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Anne Baum

Freie Journalistin, Hamburg

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Akademiker im Handwerk: "Meine Kollegen witzeln, wenn ich zu akademisch rede"

Seit Jahrzehnten drängen Studierende an die Universitäten. Fast drei Millionen Menschen sind an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Vor 20 Jahren studierten laut dem Statistischen Bundesamt nur rund 37 Prozent eines Geburtenjahres, heute sind es über 50 Prozent. Und: Wer studiert, ergreift vermutlich später einen Beruf, der auf seinem Studium aufbaut. Doch nicht jeder wird damit glücklich. Für manche Akademiker ist ein handwerklicher Beruf sogar die bessere Wahl.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat nach eigenen Angaben keine Zahlen, wie viele nach einem akademischen Abschluss noch einmal als Azubi neu durchstarten. Hier erzählen drei Akademikerinnen und Akademiker, warum sie den Neuanfang gewagt haben und heute lieber handwerklich arbeiten. Und eine Expertin ordnet ein, was es dafür braucht.

"Manchmal witzeln meine Kollegen, wenn ich mal wieder zu akademisch rede"

Johannes Schroeter-Behrens, 38, fand alte Gemäuer und Dinge schon seit seiner Kindheit spannend. Er hat ein Diplom als Prähistoriker. Seit acht Jahren arbeitet er nun als Stuckateur.

"Mein Opa war Pfarrer und lebte in alten Pfarrhäusern. Er reparierte viel und pflegte die Gebäude. Das prägte mich. Denn alte Gegenstände und Häuser sind Zeitzeugen: Sie erzählen von vergangenen Zeiten, Kriegen und den Geschichten ihrer Bewohner. Auch von sich selbst anhand ihrer historischen Substanz. Nach dem Abitur entschied ich mich, Ur- und Frühgeschichte zu studieren. Mir gefiel das Studium: Ich konnte stundenlang in der Bibliothek in alte Zeiten eintauchen. Nach dem Studium arbeitete ich in einem wissenschaftlichen Projekt mit und bekam dort die Möglichkeit, meine Doktorarbeit zu schreiben. Meine Frau ist ebenfalls Archäologin. Als sie einen neuen Job bekam, zog ich mit ihr nach Berlin. Doch das Projekt, an dem ich gerade arbeitete, wurde eingestellt, meine Doktorarbeit beendete ich nie.

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Diese Unsicherheit gibt es in der Wissenschaft oft: Projektförderungen laufen aus, Verträge sind befristet und viele Umzüge sind normal. Dann wurde meine Frau schwanger. Wir beschlossen, dass zumindest einer von uns einen sicheren Job braucht. Also machte ich ein Praktikum bei einem Stuckateur. Vier Wochen lang half ich dabei, eine Neorenaissancedecke aus dem Historismus zu restaurieren. Es war ein wunderbares Vorhaben: Der Bauherr war sehr motiviert, die Arbeiten waren aufwendig, aber spannend. Danach startete ich meine Lehre in meinem Praktikumsbetrieb. Ich konnte die Ausbildung auf nur eineinhalb Jahre verkürzen. In der Schule saß ich wieder mit sehr jungen Menschen zusammen und fand das schön. Ein bisschen war ich wie ein Mentor für die anderen Lehrlinge und konnte ihnen Mut zusprechen. Das Lernen fiel mir leicht, immerhin kannte ich das aus dem Studium.

"Meine jetzige Arbeit und das wissenschaftliche Arbeiten in der Archäologie haben viele Parallelen." Johannes Schroeter-Behrens, Stuckateur

Nach meiner Ausbildung arbeitete ich in dem Betrieb weiter. Ich mag es, Fassaden oder Decken wieder ihren alten Glanz zu geben und ihre Geschichte sichtbar zu lassen. Und meine jetzige Arbeit und das wissenschaftliche Arbeiten in der Archäologie haben viele Parallelen: Bei beiden gibt es viel zu entdecken. Früher waren es Befunde bei Ausgrabungen, jetzt sind es alte Putzbefunde, etwa aus den Zwanzigerjahren. Zweifel an meinem neuen Weg hatte ich nie. Manchmal witzeln meine Kollegen, wenn ich mal wieder zu akademisch rede. Mich stört das nicht. Ich finde, dass akademische und handwerkliche Berufe gleichwertig betrachtet werden müssen: Jeder ist doch in seinem Fachbereich Spezialist, es sind nur andere Gebiete.

Mittlerweile habe ich mich zum Restaurator im Stuckateurhandwerk weitergebildet und führe nun als selbstständiger Einzelunternehmer Putz- und Stuckarbeiten im Denkmalpflegebereich aus. Mal restauriere ich Fenstergewänder, ein anderes Mal erstelle ich Schadensdokumentation historischer Fassaden. Außerdem restauriere ich meinen eigenen Dreiseithof: Er ist aus dem 19. Jahrhundert und voller Bausubstanz aus vergangenen Epochen."

Für wen eignen sich Handwerksberufe?

Andrea Sitzmann leitet den Bereich Berufsbildung der Handwerkskammer für Unterfranken. Sie und ihr Team beraten Menschen, die sich für einen Handwerksberuf interessieren, helfen erfahrenen Handwerkerinnen und Handwerkern, sich fortzubilden, oder Fachkräften mit ausländischen Qualifikationen, wie die bereits im Herkunftsland erworbenen Abschlüsse anerkannt werden können.

Sie ist überzeugt: "Für jedes Talent gibt es den passenden Ausbildungsberuf - man muss ihn nur finden." Dabei könne man zwischen rund 324 anerkannten dualen Ausbildungsberufen wählen. Jeder erfordere andere Talente und dennoch gebe es welche, die die meisten Handwerksberufe vereinten: ein gewisses Technikverständnis und die Freude daran, individuelle Kundenwünsche zu erfüllen oder knifflige Probleme zu lösen.

"Es gibt viele Vorurteile über den Metzgerberuf: dass er altbacken sei, nur alte Männer ihn machten"

Katarina Koch, 36, studierte Politikwissenschaften. Nach dem Studium arbeitete sie im Ausland bei den Vereinten Nationen. Dann kehrte sie zurück nach Deutschland, wurde Metzgerin und übernahm den Betrieb der Eltern.

"Meine Eltern hatten eine Metzgerei in der Nähe von Kassel. Einer meiner beiden älteren Brüder sollte sie später übernehmen. Für mich stand das nie zur Debatte. Ich war ein junges Mädchen und die schweren Aufgaben zwischen Fleischkeulen und Würsten interessierten mich nicht. Früher diskutierten wir am Küchentisch über Politik - als Unternehmer waren meine Eltern mit ihrem Betrieb oft von politischen Entscheidungen betroffen. Mich interessierte das. Also beschloss ich, Politikwissenschaften zu studieren. Einen Traumberuf hatte ich nie, aber fand es spannend, später in einer internationalen Organisation oder im diplomatischen Dienst zu arbeiten.

Nach meinem Master zog ich in die USA und arbeitete bei den Vereinten Nationen. Bis mich eines Tages mein Vater anrief. Mein einer Bruder hatte endgültig beschlossen, lieber nach Berlin zu ziehen, statt auf dem Land zu bleiben, und mein anderer Bruder wollte lieber Koch als Metzger sein - heute wohnen beide in Berlin. Ob ich vielleicht Lust hätte zu übernehmen, fragte mich mein Vater. Ich zögerte. Dann beschloss ich, es zu probieren. Selbstständig zu sein, keinen Chef zu haben, das lockte mich. Ich flog heim. Es war meine eigene Entscheidung, gedrängt hat mich mein Vater nie.

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Erstellt am 08.02.2023
Bearbeitet am 08.02.2023

Quelle
https://www.zeit.de/arbeit/2022-12/...

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