Anke Werner

Journalistin Berlin/Leipzig

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Ein Klo für alle | rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg

Das Ende der Trennung vor dem WC - Ein Klo für alle

Unisex-Toiletten sind weltweit in vielen Ländern üblich, in Berlin noch nicht. Vor allem in öffentlichen Gebäuden herrscht hier Nachholbedarf. Denn welche Tür sollen etwa Transgeschlechtliche nehmen, wenn nur die Wahl zwischen "für Männer" und "für Frauen" besteht? Nun wurde gleich in mehreren Rathäusern der Hauptstadt reagiert. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Von Anke Werner

Für die meisten ist es das Normalste der Welt, der Gang zur Toilette: Frauen hier, Männer dort. Für Transgeschlechtliche kann dieser Weg in der Öffentlichkeit allerdings zur Qual werden. Sie kämpfen mit Ängsten, Unsicherheiten und Diskriminierung. Um das zu verhindern, gibt es nun in drei Rathäusern der Hauptstadt Unisex-Toiletten. Der erste Eindruck von einer dieser neuen Toiletten ist dabei: stinknormal und unscheinbar, weiße Fliesen an der Wand, ein Waschbecken und ein Spiegel. "Besonders dekadent ist sie nicht und vor allem: auch sehr klein", sagt Simon Kowalewski, frauenpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus, bei der Begehung im Rathaus Tiergarten. Und trotzdem: dieses Klo ist etwas Besonderes. Bis es zur Unisex-Toilette umfunktioniert wurde, war es ein einfaches Männerklo. Jetzt zeigt an der Tür ein Piktogramm einen Mann und eine Frau, getrennt durch einen Strich. Kowalewsi allerdings ist nicht zufrieden. Dieses Zeichen ist nach seiner Einschätzung nicht besonders geschlechterneutral. Schließlich soll es bei den Unisex-Klos darum gehen, eben keine Einordnung nach Geschlecht vorzunehmen, damit sich eben nicht nur Frauen oder nur Männer angesprochen fühlen, sondern auch Transgeschlechtliche. Also zum Beispiel Menschen, die wie ein Mann aussehen, sich aber wie eine Frau fühlen oder eben jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen können oder wollen.

Das Rathaus versucht, seinen Einsatz für die Unisex-Toiletten zu erklären. Gute Idee mit Mängeln in der Umsetzung

Transgeschlechtliche sollen auf den Unisex-Klos nicht in die schwierige und zuweilen unangenehme Situation kommen, sich für eine Tür entscheiden zu müssen. Ein neutrales Piktogramm wie eine Kloschüssel könnte da ganz einfach Verstimmungen verhindern, so Kowalewski. Doch trotz der fraglichen Auszeichnung auf den Schildern ist Kowalewski stolz auf dieses WC, denn es ist das erste seiner Art in Berlin, entstanden in Reaktion auf einen Antrag der Piraten. Und die Berliner Verwaltungen hinken mit ihrer Innovation ausgesprochen hinterher, denn in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Clubszene sind Unisex-Klos schon sehr üblich. Dennoch haben sich einige über den Antrag der Piraten lustig gemacht: "Ich kann mich da noch an Zeitungsartikel erinnern, die diesen Antrag komplett lächerlich gemacht haben, da ist es jetzt schon etwas Besonderes, dass es dieses Klo jetzt tatsächlich gibt", sagt Kowalewski.

Gewaltsame Übergriffe auf dem Klo

Die Entscheidung, ob in einem öffentlichen Gebäude ein Unisex-Klo eingerichtet wird oder nicht, mag für viele Menschen unwichtig sein. Aber jene, die es erreichen soll, seien regelrecht dankbar für diesen kleinen, unkomplizierten Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung von transgeschlechtlichen Menschen, sagt Leo Yannick Wild vom Verein TransInterQueer e.V.: "So etwas Banales wie ein Toilettengang ist für viele Menschen nichts, worüber sie nachdenken müssen. Für Transgeschlechtliche ist das eine Quelle täglicher Diskriminierung. Gehen Sie auf das eine WC werden sie schräg angeguckt, auf dem anderen auch." Häufig sei es hier bereits zu Übergriffen gekommen, so dass sich Menschen mitunter entschieden, aufgrund solcher Angriffe gar nicht mehr in bestimmte Bars, Theater oder bestimmte Ämter zu gehen.

Offen für alle

Auch die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks, Kerstin Drobick, ist überzeugt: Unisex-Toiletten werden in so einer bunten Stadt wie Berlin regelrecht gebraucht. Schließlich wollten alle, egal ob Männer, Frauen, Inter- oder transgeschlechtlich - ganz einfach in Ruhe aufs Klo gehen: Das Klo ist offen für jeden, unabhängig von seiner geschlechtlichen Identität. Außerdem ziehe der Bezirk mit den Unisex-Toiletten eigentlich nur nach. Auf Flughäfen, in Zügen, Bars und in viele Universitäten gibt es sie schon längst, die Unisex-Toiletten. Manche Berliner sind sich unsicher, was sie von einem Unisex-Klo im Rathaus halten sollen. Ein Passant nennt es sogar "eine gewagte Nummer". Eine Frau sagt, sie würde es nicht besuchen, "weil doch die Herrentoiletten immer etwas mehr eingesaut sind als die Damentoiletten." Eine super Idee, die sie schon aus ihrem Neuseeland-Urlaub kenne, findet eine andere Passantin. Für sie heißt Unisex: kürzere Ansteh-Zeiten und unkomplizierteres aufs Klo gehen. Trotz der Vorbehalte gilt nun: Der Gang auf die Toilette ist etwas sehr Intimes und im Rathaus Tiergarten muss sich jetzt dabei keiner mehr Gedanken um seine Geschlechteridentität machen.

Beitrag von Anke Werner

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