werden. Noch bevor es losging mit Spritzen, Blutbildern und der Hoffnung, kam die Bürokratie. Denn künstlich schwanger zu werden, ist auch eine Kostenfrage. Rund 5000 Euro hat eine Behandlung mit der ICSI-Methode gekostet. Die Krankenkassen wollten wissen, wer zahlen muss. Die private Krankenkasse übernimmt die vollen Behandlungskosten nur, wenn der Versicherte die Sterilität verursacht. Verursacherprinzip nennt sich das.

Bei einem Spermiogramm kam heraus, dass mein Mann zu wenige Spermien hat und diese zu unbeweglich sind und abnorme Formen aufweisen. Ich bin privat versichert, mein Mann nicht. Also mussten wir die Hälfte der künstlichen Befruchtung zahlen. Uns war das egal, wir wollten unbedingt ein Kind. Ich nahm Medikamente, damit mehr Eizellen wachsen, und ich spritzte Hormone.

"Herzlichen Glückwunsch, sie sind schwanger."

Für die Eizellenentnahme wurde ich in Narkose versetzt. Wenn ich im Aufwachraum wieder zu mir kam, lagen neben mir drei, vier Frauen. Manchmal sprachen wir über unsere bisherigen Fehlschläge, manchmal dämmerte ich nur vor mich hin. Danach kamen die schrecklichen 14 Tage. So lange dauert es, bis im Blut erste Schwangerschaftshormone nachweisbar sind. 14 Tage, in denen ich in mich hineinhörte. Fühlte sich mein Bauch nicht anders an, spannten meine Brüste mehr? Der erste Bluttest: negativ. Der zweite: negativ.

Irgendwann versuchten wir es mit eingefrorenen Embryonen aus den ersten Versuchen. Das war etwas weniger vielversprechend als mit frischen, aber günstiger.

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Es war kurz vor Weihnachten, ich saß im Büro. Dann kam der Anruf: "Herzlichen Glückwunsch, sie sind schwanger." Ich erzählte es sofort meiner Kollegin. Sie jubelte mit mir. Zwei Tage später sank das Schwangerschaftshormon im Blut. Ich war traurig und fühlte mich leer. Aber ich machte weiter. Wie im Rausch. Schließlich probierte ich es auch mit Akupunktur.

Ich will ein Kind - ob leiblich oder nicht

Nach dem vierten Versuch schlug mein Mann vor, ein Kind zu adoptieren. Ich hatte mich schon selbst damit beschäftigt. Doch ich glaubte viel länger als er daran, doch noch schwanger zu werden, wollte meinen wachsenden Bauch im Spiegel betrachten und das Wunder einer Schwangerschaft erleben. Dann stand ich heulend unter der Dusche. Mir wurde plötzlich klar: Ich will vor allem ein Kind aufwachsen sehen und dabei begleiten. Ob leiblich oder nicht, war mir wurscht.

Wir gingen zu Kursen für eine , sprachen mit anderen Paaren und mit einem Psychologen. Sie bereiteten uns darauf vor, dass unser Kind ein Trauma von der frühen Trennung haben wird. Wir wurden zu einem Seminar für Adoptiveltern eingeladen, andere Paare nicht. Ein gutes Zeichen. Dann kam der 13. September 2018. Wieder saß ich im Büro. Wieder ein Anruf. Es war das Jugendamt. Wir sollten innerhalb einer halben Stunde kommen. Sie sagten uns dort, dass in zwei Wochen ein geplanter Kaiserschnitt stattfindet. Die Geburt unserer Tochter. Wir bekamen eine Nacht Bedenkzeit. Wir brauchten diese Nacht nicht.

Normalerweise haben werdende Eltern rund neun Monate Zeit, sich einzurichten. Bei uns waren es zwei Wochen. Wir hätten schon vorher alles kaufen können, aber es war nie sicher, ob das mit der Adoption klappt. Ich suchte spontan eine Hebamme, um zu lernen, wie man eine Flasche sterilisiert, wickelt, tröstet. Es war seltsam, im Kurs als Einzige ohne dicken Bauch zwischen den Müttern zu sitzen.

Ich berührte ihre winzigen Finger

Am Tag der Geburt waren wir mit den Jugendamtsmitarbeiterinnen im Krankenhaus. Wir warteten, bangten, während in einem anderen Zimmer unsere Tochter geboren wurde. Dann kam die Nachricht: Sie war gesund. Nach 45 Minuten gingen wir zu ihr. Ich berührte ihre winzigen Finger, mein Mann weinte. Das war so ein unbegreifliches Gefühl, dass ich es nicht in Worte fassen kann.

Sie musste noch einige Tage im Krankenhaus bleiben. In unserer ersten gemeinsamen Nacht lag ich neben ihr. Ihre Hand in meiner. Ich schaute auf die beleuchteten Fenster des Krankenhaustraktes. Ich wusste: Für dieses kleine Wesen bin ich ab jetzt verantwortlich. Das war ein wunderbares Gefühl. Und es war eine Ehre, auserwählt worden zu sein.

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Erstellt am 08.02.2023
Bearbeitet am 08.02.2023

Quelle
https://www.zeit.de/2023/04/adoptio...

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Alle Rechte vorbehalten
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