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Ricarda Lang: "Eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwächst, ist möglich"

Die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, hat beim Zukunftsfestival, das im Rahmen der Langen Nacht der ZEIT 2022 stattfindet, ihre Idealvorstellung von einem Sozialstaat vorgestellt: eine Zukunft ohne Armut. "Eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwächst, ist möglich", sagte Lang. Armut sei kein Naturgesetz, Armut sei eine politische Entscheidung.

Sie verwies auf den aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Demzufolge sind 16,6 Prozent der Menschen in Deutschland von Armut gefährdet. Jedes sechste Kind wächst in Armut auf.

Armut werde nach wie vor als persönliches Scheitern des Einzelnen betrachtet. Ihre Utopie sei es, von dieser Vorstellung wegzukommen. Dafür sei auch eine gute Arbeitsmarktpolitik nötig. Pflegekräfte, Handwerker und Reinigungskräfte müssten angemessen entlohnt werden. Am Ende solle niemand mehr auf den Sozialstaat angewiesen sein, weil er oder sie gut genug verdiene, sagte Lang. "Eine Gesellschaft, in der Menschen ein Existenzminimum haben, das zum Leben reicht - sowohl durch Arbeit als auch dort, wo das nicht möglich ist, durch Absicherungen - ist möglich", sagte Lang.

Lang will Armut sichtbar machen

Deshalb müsse das Problem bei der Wurzel gepackt werden. Kinder blieben arm, wenn die Eltern in Armut lebten, sagte Lang. Sie rief dazu auf, Armut sichtbar zu machen. "Ein Teil von Armut ist nicht nur, dass Geld fehlt", sagte Lang. Den Menschen fehlte die gesellschaftliche Teilhabe. Armut werde immer wieder unsichtbar gemacht.

Neben Lang kam auch Michael Kruse () zu Wort. Dieser war für den krankheitsbedingt ausgefallenen Johannes Vogel, den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP, eingesprungen. Kruses Utopie von einem Sozialstaat ist eine Gesellschaft, "in der jeder seines Glückes Schmied ist". Er sprach sich dafür aus, verstärkt auf Bildung zu setzen, um Menschen bereits im Kindesalter darauf vorzubereiten, sich selbstständig in die Gesellschaft einzubringen. Den Staat sieht er in seiner Utopie als "unsichtbares Netz im Hintergrund".

Ricarda Lang wurde im Januar gemeinsam mit Omid Nouripour zur neuen Doppelspitze der Grünen gewählt. Damit ist die 28-Jährige die jüngste Vorsitzende in der Parteigeschichte. Als zentrale Aufgabe der Grünenpolitik sieht sie die Verbindung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit. Weitere Schwerpunkte der Politikerin sind die Themen Feminismus, Diversität und Strategien gegen rechts.

Das Gespräch von Lang und Kruse fand im Rahmen des Zukunftsfestivals statt und wurde von ZEIT-Politikredakteurin Anna Mayr moderiert. Die Lange Nacht der ZEIT wird in diesem Jahr erstmals um das Zukunftsfestival ergänzt. Hier sprechen junge Politikerinnen, Aktivisten, ZEIT-Autorinnen und -Autoren über die Zukunft der Zivilgesellschaft und der Ökologie, des Sozialstaates und der Demokratie. Das Festival wird von der ZEIT, der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung und THE NEW INSTITUTE organisiert.

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