Für immer in Weidelbach: Fortzuziehen kam für Günther nie infrage.
Günther kennt eigentlich jeden Nachbarn im Dorf und jeden Baum. Er hat hier viel erlebt; Kindheit, Krieg, erste Liebe, Kinder, Rente. Viel hat sich verändert. Über einen Mann, der seine Heimat gefunden hat, ohne sie je zu suchen.
Ausgerüstet mit einer grau karierten Schiebermütze und mit einem Spazierstock, steht Günther vor seiner Haustür. Es ist ein schöner Tag, die Sonne scheint, und nur vereinzelte kleine Wölkchen verteilen sich wie Sahnetupfen am blauen Himmel. Das perfekte Wetter für einen Spaziergang. Auch wenn seine Beine nicht mehr ganz so mitmachen, immerhin ist Günther auch schon 86 Jahre alt.
Bis zur Dorfmitte, wo sich das Dorfgemeinschaftshaus, eine Bushaltestelle, ein Kindergarten und davor ein Brunnen befinden, begegnet er keiner Menschenseele. „Das hier alles gab es früher nicht. Da war eine Schmiede und dahinter nur Wiesen", sagt Günther und zeigt mit seinem Stock in Richtung des hölzernen Bushaltestellenhäuschens, vor dem gerade ein Audi-A3-Fahrer angehalten hat. Durch die heruntergelassenen Fensterscheiben dröhnt ein wummernder Bass. Günther steht dort, wo er schon Tausende Male stand. Tausend verschiedene Anblicke dieses Ortes - tausend verschiedene Versionen von Günther. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie das Dorf früher aussah", sagt Günther bedächtig, als wäre es ein Geheimnis, das nur er kennt.
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