Anna E. Poth

freie Journalistin, Sankt Augustin

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Artikel

Endlich wieder eine EM: Männer, Frauen oder wer?

Wir freuen uns auf die Fußball-EM. Aber merken Sie was? Es wird gar nicht gesagt, dass es um Männer geht, die Fußball spielen. Erst wenn es Frauen sind, heißt es „Frauenfußball". Zum Start der Europameisterschaft im Fußball der Männer haben wir mit der Journalistin und Expertin Mara Pfeiffer gesprochen. Sie ist seit fast zwei Jahrzehnten freie Journalistin im Sport, mit einem starken Fokus auf den Fußball. Und sie ist Crewmitglied beim jungen Online-Podcast Format „Frauen reden über Fußball" (FRÜF), das 2020 den Goldenen Blogger Award im Bereich Sportblog gewonnen hat. FRÜF bietet Podcasts zu allen Themen, die das Herz bei Fußballfans höherschlagen lassen. Darüber hinaus geht das Team in Diskussionen zu Themen wie Sexismus im Stadion, die vermeintlichen Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball oder Antirassismus. Fußball ist eben nicht nur eine Sportart.

Interview: Wie Frauen im Sport sichtbarer werden

In der Sprache im Sportjournalismus bemerken wir bereits kleine Veränderungen, und manchmal taucht in der einen oder anderen Meldung doch mehr Gendersensibilität auf. Wir haben Mara Pfeiffer gefragt, wie sie die jüngsten Veränderungen wahrnimmt und ob Sprache auch im Sport viel bewegen kann. Auch im Sportjournalismus lassen sich mittlerweile verschiedene Schreibweisen in Magazinen und Zeitungen finden, sei es das Binnen-I, das Gendersternchen oder der Doppelpunkt.

Meinen Sie, dass eine bewusste und bedachte Sprache Veränderung im Sportjournalismus bringen kann?

Mir persönlich ist eine gendersensible Sprech- und Schreibweise wichtig. Ich glaube nicht, dass wir alleine darüber eine Gendergerechtigkeit erreichen werden, weder im Journalismus noch sonst wo, aber es kann einer von vielen Schritten sein. Einfach, weil wir Sensibilität schaffen. Das gilt auch und gerade im Sport, der eine große gesellschaftliche Bedeutung hat. Ohnehin müssen wir uns die Frage stellen, wie Sport künftig aussehen kann, weil wir hier immer mehr an die Grenzen der gewohnten Binarität der Geschlechter stoßen. Da inklusive Wege zu finden, ist eine große Herausforderung und ein wichtiges Unterfangen. Sprache kann dabei eines von mehreren Hilfsmitteln sein.

Würden Sie der These zustimmen, dass eine sensiblere Sprache dabei hilft, Stereotypen im Sportbereich abzubauen?

Generell ist unsere Sprache sehr stark geprägt von der Vorstellung einer Binarität der Geschlechter - damit stößt sie natürlich an Grenzen und reproduziert Stereotype. Hinzu kommt gerade im Kontext des Sportes und da auch des Fußballs, dass oftmals das, was weiblich oder nicht cis-männlich gelesen ist, zur Abwertung genutzt wird. „Wir spielen ja hier keinen Mädchenfußball" ist so ein Beispiel, aber auch eine Beleidigung wie „Hurensohn". Ich finde es wichtig, Sprache zu reflektieren und sowohl ein Problembewusstsein zu schaffen, als eben Lösungen zu suchen. Auch hier ein Beispiel: Wenn wir von „Fußball" sprechen, ist klar, dass wir vom Fußball der Männer reden. Beim Fußball der Frauen sagen wir in der Regel „Frauenfußball", was impliziert, es sei eine Art Sonderform. Eine Lösung könnte sein, sowohl von Männerfußball als auch Frauenfußball zu reden. Oder wir sagen grundsätzlich Fußball - und verlassen uns darauf, dass durch die Benennung der Protagonist*innen jedem klar wird, wer da gerade spielt. Dadurch vermeiden wir Stereotype mit sehr geringem Aufwand.

Ich erlebe oft, dass Gegner*innen der gendersensiblen Sprache sagen, dahinter stecke eine Ideologie - oder auch, es werde eine ideologische Debatte geführt. Das ist fast schon lustig, denn ich empfinde die Gegenseite als viel ideologischer in ihrer Aufgeregtheit und dem Ruf nach Verboten. Menschen, die für sich beschlossen haben, gendersensibel zu sprechen oder zu schreiben, erlebe ich da als viel entspannter. Mein Credo ist, ich rede niemandem rein, von wegen: Du musst das so machen. Aber ich lasse eben auch mir nicht reinreden, dass ich es lassen müsste. So sollte das doch möglich sein.

Merken Sie im Sport eine Veränderung gegenüber Frauen und der damit verbundenen Berichterstattung?

Frauen sind nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren schon sichtbarer geworden, sei es als Protagonistin der Berichterstattung oder im Journalismus. Das hat aber bislang weniger etwas mit einer veränderten Sprache zu tun als damit, dass, glaube ich, die Bandenbildung hinter den Kulissen zugenommen hat und damit auch eine Art Mut, den es leider noch braucht, um diese Sichtbarkeit einzufordern oder anzunehmen. Sichtbarkeit alleine reicht aber nicht aus, es geht letztlich um die Inhalte. Wenn eine Frau in einer großen Sportsendung das Wort „Zuschauer*innen" nutzt und im Nachgang mehr Diskussionen um die Sprachpause geführt werden als über das, was sie gesagt hat, ist eben noch lange nicht genug gewonnen. Trotzdem ist diese Sichtbarkeit wichtig, also sowohl die der Frauen, als auch die der sprachlichen Veränderungen. Daraus entsteht ja ein Schneeball-System, und um diese Entwicklung geht es am Ende.

Sie sind Teil der Crew beim Podcastprojekt FRÜF - Frauen reden über Fußball. Welche Erfahrungen mit Sexismus haben Sie gemacht? Wie divers ist Ihre Zielgruppe?

Bei FRÜF haben wir bis auf wenige Ausnahmen gerade zu Beginn eher positive Erfahrungen gemacht. Das heißt nicht, dass wir keinen Sexismus erleben, aber die direkten Angriffe auf uns als Kollektiv gibt es eher selten. Wir haben eine sehr diverse Hörer*innenschaft mit der wir sehr respektvoll im Dialog sind, das ist schön. Von den Frauen hinter FRÜF verfolgen tatsächlich mehr den Fußball der Männer intensiv als den der Frauen; inhaltlich wollen wir aber Themen aus beiden Bereichen abbilden - und bewegen uns natürlich auch ganz viel neben dem Feld, wo Fußball und Gesellschaft sich berühren.

Es gibt immer noch nur wenige Sportjournalistinnen und Expertinnen im Fußball. Wie blicken Sie auf ihre eigenen Erfahrungen zurück? Werden Sie von männlichen Kollegen akzeptiert und angenommen? Oder verschiebt sich der Fokus und Sie werden weniger zu inhaltlichen Sachen befragt?

Mit den Protagonist*innen im Fußball selbst mache ich fast ausschließlich positive Erfahrungen. Bei den männlichen Kollegen ist es gemischt, wobei die, die sich an mir oder meiner Arbeit stören, mir das vermutlich nicht unbedingt ins Gesicht sagen. Unterstützung habe ich von männlichen ebenso wie weiblichen Kolleg*innen erfahren. Allerdings glaube ich, die Vorstellung ist schief, dass solche Themen auf die Art greifbar sind. Es geht mehr um Fragen wie: Welche Stimmung herrscht, wenn Journalist*innen im Sport bei einem Termin zusammenkommen? Wer macht sexistische Sprüche - und wer lacht darüber? Mit welchen Kolleg*innen fühle ich mich wohl, wer übergeht mich eher? Ein anderes Thema ist die Frage nach der Beschäftigung mit meiner eigenen Rolle. Ich bekomme nach wie vor oft Anfragen für Texte dazu, wie ich mich als Frau im Sportjournalismus fühle. Es kann aber nicht meine Aufgabe sein, ständig über den Sexismus zu sprechen oder zu schreiben, den ich erfahre. Zumal ich mich dann immer mehrfach damit beschäftigen müsste. Außerdem bin ich kein Erklärbär, ich möchte einfach ganz normal meinen Job machen - so, wie männliche Kollegen das auch tun.

Der Frauenfußball ist auf vielen Internetseiten erst unterhalb der Regionalligen der Männer zu finden. Können wir da bald mal mit einer gleichwertigen Darstellung rechnen oder ist es bereits ein Erfolg, dass wir überhaupt Berichte über Frauenfußball finden?

Fußball findet dann die größte Beachtung, wenn er von erwachsenen Männern gespielt wird. Gerne begründen Menschen das damit, dafür würden sich auch die meisten Menschen interessieren. Aber ein bisschen ist das eine Henne-Ei-Thematik. Ich kann quasi zu jeder Tageszeit im Fernsehen in Spiele der Männer oder Berichterstattung dazu schalten, Spiele der Frauen muss ich in wackligen Streams suchen. Ich fände es gut, wenn Sportredaktionen im Internet dazu übergehen, beides gleichrangig darzustellen. Wenn ich auf einer Seite Fußball anklicke, dass dann erscheint 1. Liga (M) und 1. Liga (F) und so weiter. Und natürlich braucht es auch jeweils gute Inhalte. Ohne geht es nicht.

Das Fußball-Stadion soll diverser werden. Was beobachten Sie: Gibt es weniger Sexismus? Verändert sich die Sprache?

Wenn wir von Diversität im Stadion sprechen ist die Frage, wo schauen wir hin? Die Kurven erlebe ich deutlich diverser als beispielsweise die Verantwortlichen in Vereinen und bei Verbänden. Fans sind ohnehin als Gruppe besser als ihr Ruf und setzen sich an vielen Standorten schon lange für Diversität ein, haben aber leider eine schlechte Lobby: Wenn irgendwo eine Fackel angeht, wird darüber breit berichtet, wenn sie sich sozial engagieren, nicht. Als die Ultras von Lazio Rom 2018 erklärt haben, sie wollen keine Frauen in den ersten zehn Reihen ihrer Kurve, gab es von einigen Szenen in Deutschland deutliche Gegenaktionen. Sowas geht in der öffentlichen Wahrnehmung leider oft unter.

Viele Szenen setzten sich gegen Sexismus und für Diversität im Stadion ein. Was Sprüche im Block während der Spiele angeht, ist das natürlich noch ein weites und auch problematisches Feld. Aber auch hier ändert sich schon einiges in Sachen Bewusstsein.

Ich danke für das Gespräch.
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