
Bio-Wein ist ihre Leidenschaft: Alesxander Pflüger (l.) mit Weinbauingenieurin Ina Schwarzbach (M.) und der Auszubildenden Johanna Wöhrwag
Mit Schwung wuchtet der Zwei-Meter-Mann Weinkartons in einen Transporter. Alexander Pflüger hat viel zu tun: Seit er 2010 das elterliche Weingut in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) übernommen hat, geht es hier richtig rund. Privatkunden und Händler schätzen den persönlichen Kontakt und wollen ihn sehen. Außerdem wurde er vor wenigen Tagen zum dritten Mal Vater.
"Ursprünglich sollte mein jüngerer Bruder den Betrieb weiterführen, doch der hatte plötzlich keine Lust mehr", sagt Alexander Pflüger. "Ich wollte eigentlich Lehrer oder Mediziner werden. Die Entscheidung fiel dann im Michelsberg - meinem Lieblings-Weinberg, der in meinem Geburtsjahr 1980 angelegt wurde - und ich habe sie nie bereut."
Die "Ökos" mussten viel Lehrgeld zahlenDie Pfalz ist die "Sonnenterasse" Deutschlands und gilt mit etwas mehr 23.000 Hektar als das zweitgrößte Weinanbaugebiet Europas. Das Pflüger-Weingut in Bad Dürkheim hat eine Fläche von 20 Hektar und wird schon seit Mitte der 1980er Jahre komplett ökologisch bewirtschaftet. Vater Bernd erntete für diese "spinnerte" Idee einst Hohn und Spott. Bio war damals eine echte Herausforderung, schließlich gab es wenig Erfahrung und noch keine Netzwerke mit anderen Winzern wie heute. Mittlerweile wird ökologischer Weinbau an vielen Schulen gelehrt, aber früher mussten die Öko-Weinbauern entsprechend viel Lehrgeld zahlen. In einem besonders schweren Jahr schienen die Zweifler Recht zu behalten und triumphierten schon.
Ackern mit dem Pferd"Mein Opa hat damals mitgezogen, obwohl ein Kollege umgefallen und nachts aufgestanden ist, um wieder konventionell zu spritzen", erinnert sich Alexander Pflüger. "Doch wir haben durchgehalten. Inzwischen sind einige Betriebe auf Öko umgeschwenkt, aber uns auf die Schulter zu klopfen oder anzuerkennen ist nicht - dazu sind sie zu stolz. Doch man sieht: Die Ökofläche wächst. Für uns die Bestätigung, dass wir uns damals richtig entschieden haben."
Wenn, dann richtig: Demeter und EcovinDen eigenen Kopf und Stil durchzusetzen, darin hat das Weingut inzwischen Erfahrung: 2007, nach seinem Abschluss als diplomierter Weinbauingenieur, stieg Junior Alexander in den Familienbetrieb ein, sie stellten auf biodynamisch um, wurden Mitglied bei Demeter und Ecovin. Wer nach diesen Richtlinien arbeitet, übertrifft die Anforderungen an den Bio-Weinbau noch um einiges: Damit ist nicht nur der Verzicht auf Pestizide und chemische Pflanzenschutzmittel verbunden. Es bedeutet auch, den Ertrag der Reben zu begrenzen, auf Dünger zu verzichten und die Weinberge naturnah zu bewirtschaften. Bei Pflüger heißt das - nomen est omen - auch Pferde werden im Weinberg eingesetzt, der Wein wird zum großen Teil von Hand gelesen, schonend verarbeitet und nicht geschönt, also nicht mit Hilfe von Zusätzen geklärt oder geschmacklich beeinflusst.
Die Leute lieben Bio-Wein - nicht nur in DeutschlandSeit sechs Jahren bewirtschaften Alexander und seine Frau Aline (30) das Weingut in Eigenregie. Sein Vater hat sich auf das kleine Weingut seiner Lebensgefährtin zurückgezogen und produziert dort ebenfalls nach Demeter-Richtlinien.
"Bei uns gab es zwar keinen Generationenkonflikt, aber durchaus unterschiedliche Auffassungen, wie es weitergehen sollte", erklärt Alexander. Bevor er in den heimischen Betrieb einstieg, hat er sich in der Weinwelt umgesehen, absolvierte Praktika in Burgund, Südafrika und an der Mosel - und kam mit vielen Ideen zurück. "Früher haben wir jährlich etwa 100.000 Flaschen fast nur an Privatkunden verkauft", sagt der talentierte Nachwuchswinzer. "Heute sind es ca. 300.000 Flaschen, die zu vierzig Prozent auch in die Gastronomie, den Handel und den Export gehen."
Wie hat er die große Umsatzsteigerung geschafft? Der 36-Jährige hat seine Rebfläche durch Pachtbewirtschaftungsverträge mit drei Kollegen um 20 ha erweitert. Damit gehört sein Weingut nun zu den größten der 58 im deutschen Demeter-Verband. Auch hat er sich vom Handelsunternehmen Delinat zertifizieren lassen. Er hat das Sortiment verschlankt und nur noch klassische Rebsorten im Programm, die dort seit eh und je verwurzelt sind: Riesling, Weißburgunder, Spätburgunder. 95% der Produktion sind trockene Weine. Vor allem Weißweine, Rieslinge. Von den klassischen Qualitätsstufen Kabinett, Spätlese und Auslese hat er sich verabschiedet. Stattdessen heißen seine Weine jetzt nach dem VDP-Modell "Gutsweine" für den täglichen Bedarf, "Ortsweine" und exklusive, spontanvergorene "Lagenweine".
Anfängerfehler - immer günstig sein zu wollen"Wein ist schließlich mehr als nur der Zuckergehalt der Trauben", erklärt der Qualitätsfanatiker. "Wir wollten mehr Faktoren mit reinnehmen: Herkunft, Lage, Klima, Boden. Bei uns gibt es Buntsandstein, Kaltmergel oder Quarzit. Schließlich sind es die Böden der besonnten Hanglagen, die den Weinen ihre unverwechselbare Signatur geben. Wir haben unseren Betrieb in drei Jahren um 180 Grad gedreht." Am Anfang war es hart. Wer mit dem Weinfachhandel oder der Gastronomie zusammenarbeiten will, braucht eine gewisse Preisstruktur. Schließlich möchte jeder etwas am Produkt verdienen. Pflüger war zu günstig und musste nachbessern. Anfängerfehler. Damals sind auch Kunden weggeblieben, haben gesagt: "Der Pflüger spinnt jetzt! Der hebt völlig ab." Dafür sind andere hinzugekommen. "Es gibt Leute, die kaufen Wein erst ab zehn Euro", erklärt der Winzer. "Darunter kann es ja nichts sein. Da kam plötzlich eine ganz neue Schicht auf uns zu. Ich denke, wir haben viel Wertigkeit in unserem Wein, und freue mich, dass das honoriert wird."
Beim Weißwein macht den Deutschen keiner was vorIn Deutschland ist eine neue Generation am Ruder, die wieder Weine mit Format und Profil keltert. Deutscher Wein ist aktuell auch international im Aufwind. Die Zeit der billigen Zechweine scheint endgültig vorbei zu sein. "Es ist toll, wenn ich nach Stockholm, Kopenhagen, Oslo oder wie vor kurzem nach St. Petersburg komme, und die Leute von unserem Wein und seiner besonderen Stilistik begeistert sind", sagt Alexander Pflüger. "Kein anderes Land kann uns diese Eleganz und Feinheit beim Weißwein nachmachen."
Das tröstet auch in schwierigen Weinjahren wie 2010, 2013 und 2016. Denn die Arbeit ist ein Knochenjob. "Die Herausforderung in diesem Jahr war der unglaubliche Regen. Die große Feuchtigkeit im Frühjahr und im Frühsommer führte zu starkem Pilzbefall ", erklärt Alexander Pflüger. "Für uns als biodynamischer Betrieb ist das Thema Pflanzenschutz eine besondere Herausforderung, weil uns einfach nicht diese potenten Mittel zur Verfügung stehen wie konventionellen Weinbauern. Wir sind auf Pflanzenextrakte und Gesteinsmehle angewiesen. Auch Schwefel oder Kupfer - aber alles in sehr moderaten Mengen. Mittlerweile haben wir da viel Erfahrung."
In der besonders sensiblen Phase Anfang, Mitte Juni, wenn sich die Blüten entwickeln und die Beeren ungeschützt sind, musste er alle zwei, bis drei Tage spitzen, auch nachts. Danach kam eine lange Hitzeperiode, die Trauben gerieten in Trockenstress. Diese Wetterextreme verlangen das ganze Know-how. Pflüger ist überzeugt, dass seine Reben durch die langjährige ökologische Bewirtschaftung von sich aus eine gewisse Resistenz entwickelt haben.
Wein machen ist Familiensache"Man muss sich in jedem Jahr wieder neu reindenken. Klar sitzt einem immer das Vorjahr im Nacken, aber das darf einen nicht beeinflussen", meint er. Stillstand gibt es bei ihm nicht, denn er ist auf der Suche nach dem perfekten Wein. Großen Wert legt er dabei auf die Meinung seiner Ehefrau. Aline und Alexander Pflüger haben sich in Geisenheim kennengerlernt. Er studierte dort Weinbau, sie Landschaftsarchitektur.
Aline hat eine hohe Genuss-Affinität, schon immer gern gekocht und nach ihrem Studium zusätzlich eine Kochausbildung gemacht. Heute kümmert sie sich um die drei Töchter, das Marketing des Weingutes und sie hält ihrem Mann den Rücken frei, wenn er mal wieder auf Reisen ist. "Sobald nach dem Herbst die Jungweine fertig sind, verkosten wie sie gemeinsam, denn das Urteil von Aline ist mir sehr wichtig", betont er.
Alexander Pflüger hat bewiesen, dass es auch anders geht, und eine Entwicklung eingeleitet von der viele Weingüter der Umgebung profitieren. Hier spottet jetzt niemand mehr ...
© Ann-Christin Baßin