Die „Villa Ficke" in Casablanca steht für ein längst vergessenes Kapitel deutsch-marokkanischer Geschichte. Wer kann sie erzählen? Teil I unserer zweiteiligen Spurensuche handelt vom Namensgeber der Villa - und von ihrem kolonialen Fundament.
Es ist im Herbst 1877, als der junge Seemannssohn
Carl Ficke nach 3000 Kilometern Reise die marokkanische Küstenstadt
Casablanca erreicht. Hinter sich gelassen hat der 15-Jährige seine
alleinstehende Mutter in Bremen, das noch junge Deutsche Kaiserreich und
ein Europa, das im imperialen „Wettlauf um Afrika“ gerade zum Sprint
ansetzt.
Das europäische Gerangel um neue Rohstoffquellen und
Absatzmärkte ist auch in Casablanca zu spüren: Aus dem einstigen
Fischerdorf, in dem 1834 etwa 700 Menschen leben, entwickelt sich ab
Mitte des 19. Jahrhunderts eine Stadt mit mehreren Tausend
Einwohner:innen, die durch den Handel zwischen lokalen und europäischen
Kaufleuten floriert.[1]
Neue Straßenzüge, Plätze und ganze Viertel entstehen. In ihnen
zementieren sich buchstäblich koloniale Machtverhältnisse - Stockwerk um
Stockwerk, bis in jene Fugen, die das Stadtbild Casablancas bis heute
zusammenhalten.
So dauert es nicht lange, bis sich auch der Deutsche Carl Ficke, zu Wohlstand gekommen, in die Geschichte der Stadt einschreibt. Vor allem in Mers-Sultan, am heutigen Boulevard de Londres, wo die Gemäuer seiner 1913 fertig gestellte Villa seither ein längst vergessenes Kapitel deutsch-marokkanischer Geschichte bewahren.
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