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Online-Übersetzer im Vergleich: "Ich will den Hals langsam atmen"

Ein Kölner Start-up fordert die Silicon-Valley-Größen heraus: Sein Übersetzer soll besser sein als die Dienste von Google und Microsoft. Ist das Größenwahn? Wir haben das getestet - etwa mit "Despacito".

Die Tage des analogen Wörterbuchs scheinen gezählt. Wer Geschriebenes oder Gesagtes in eine fremde Sprache übersetzen will oder wieder zurück, greift heute meistens auf digitale Wörterbücher zurück. Und mithilfe von Übersetzungsdiensten wie dem Google Übersetzer oder dem Bing Translator von Microsoft lassen sich Textinformationen aus aller Welt mit nur wenigen Klicks und ohne merkliche Wartezeit in einer anderen Sprache auf den Bildschirm bringen.

Wer will, kann so Philosophie-Texte auf Französisch oder Risotto-Rezepte auf Italienisch abrufen, sie dann aber bequem in seiner Muttersprache lesen - theoretisch zumindest. Denn bisher lassen die Übersetzungen der Onlinedienste meistens noch zu wünschen übrig: Zu ungenau und teilweise sprachlich komplett falsch werden dem Nutzer die übersetzten Texte angezeigt.

Ein Beispiel: Aus der Textzeile "Your brother's gonna kill me and he's six feet ten" aus dem Lied "Can't Stand Losing You" von The Police macht der Google Übersetzer: "Dein Bruder wird mich töten und er ist sechs Fuß zehn." Da muss man erst einmal kurz drüber nachdenken.

DeepL will eine Million Wörter in unter einer Sekunde schaffen

Das Übersetzen per Web will nun ein Start-up aus Köln besser machen. DeepL setzt dabei auf ein künstliches neuronales Netzwerk, das auf einem Supercomputer in Island läuft. Dieser habe genug Leistung, um eine Million Wörter in weniger als einer Sekunde zu übersetzen, heißt es auf der Webseite der Firma.

Dass zumindest das Übersetzen ins Deutsche bei DeepL tatsächlich besser funktionieren könnte als bei der Konkurrenz aus dem Silicon Valley, darauf lässt zumindest die Übersetzung der obigen Liedzeile hoffen: "Dein Bruder wird mich töten und er ist 1,80 m groß." Aus Fuß werden Meter, auch wenn die zehn Zoll dahinter noch unterschlagen werden. "Six feet ten" ergeben korrekt umgerechnet nämlich über zwei Meter.

Nur wie gut funktioniert DeepL mit komplexeren Texten wie einer Nachrichtenmeldung? Und wie passend werden etwa Songtexte von Rihanna und Luis Fonsi ("Despacito") oder die Tweets von Frankreichs Präsident übersetzt? Wir haben in unserer Fotostrecke anhand von fünf Texten überprüft, wie die Übersetzer von Google, Microsoft und DeepL im Vergleich arbeiten:

Fotostrecke: Vergleich mit Google und Microsoft: Wie sich DeepL im Test schlägt

Tatsächlich scheint DeepL viele Texte präziser als die Konkurrenz zu übersetzen, wenn auch noch immer nicht einwandfrei. Dass es aber recht zufriedenstellend klappt, liegt wohl vor allem daran, dass die Software einzelne Wörter in ihrem Kontext verstehen kann, während andere automatische Dienste Wörter teils eins zu eins übersetzen.

Auch andere Dienste machten Fortschritte

So basierte die Technik der Onlinedienste von Google und Microsoft lange auf einer sogenannten statistischen Übersetzungsmethode. Hierbei analysiert ein Computerprogramm einen Korpus von zweisprachigen Texten; die Wörter werden einander aufgrund ihrer Häufigkeit und gegenseitigen Nähe zugeordnet. Bei Redewendungen oder Homonymen, also Wörtern, die für verschiedene Begriffe stehen, führt diese Grundlage schnell zu Übersetzungsfehlern.

Google hat das Verfahren Ende 2016 verbessert und greift für einige Sprachen - wie DeepL - auf neuronale Netze zurück, die nicht jedes Wort einzeln, sondern ganze Sätze übersetzen.

"DeepL" hat angeblich noch einen Vorteil: Der Onlinedienst greift für seine Übersetzungen auf eine große Menge an validen Vergleichsdaten zu, die den Tech-Giganten möglicherweise fehlen. Bis Ende August dieses Jahres hieß das Kölner Start-up noch Linguee, seit April 2009 stellt es das gleichnamige Online-Wörterbuch zur Verfügung. Dieses bildet die Datengrundlage für den Übersetzer DeepL.

Linguee ist mit einer Suchmaschine kombiniert und zeigt zweisprachige Übersetzungen im vollständigen Satzzusammenhang an. Anhand der übersetzten Satzpaare lässt sich zum Beispiel erkennen, in welchem Kontext ein Wort häufig benutzt wird. Linguees Suchmaschine dient daher vielen als Übersetzungshilfe.

In einem Blindtest vorn

Die übersetzten Texte stammen größtenteils aus dem Netz und werden von menschlichen Dolmetschern und Lexikografen überprüft und korrigiert. In über zehn Jahren hat die Firma so über eine Milliarde übersetzter Sätze sammeln können, mit denen die Systeme des maschinellen Lernens für Linguee und nun das neuronale Netzwerk für DeepL trainiert wurden.

Wie das Start-up auf seiner Seite schreibt, soll das künstliche neuronale Netz jede Art von Text übersetzen können - und dabei die Qualität aller bisherigen automatischen Übersetzer übertreffen. Das soll ein von DeepL in Auftrag gegebener Blindtest belegen.

Externe Dolmetscher überprüften dabei 100 Sätze, die sowohl von DeepL übersetzt wurden als auch von den Online-Werkzeugen von Google, Microsoft und Facebook, wo sich Postings und Kommentare in verschiedenen Sprachen anzeigen lassen. DeepL lag bei seinen Übersetzungen deutlich häufiger richtig als die Onlinedienste der großen amerikanischen Internetfirmen:

Auch in unserem Test hinterließ DeepL insgesamt einen guten Eindruck. Allerdings hakt es auch bei DeepL noch an manchen Stellen, einige Übersetzungen waren sprachlich oder grammatikalisch fehlerhaft. Insgesamt überzeugt der Onlinedienst aber mit der richtigen Konjugation von Verben und stimmigen Satzkonstellationen.

Derzeit ist DeepL kostenlos und in sieben Sprachen verfügbar, und zwar in Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch, Polnisch und Deutsch. In Zukunft sollen weitere Sprachen wie Mandarin, Japanisch und Russisch dazukommen. Viele Sprachen sind das aber noch nicht: Der Google Übersetzer unterstützt derzeit 103 Sprachen, der Bing Translator immerhin 60.

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