Anna-Theresa Bachmann

Freie Reporterin & Fotojournalistin, Berlin

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Mashrou' Leila: Regenbogen auf halbmast

14 Jahre lang spielte die libanesische Band "Mashrou' Leila" gegen Missstände im Nahen Osten an und wurde zu einer Stimme der arabischen LGBTQ+-Szene - bis ein Konzert in Kairo den Anfang vom Ende einläutete. Ein Nachruf.


Am Rande der ägyptischen Hauptstadt Kairo breitet sich am 22. September 2017 ein Teppich aus unzähligen Handylichtern aus. Längst sind die Mobilfunknetze unter der Last der 35.000 Fans zusammengebrochen. "Ab der Hälfte des Konzerts konnten wir uns selbst nicht mehr hören", erinnert sich Haig Papazian, Geiger der Band Mashrou' Leila, in einer kürzlich erschienen Dokumentation des "Guardian" . So laut habe die Menge mitgesungen: "Es war einfach ein magischer Moment."


Für die libanesischen Indiemusiker von Mashrou' Leila ist das ausverkaufte Open-Air in Kairo damals das größte Konzert ihrer Karriere. Mit Songs über korrupte Eliten, durchzechte Nächte und queere Liebe war die Band aus Beirut bekannt geworden, hatte einen musikalischen Safe Space für junge Progressive und Mitglieder der LGBTQ+-Community im Nahen Osten geschaffen.


Einige ihrer Fans wollten diesen Schutzraum im September 2017 hinter sich lassen. Sie schwenkten Regenbogenflaggen vor der Bühne und feierten die Band um den offen schwulen Sänger Hamed Sinno. Ein flüchtiger, aber bewegender Freiheitsmoment - der kurz darauf mit der nackten Realität kollidierte. Dutzende ägyptische Queers wurden infolge des Konzerts festgenommen. Viele, obwohl sie es gar nicht besucht hatten. Mashrou' Leila bekamen ein Auftrittsverbot in Ägypten, sie sollten nie wieder vor so viel Publikum spielen.


Nun, fast genau fünf Jahre später, hat Sinno das Ende der berühmtesten arabischen Indieband bekannt gegeben. Im libanesischen Podcast "Sarde after Dinner" erklärte der 34-Jährige, dass keiner der vier Bandmitglieder momentan plane, weiter gemeinsam Musik zu machen. Die Hasskommentare, die Drohungen - es seien zu viele geworden: "Das ist kein normales Leben, wenn dir 100.000 Leute auf Facebook schreiben, dass du sterben sollst", sagt Sinno.


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