In die Körper Dutzender armenischer Frauen hat sich
die Geschichte des Genozids wortwörtlich eingeschrieben – durch Tattoos,
die ihnen in ihrer neuen Umgebung von Arabern, Kurden
oder Roma gestochen wurden. "Diese blauen Male bedeuteten
Stigmatisierung und Erniedrigung für die Armenierinnen“, heißt es dazu
in einer Texttafel im Genozid-Museum der armenischen Hauptstadt Jerewan.
Ihr Buch will unser Verständnis der Tätowierungen erweitern.
Inwiefern?
Elyse Semerdjian: Die Tattoos haben für mich in dem Umfeld, in dem sie gestochen wurden, eine andere Bedeutung. Den Armenierinnen selbst waren solche Tätowierungen völlig fremd. Sie sind als Teil der kulturellen Assimilation während des Genozids entstanden und sind identisch mit den Tatoos von Frauen in den lokalen Gemeinschaften.
Das heißt nicht, dass tätowierte Armenierinnen keine
Scham empfunden hätten: In meinem Buch erzähle ich etwa von Aghavni
Kabakian, die nach dem Ersten Weltkrieg alles daransetzte, sich die
Tattoos in Konstantinopel entfernen zu lassen. Mich interessiert, warum
die Armenierinnen mit den Tattoos versehen wurden und warum diese bei ihnen Gefühle von Scham und Anderssein hervorriefen.
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