Bis zum nächsten Ort sind es mehrere Tagesmärsche, Strom gibt es manchmal, Regen dafür häufig: Vor mehr als dreißig Jahren landete Robert Long an der Westküste Neuseelands, mitten in der Wildnis. Er blieb und zog fernab von der Zivilisation mit seiner Frau zwei Kinder groß. Bis heute sind sie nur hier wirklich glücklich.
von Anke Richter
Der Hubschrauber knattert über hohe Farne. Mäanderndes Wasser unter uns, die letzten Ausläufer einer Farm, ein einsamer Traktor, dann nur noch Gestrüpp. Urwald, feucht und dicht. Kein Weg, kein Haus, kein Mensch. So geht das jetzt weiter, runter bis zu den Fjorden. Nach zweihundert Kilometern hört das Land auf. Westlich liegt Tasmanien, im Süden die Antarktis. Unser Ziel ist eine Flussmündung in the middle of nowhere, mitten im Nichts. Gorge River. Der Name ist in meiner neuen Heimat zum Mythos geworden.
Ich lebe am anderen Ende der Welt, fern von Europa. Neuseeland, ein Sehnsuchtsziel. Wir sind Deutsche, die sich vor zehn Jahren hierher abgesetzt haben, weil sie mehr Natur und Einfachheit suchten. Aber trotz allem Grün und der Entspanntheit um uns herum sind auch wir letztendlich Technik- und Konsumsklaven, die nicht wissen, was es heißt, ursprünglich zu leben. Nicht nur ökologisch zu denken, sondern echter Naturmensch zu sein. Survivalist. Für seine Ideale Bequemlichkeit, Sicherheit und Sozialkontakte zu opfern.
Daher besucht meine Familie - Eltern und zwei Söhne - Neuseelands abgeschiedenste Familie. Sie hat sich lange vor unserer Auswanderung in die Wildnis abgesetzt, weil ihr selbst noch das Land, das wir als Oase mit hohem Wohlfühlfaktor erleben, zu kommerziell, zu besiedelt und zu hektisch ist. Ihre selbst gewählte Isolation, ihren Verzicht auf jeden Luxus können die meisten westlichen Menschen kaum nachvollziehen. Doch sie träumen davon, selbst im zivilisationsarmen Neuseeland. Denn auch in unserer neuen Welt gibt es Verkehrsstaus, Hektik, Einkaufszentren und Gewalt.
Ihr eigenes Ende, wo man all dem entfliehen kann, ist die südliche Westküste des Landes: rau und regnerisch, wild und wunderschön. Hier gibt es keine Straßen, keine Promenaden, dafür Seevögel und Milliarden stechender Sandfliegen, die laut einer Sage der Maori von den Göttern abstammen. Die Brandung ist unberechenbar, die Sonnenuntergänge sind betörend. Regenwald und Berge erstrecken sich bis ans Meer. Wer es bis hierhin schafft, muss busch- und wetterfest sein. Meist sind es Jäger und Angler, die für kurze Zeit ihr Quartier zwischen Fjorden und Gletschern aufschlagen. Niemand bleibt für 33 Jahre und nur mit einem Minimum an Gepäck. Niemand außer Robert Long.
"Christian und Robin leben mit ihren Eltern in einem Haus am Meer am Gorge River. Keine Autos oder Lastwagen kommen dort vorbei, denn es gibt keine Straße. Wenn sie zum Einkaufen gehen wollen oder zur Post oder zu anderen Kindern zum Spielen, dann müssen sie drei Tage lang am Strand entlang und durch den Wald laufen."
Catherine Stewart, Roberts Frau und Mutter der beiden gemeinsamen Kinder, hat diese Zeilen vor 18 Jahren in einem selbst gemachten Lesebuch für ihre Kinder aufgeschrieben. Wir treffen sie am Ende der Straße südlich von Haast, von wo es nur noch zu Fuß oder per Hubschrauber Richtung Süden weitergeht - eine kleine, kompakte Frau, unprätentiös und herzlich, mit offenem Blick. Sie hat Einkaufstüten und einen zerschlissenen Tagesrucksack dabei. Ohne uns wäre sie zu Fuß zurückgewandert. Jetzt steigt sie zu mir in den Hubschrauber. Für sie ist das alles so alltäglich wie für Großstädter eine Busfahrt. Die Familie am Gorge River wird seit Jahrzehnten von allen Piloten Southlands mitgenommen, oft umsonst. Die Strecke kennt Catherine Stewart in- und auswendig, nicht nur aus der Luft. Meistens läuft sie sie. In schnellen Sätzen erklärt sie, wo man unterwegs Unterschlupf findet, falls das Wetter umkippt, und wie wir am besten die Flüsse durchqueren.
Ihren ganz normalen Heimweg werden wir in ein paar Tagen selbst zurücklegen, in die andere Richtung. Der Pilot verspricht, beim nächsten Flug unser tragbares Schlauchboot am Ufer zu lassen, falls das Wasser durch Regen ansteigt und wir nicht hinüberkommen. Lange haben wir uns den Kopf zerbrochen, wie wir diese Tour logistisch bewältigen, haben Karten gewälzt und Alpinistenführer befragt. Für Catherine ist das alles Routine. Was sich für uns zu einer Expedition mit GPS-System und neuer Wanderausrüstung aus dem Outdoor-Laden auswächst, ist für sie lediglich die Rückkehr vom Einkaufen.
Wir landen auf einem Grasstreifen zwischen Flachsbüschen. Feuchter Salznebel umgibt uns. Die winzige Landebahn ist auf der einen Seite von Treibholz und Strandkieseln gesäumt, auf der anderen Seite liegt der Gorge River. Opalenes Wasser, das in einer Schlucht verschwindet, dahinter ein Steilhang. Nichts als feuchtes Grün und sattes Braun. Ein urzeitlicher Ort, bis auf die wenigen Quadratmeter, die Robert Long besiedelt hat. Er kommt uns vom Strand entgegen, ein schlaksiger Riese in Gummistiefeln und selbst genähter Daunenweste. Die Augen leuchten stahlblau - wie die seiner Frau. Als ich ihm die Zeitung von heute in die Hand drücke, lächelt er, als ob wir ihm ein ganz besonderes Geschenk gemacht hätten. Routiniert hält er sich den Schlapphut fest, damit ihn die Rotorblätter des startenden Helikopters nicht wegwehen. "Kommt. Jeder bekommt erst mal einen Tee", sagt Long und winkt uns hinter sich her.
Die Hütte ist aus grün gestrichenem Holz und Wellblech zusammengestückelt. Solarzellen und die Satellitenschüssel auf dem Dach lassen die Behausung noch altertümlicher und geradezu zwergenhaft erscheinen, so als ob sie sich vor Wind und Sturmfluten an den Hang dahinter duckt. Ein Fischernetz dient als Gartenzaun, als Schutz gegen die gefräßigen Possums und Rehe. Hinter dem Haus beginnt das Dickicht der Flechten und Farne. Nur wenige Schritte vor dem Haus liegt der Ozean. Wellen rauschen heran, aber baden kann man hier nicht. Zu gefährlich. Allein im Umkreis von sechs Kilometern liegen vier Schiffwracks.
Sohn Christan fängt Fisch zum Essen und baut Kartoffeln, Erbsen, Bohnen und Karotten im Garten an. Das andere Essen kommt per Flugzeug, im Hubschrauber oder Boot, und manchmal bringen Wanderer die Post mit.
Vor dem Gartentor steht die kleine Handkarre, mit der Catherine Stewart täglich Holz am Strand fürs Kochen und Heizen sammelt. Daneben ein aus Treibholz gebautes Hubschraubergerippe. In dem haben Longs Kinder gespielt, als sie klein waren. Jetzt sind Sohn und Tochter aus dem Haus. Dafür lassen sich im Holzhelikopter gerne mal Jäger auf Hirschsafari fotografieren, die hier auf ihren 5000 Dollar teuren Rundflügen eine Zwischenlandung machen. Dann tanken sie kurz die Andersartigkeit eines Exoten, der lebt wie im vorletzten Jahrhundert. Bis vor ein paar Jahren trug Robert Long noch Rauschebart und lange Haare. Am liebsten lief er barfuß. "Beansprout" nannten die Einheimischen den Vegetarier im Pub und auf den Fischerbooten, weil er lieber Bohnensprossen als Steaks aß. Den Spitznamen kennt man auf der halben Südinsel. Es ist respektvoll gemeint, nicht spöttisch. Der Name ist hart erarbeitet. Geschichten umranken Beansprout. Wie die vom Taniwha, dem Wassergeist, den er angeblich in einem Marmeladenglas mit sich herumtrug. Er konnte sogar erklären, wie man ihn fängt - was für jeden traditionellen Maori in Neuseeland nicht Spinnerei, sondern mystisch nachvollziehbar ist.
Mit seinen 53 Jahren ist Beansprout eine lebende Legende, die nur wenige zu Gesicht bekommen. Aber als Eremit sieht er sich selber nicht. "Ich lebe nicht hier, weil ich weg von den Menschen wollte", erklärt er mir und wandert durch den frisch gejäteten Garten seines Häuschens, "sondern ich wollte einfach lieber dort sein, wo die Menschen noch keinen Einfluss auf die Umwelt haben."
Martina Navratilova tauchte eines Tages mit ihrer Entourage auf; er erkannte die Wimbledon-Siegerin nicht. Auch der CEO von Goldman-Sachs steuerte Gorge River an, als alle Souvenirläden in Queenstown geschlossen hatten, denn sein Privatpilot wusste, dass Beansprout hübsche Jadeschnitzereien fertigt und Landschaftsbilder malt. Kunst ist mittlerweile Longs Haupteinkommen. Seit seine Lebensgeschichte als Buch erschien ("A Life on Gorge River") und später die seiner Frau ("A Wife on Gorge River"), kann er gute Preise verlangen. Gorge River, einer der am wenigsten bekannten und kaum besiedelten Flüsse Neuseelands, ist auch außerhalb des Landes zum Begriff geworden. Um die 2000 Euro kosten Longs Bilder, alle auf Kommission gefertigt. Er malt pausenlos, manchmal 15 Stunden am Stück, wenn die Tage im Sommer lang sind. Es gab Zeiten, da hat er die realistisch anmutenden Kunstwerke noch verschenkt, als Dank für ein paar Trockenvorräte, die ihm Wanderer daließen. Er, der jenseits der Gesellschaft gelebt und sich all ihren Regeln und Zwängen konsequent verweigert hat, hat auf seine stille, charismatische Art in ebendieser Welt Karriere gemacht.
"Meine Arbeit ist meine Inspiration", sagt Robert Long im Gehen. Er ist da, wo er sein will, und macht das, was ihn erfüllt, solange er will - "bis mich eine Sturmbö von der Staffelei im Freien vertreibt". Neben der Hütte steht die Schleifmaschine, mit der er Jade bearbeitet. Begonnen hat er nur mit einem Faustkeil. Pounamu, das "grüne Gold" der Maori, findet er zwischen Strandkieseln. Kostbare Ware - die Familie lebt davon. "Ich habe mich langsam von der Steinzeit ins Industriezeitalter hochgearbeitet", sagt er und wischt sanft an einem halb fertigen grünen Delfin herum. Dieses Lächeln! Es flackert auf, macht ihn weich und verletzlich und verschwindet dann sofort wieder hinter Haarzotteln und Denkerstirn. Meinen Söhnen schenkt er jeweils ein kleines Stück Pounamu. Sie stecken es ehrfürchtig ein. "Alle Menschen, die hierhinkommen, sind etwas Besonderes. In Auckland hätten wir solche Begegnungen nicht", sagt Long. Die Großstadt ist die Antithese zu allem, wie und wofür er lebt. Als er einmal in New York war, verlor er sofort alle Energie. Er fühlte sich angreifbar, verloren und allein. Aber nicht hier draußen, zwischen Himmel, Possums und Sturmfluten.
Wir treten durch die Tür aus geflicktem Fliegengitter. Der Raum ist halb Atelier, halb Rumpelkammer. Auf der Werkbank ist ein Possumfell zwischen Nägeln zum Gerben gespannt. Daneben steht eine Nähmaschine, ihr Antrieb funktioniert mit den Pedalen eines alten Kinderfahrrads. Ein befreundeter Jäger und Elektronikingenieur half ihnen mit dieser Erfindung, und Robert war stolz, dass er seinen Lebensstandard ohne eine neue Anschaffung verbessern konnte. Catherine Stewart verarbeitet Felle zu Kissen und Pantoffeln aus Öko-Pelz, die Maschine schnurrt fast täglich. Eine echte "cottage industry", wortwörtlich. Jeder Zentimeter Hüttenwand hängt voll mit Kleidung und Arbeitsgeräten, auch von der niedrigen Decke baumelt Krimskrams. Robert Long zeigt auf seine Werkzeuge und sagt: "Jetzt verbringe ich viel Zeit damit, das alles instand zu halten. Früher war alles simpler." Er hasst es, Geld für Anschaffungen ausgeben zu müssen - improvisieren und selber machen ist immer besser. Was seiner Frau den sarkastischen Kommentar abnötigt: "Robert macht es lieber auf die schwierige Art." Er kontert: "Wenn ich was Neues kaufe und es nicht funktioniert, ist die Garantie doch eh nach sechs Monaten abgelaufen. Und bis dahin komme ich nie in die Stadt zurück."
Auch beim Essen geht es bei ihm nur ums Nötigste, um Überlebenskraft und Gesundheit, nicht um Genuss. Catherine freut sich über mitgebrachte Schokolade, Robert lehnt dankend ab - Nüsse sind ihm wichtiger. Vielleicht hätten sie sich über eine Flasche Schnaps gefreut? Ich wusste nicht, wie asketisch oder enthaltsam Beansprout noch immer lebt - immerhin schätzt er die trinkfesten Seemänner und Fischer aus Haast, auch wenn sie seinen ökologischen Extremismus nicht immer teilen. Früher, als das Paar noch allein war, reichten ihnen 500 Dollar (rund 300 Euro) für ein ganzes Jahr als Grundversorgung, mit den Kindern verbrauchten sie im Schnitt das Vierfache. "Ich weiß nicht, wer sonst noch in Neuseeland so sparsam lebt wie wir", sagt er. Unterstützung hat er nie beantragt. Sie sind arm, aber wenn man sich bei ihnen umguckt, sieht man unendlichen Reichtum. Der lässt sich durch keine schwedische Einbauküche, durch keinen noch so wertvollen japanischen Kunstdruck herbeizaubern. Es ist das Gegenteil von steril, von modern, von technisch-perfektionistisch, von menschlicher Kälte.
Die Wohnschlafküche neben dem Arbeitsraum ist urig und heimelig wie ein Hobbit-Haus. Viele Möbel sind aus Strandgut gebaut, die Kissen selbst bestickt, in jeder Ecke liegt oder hängt etwas, das von der Familie an einsamen langen Abenden hergestellt wurde. Kein Fernseher - Empfang gibt es hier eh nicht -, aber ein verstaubter Kassettenrekorder, auf dem Robert Long manchmal Van Morrison hört und von früher träumt. Alles in seinem Zuhause atmet Liebe und Achtsamkeit aus, eine ernsthafte Beschäftigung mit simplen, notwendigen Dingen. Die Aussicht: Meer, in allen Schattierungen, in weiter Ferne winzig ein Schiff. "Die fischen hier nicht", weiß Catherine sofort, "die fahren weiter." Als die erdverbundene Australierin Robert Long zum ersten Mal auf einer Westküstenwanderung traf, lebte er bereits neun Jahre allein am Gorge River. Damals trug er einen Hut und Kittel aus selbst gesponnener Wolle, mit Nadeln gestrickt, die aus einem alten Ofenrost stammten. Delfinzähne, Korallen und Knochen dienten als Knöpfe. Seine Gummistiefel hatten Flicken aus Autoreifen. Das Letzte, was man ihm ansah: dass er aus einer gutbürgerlichen Familie stammt.
Robert, geboren in Neuseeland, wuchs bei Brisbane, Australien auf, er war einst ein ehrgeiziger Schüler, gewann rudernd Sportpokale und marschierte bei den Kadetten mit. In allem wollte er der Beste sein und Arzt werden. Doch mit seinen Freunden streifte der Teenager an den Wochenenden durch die Wälder und entdeckte ein Leben jenseits der Vororte und Kaderschmieden - unkonformistisch, frei, natürlich. Sie waren wie ein Eingeborenenstamm - bauten sich Hütten, schwammen im Fluss, gingen in der Natur auf und wussten, dass sie "die Antwort und den Traum" hatten, nach dem sich andere sehnten: "Einfache menschliche Beziehungen, Respekt für Tiere und Pflanzen."
Im dritten Jahr schmiss Robert Long sein Medizinstudium hin und brach aus dem "Mainstream-Albtraum" aus, wie er ihn nannte. "Nichts konnte mich mehr stoppen." Auch seine Eltern nicht, so sehr sie es auch versuchten. Er schwor der Konsumgesellschaft ab, reiste in Indien und Europa durch alternative Kommunen. Das war Ende der 70er-Jahre. Aber dort ging es "immer nur um die Leute". Die Sinnsuche führte ihn zurück nach Neuseeland. Er heuerte auf Fischerbooten an, aber nur so lange, bis er wieder genug Geld für die Grundvorräte zum monatelangen Überleben in der Wildnis hatte. "Je weniger ich besaß, desto mehr wuchsen meine Entschlossenheit und mein Geist", schrieb er später. Minimalistischer Survivalist wollte er sein, selbst im Falle einer nuklearen Katastrophe. Er war ein perfektionistischer Aussteiger, aber kein Penner.
Die halb zerfallene Hütte am Gorge River, damals noch ohne elektrisches Licht und kleiner als heute, entdeckte er auf einer seiner Streifzüge entlang der südlichen Westküste, wohin keine Straße mehr führt. "Es war wie ein Nachhausekommen." Sie gehört der Naturschutzbehörde DoC, die sie ihm lebenslang überließ, solange er sich auch um die Wanderhütte daneben kümmert. Long quartierte sich ein und nahm nur das Allernötigste aus der Zivilisation mit, "so wenig wie möglich aus Metall". Steinzeitmensch wollte er sein. Sein einziges Werkzeug für den Neubeginn im Busch war ein Meißel. Er hatte nicht mal eine Taschenlampe. Sein Ehrgeiz war, so zu leben wie die ersten Maori - aber komplett allein. "Ich war ein Niemand, frei von allem Schein. Mein Glaube in die menschliche Natur wurde jeden Tag stärker."
Über Jahre durchstreifte er meist barfuß die Umgebung, "wie ein wildes Reh", nur mit ein paar Nüssen in der Tasche, im Freien schlafend, seine Grenzen auslotend. Es konnte Wochen dauern, bis er auf andere Menschen traf. "Das Gefühl der Isolation im Winter ist absolut, und niemand, der es nicht erlebt hat, kann die Einsamkeit nachvollziehen, die ich in meinen Jahren am Gorge River durchlebte", schreibt er. "Gleichzeitig hat sie mich den Wert menschlicher Nähe zu schätzen gelehrt."
Er mahlte die Samen von Wildgräsern zu Mehl und buk sich daraus Fladen, angereichert mit Seetang. Seine künstlerische Ader erwachte. Er begann Jade von Hand zu bearbeiten und schuf kostbare Kleinode. Manchmal warf er sich mitsamt seinem Rucksack in die Wellen, schwamm hinaus zu einem der Fischerboote, schuftete dort eine Weile, sprang woanders wieder von Bord und wanderte zurück zum Gorge River. Oder er wurde von einem Piloten mitgenommen, der ihn auf einer Bergkuppe entdeckte, meditierend. Er fühlte sich frei wie ein Vogel, eins mit den Naturgewalten und dem Kosmos. Ein menschenfreundlicher Einsiedler - bis Catherine kam, die studierte Immunologin mit scharfem Verstand, die immer ganz genau hinhört und gerne lacht.
"Ich hatte gebetet, dass eine Frau für mich auftaucht", sagt Robert und hantiert am Holzofen, auf dem seit seinen ersten Tagen am Gorge River gekocht wird. Sein Kopf stößt fast an die niedrige Decke. "Ich wollte immer eine Familie." Er ist tiefgläubig, wenn auch nicht im kirchlichen Sinn. Etwas Größeres beschütze ihn, sagt er. Daher verspüre er auch nie Angst vor dem, was ihm in der Wildnis zustoßen könne. Catherine dagegen ist eher handfest als spirituell oder romantisch. Entsprechend realistisch sah sie das Eremitenleben am Gorge River, auch wenn sie früher davon geträumt hatte, in einem Leuchtturm zu wohnen. Es muss eine schwere Entscheidung gewesen sein, die Isolation und der Verzicht auf so vieles, alles für einen radikalen Idealisten. Ihre Dusche in Roberts Stranddomizil war anfangs nur eine durchlöcherte Spülmittelflasche mit Sickerstrahl. Das Trinkwasser wurde als Regen vom Dach gesammelt. Einen Spiegel hatte sie jahrelang nicht, aber vermisst hat sie ihn nicht. Catherine ist zutiefst uneitel, auf eine Weise, die beeindruckt und fast beschämt. Sie besitzt lediglich eine dreifache Wechselgarderobe, alles secondhand. Mäuse, Buschratten und Lecks im Dach waren auszuhalten, sagt sie. Bis sie schwanger wurde. Plötzlich gab es kein Zurück mehr. Gorge River für immer, mit Kind? Ohne Hilfe von außen, andere Mütter, Arztpraxen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten? Mit einem Mann, der radikalen materiellen Verzicht lebt? Es war ihre schwerste Zeit in all den Jahren.
Im sechsten Monat wanderte das Paar über mehrere Tage zum nächsten Ort im Südosten, um eine Hebamme zu treffen. Für den Rest der Schwangerschaft am Gorge River hatte Catherine weder Ultraschall noch Gynäkologen, sondern nur ein Hörrohr und Urin-Sticks. Ein Fischer hatte versprochen, sie zwei Wochen vor der errechneten Niederkunft mitzunehmen, aber er vergaß es. Telefon oder Internet hatten sie nicht. Robert ruderte sie schließlich zu einem anderen Boot hinaus. 1992, ein Jahr nachdem Christan Long auf einer Farm von Freunden geboren wurde, heirateten seine Eltern draußen an dem Fluss, in dem der Sohn bei der ersten Wanderung nach seiner Geburt getauft wurde. Alle entfernten Freunde und Nachbarn tauchten zur Hochzeit auf und brachten das Essen mit. Die Perlmutt-Eheringe hatte das Paar sich selber geschnitzt. 1994 kam Tochter Robin auf die Welt.
Die Stoffwindeln wusch die junge Mutter auch im tiefsten Winter draußen im Fluss. Mehr als einmal rutschte sie aus und fiel ins Wasser. Inzwischen haben sie einen Wasseranschluss ins Haus gelegt, mit gespendeten Rohren. "Viel wichtiger als elektrisches Licht", sagt Catherine. Eine Waschmaschine hat sie dagegen nicht: "Kein Problem, ich mach das gerne. Das Einzige, was ich noch immer vermisse, ist ein Staubsauger." Ihre Finger haben unter der jahrelangen körperlichen Arbeit so sehr gelitten, dass sie steif geworden sind. Aber häkeln geht noch, ebenfalls ein Nebenverdienst. Catherine zieht Wolle und Babyschuhe aus Possumfell hervor, Robert bringt frischen Kuchen. Auf dem Tisch steht ein Glas mit den obligatorischen Sprossen. "Meistens gibt's bei uns Fisch und eigene Kartoffeln." Sie zeigt mir ihre bescheidene Vorratskammer unter der Spüle. Essen ist ein zentrales Thema ihres Pionierlebens, aber nicht im ideologischen Sinne: sondern dass es überhaupt da ist. Die säurehaltige Erde im Garten gab anfangs nicht viel an Gemüse her. Jetzt reichern die beiden sie mit vergrabenen Possumkadavern an. Zucker und Fett waren selten, ein schneller Einkauf nie möglich.
Es gab ein Jahr, das sie halb ironisch als die "Hungersnot von 1999" bezeichnen. Der Pilot, der ihnen bis dahin jeden Monat Vorräte aus der Zivilisation gebracht hatte, tauchte plötzlich nicht mehr auf. Der Reis reichte nur noch für die nächsten fünf Tage, als es zuerst geschah. Robert machte sich auf, um entlang der Küste die Notrationen auszugraben, die er dort gebunkert hatte. Damit kam die Familie eine weitere Woche über die Runden.
Entbehrungen waren normal für das Paar. Wann immer die Beansprouts etwas Bestimmtes wollten, gab es nur eine Lösung: "Vielleicht finden wir es am Strand." Mal wurde ein Schlafsack angespült, mal Baumaterial fürs Haus - die Hälfte kam so zusammen. Als erste Babybadewanne diente ein Fischbehälter, der irgendwo über Bord gegangen war. Für Robert waren Konsumverzicht und Recycling Ideale, die er extremer gelebt hat als irgendjemand in seinem Land, das kaum bittere Armut kennt. Für seine Frau jedoch war seine Utopie ein ständiger Kompromiss, und auch Tochter Robin teilt den Idealismus des Vaters nur begrenzt, da sie ihn täglich gelebt hat. Schön und gut, sagt Catherine, nachts bei Minustemperaturen unterwegs in einer Scheune zu schlafen - aber den Kinderpo in einer zugefrorenen Pfütze zu säubern ging selbst ihr zu weit. Und trotzdem stellt auch sie fest: "Jedes Mal, wenn wir mit den Kindern in die Stadt kamen, wurden sie sofort krank. Es strengte sie alles an. Zu Hause war es besser." Robert bläst ins gleiche Horn: Nicht das Leben am Gorge River sei hart, sondern die Abstecher in die Zivilisation.
Sie unterbricht ihn. Irgendetwas scheint sich am Horizont abzuspielen: "Eine Windhose." Wir haben sie nicht bemerkt, aber Catherine Stewart schaut fasziniert hinaus, als ob sie eine dramatische Straßenszene verfolgen würden. Ihre Wahrnehmung ist anders als unsere. Sie ist ein wandelnder Seismograf, zwei Jahrzehnte lang durch Schauer und Sturmfluten geschult. Genau wie Robert kann sie das Wetter und die Natur dechiffrieren, während wir Besucher vor allem die Symbole des Zeitgeistes, der Kultur erkennen. Aber kaum einheimische Vögel.
Das gestickte Bild eines Spatzen steht am Fenster neben einer kleinen Marienstatue. Das Spinnennetz dahinter hat Robert Long hängen lassen. "Robin, meine Tochter, würde es auch nicht zerstören. Sie achtet jedes Krabbeltier. Das habe ich von ihr gelernt." Wieder dieses Lächeln. Hinterm Tisch hängen halb fertige Malereien an den Wänden, auch ein Porträt der Kinder. Die beiden sind allgegenwärtig, man spürt die Sehnsucht der Eltern. Bald kommen sie wieder zu Besuch.
"Es war fast Winter, also packten sie viele warme Kleidung, Regenmäntel, Schlafsäcke, etwas Essen und viele Windeln für Robin ein. Sie saß ebenfalls im Rucksack! Die Rucksäcke waren sehr schwer."
Christan ist der kleine Junge neben einem Pinguin auf dem Titelfoto des Lesebüchleins, das beschreibt, wie mühsam ein Trip in die Stadt ist - auch heute noch. Der Weg vom Haus bis zum nächsten Laden konnte mit Kindern fünf Tage dauern. Sieben Jahre lang trugen Catherine und Robert ihre Kinder dabei auf dem Rücken, zusammen mit ihrer Ausrüstung und Vorräten - insgesamt an die tausend Kilometer haben sie so zurückgelegt, über rutschige Steine, durch Schlamm und Furten. Wenn es geregnet hat, und das tut es in dieser Region häufig und heftig, sind die Flussdurchquerungen gefährlich. Wird es warm, stürzen sich die Sandfliegen auf die Wanderer. Christan war zwei, Robin drei, als die Kinder anfingen, Teile der Strecke selber zu laufen. Damit erfüllte sich des Vaters größter Traum. "Was das für Individualisten werden würden", schwärmt er in seiner Autobiografie, "welche Beharrlichkeit und Überlebenskunst sie entwickeln würden. Eine Bereicherung für uns alle auf dieser Welt."
Auf etlichen dieser Touren begleitete sie das Huhn Chooky als Haustier in Robins eigens dafür umgerüstetem Rucksack. Chooky reiste per Flugzeug und Hubschrauber und wurde ebenfalls in Text und Bild verewigt, genauso wie Christans erste Angel-Erfolge und eine im Wald veranstaltete Aufführung vom "Mittsommernachtstraum". Die "arbeitslos gewordene Mutter", wie sich Catherine ironisch bis melancholisch nennt, zieht ein selbst gedrucktes Büchlein nach dem anderen hervor: Dokumente einer Zeit ohne Fernsehen, mediale Übersättigung oder Ablenkung. Es sind ihre Schätze, genau wie die selbst entworfenen Brettspiele und Puppenkleider, die neben der künstlerischen und kulturellen Ader dieser Familie vor allem eines zeigen: Hier hat sich jemand richtig viel Zeit für seine Kinder genommen. "Wenn ein Feuer ausbricht, würde ich als Erstes diese Bücher retten", sagt Catherine. "Robert seinen Schlafsack."
Ein Internat haben die Long-Kinder erst als Jugendliche besucht. In ihrem ersten Jahr taten sie sich jeweils schwer, die Umstellung war hart: "Christian hatte im ganzen Jahr davor mit weniger als sechs Leuten geredet, die älter waren als er - und plötzlich war es umgekehrt!" Doch beide verließen das College mit Auszeichnung. Davor waren sie Fernschüler, das Schulmaterial kam per Post. In Neuseeland ist "home schooling" erlaubt, aber dennoch umstritten, und Catherine brachte die Rolle als Hauslehrerin an ihre Grenzen. Die Longs mussten sich oft dafür verteidigen, was ihren Kindern angeblich alles fehlt, vor allem der mangelnde Kontakt zu Gleichaltrigen. "Das stimmte, aber wir hatten regelmäßig lange Urlaube bei der Familie in Australien", verteidigt sich Catherine. Dort fiel ihr die Diskrepanz zwischen den verwöhnten Neffen und ihrem spartanisch erzogenen Nachwuchs besonders auf. "Da habe ich mich anfangs schon gefragt, ob ich alles richtig mache. Aber meine Kinder haben mich beruhigt."
Beide Kinder gingen schon früh ihre eigenen Wege. Christian war bereits als kleiner Junge verrückt nach Kricket und nötigte jeden, der am Gorge River landete, zu einem Spiel. Wenn die Hütte zu eng für zwei aufgeladene Teenager wurde, dann verzogen sie sich nach draußen. Der Wald hat keine Grenzen. Christian setzte durch, dass er einen Laptop bekam, und er war es, der mit 15 nach langen Diskussionen einen Gascampingkocher anschaffte. "Durch meine Kinder habe ich ständig Zugeständnisse an mehr Technik und Komfort machen müssen", sagt Robert Long. Es klingt bedauernd. Er trauert den alten Zeiten, der grenzenlosen Freiheit durch extremen Verzicht, noch immer hinterher. Als er Vater wurde, konnte er sich nicht mehr waghalsig von Felsen ins Meer stürzen oder Risiken wie früher eingehen. In seinen ersten zehn Jahren am Gorge River hätte er sechs Monate verschollen sein können, bis es jemandem aufgefallen wäre. "Doch dann stand die Sicherheit meiner Familie immer an erster Stelle." Diesmal klingt es stolz. Ein neues Ideal, für das es sich anzustrengen lohnte.
Beansprouts Geschichte ist auch eine von Verletzungen, dramatischen Rettungen, Abenteuern und Erdbeben, auch wenn er behauptet, nie in Lebensgefahr gewesen zu sein. Seit Robins Kindheit haben sie einen Peilsender, der im Notfall ein Signal für die Luftrettung aussendet. Catherine erinnert sich an den Tag, als sie mit ihrem 13 Monate alten Baby im Arm im Sturm am Strand stand, während ihr Mann sich aufs Surfboard warf und sich zu den nächsten Felsen hinkämpfte. Ein Wanderer, der mit ihrem Schlauchboot über den Gorge River setzen wollte, war dort hingespült worden.
Eine Rebellion gegen den extremen Lebensstil der Eltern hat bei den Kindern nicht stattgefunden. Im Gegenteil. Die 18-jährige Robin ist Führerin in einem Vogelpark und will Ornithologie studieren. Partys interessieren sie kaum, sie ist eher still und hasst es, wie viel Essen von anderen weggeworfen wird. Zum Schulabschlussball fertigte sie sich ihre eigenen Pumps aus geschmolzenem Plastik, Strass und Holz an, und ihre Garderobe kauft sie nach wie vor am liebsten gebraucht. Ihr drei Jahre älterer Bruder ist Outdoor-Experte, war bereits in der Antarktis und jobbt als Skiführer - ein naturkundiger Abenteurer mit praktischem Unternehmergeist, von Kindesbeinen an in beiden Disziplinen geschult. In den Ferien ziehen beide wie früher mit dem Vater los auf Possumjagd. Mit den abgezogenen Fellen bezahlen sie ihr Studium. "Wir sind froh zu sehen, welche Arbeitsmoral sie von uns gelernt haben", sagt Catherine. "Was viele nicht sehen: wie hart wir hier arbeiten, manchmal zehn bis zwölf Stunden am Tag." Robert setzt nach: "Ja, damit nicht das Dach über uns zusammenbricht." Sein Beansprout-Lächeln flackert auf. "Bis man überhaupt das Licht anbekommt, kann es manchmal eine halbe Stunde dauern."
Die Kinder verdienten früh ihr eigenes Geld. Die Eltern zahlten ihnen 50 Cents pro Sack voller Algen, die den Garten düngten. Seetang sei nach wie vor der Lieblingsgeruch aus Robins Kindheit, sagt ihre Mutter. Die beiden skypen fast täglich. Nur dafür gibt es die Internetverbindung via Satellit in der Hütte - finanziell ein Luxus, aber für Catherines Seelenheil existenziell. Sie brauche die virtuelle Nabelschnur zu ihren Kindern, sagt sie. Nach all den Jahren zu viert habe sie niemanden, der ihr näherstehe als die Tochter. Als Christian als Jugendlicher erstmals zum Fischen mit Freunden in einer südlich gelegenen Bucht verschwand, hörten die Eltern zwei Wochen lang nichts von ihm. "Das war viel härter als jetzt, wo er um die Welt reist, uns aber von überall E-Mails schicken kann." Dann endlich kam eine Nachricht vom verlorenen Sohn: ein Zettel, an einem Stein aus einem vorbeifliegenden Flugzeug abgeworfen, "Mir geht es gut!". Kosmische Kommunikation am Gorge River statt Handy-Empfang.
Es hat angefangen zu regnen, aber Beansprout will nach draußen, um noch Köder aus Mehl und Eukalyptusöl auf einige seiner 30 Possumfallen zu streuen. Im Herausgehen drückt er mir ein in blaues Leinen gebundenes Buch mit handgetippten Aufzeichnungen, Skizzen und Fotos in Hand. "Our Home" heißt es, darunter: "Die heilende Kraft der Natur". Es ist die Abschlussarbeit seines Kurses in Naturheilkunde, den er im Fernstudium absolviert hat. Ich lese über universale Kräfte, blättere durch gezeichnete Pflanzenbilder und bekomme einen Einblick, wie metaphysisch Robert Long die Welt erlebt. Seitenlange Tagebucheinträge beschreiben nichts als Wetter und Musik. "Donnerstag, 12. April 1990. Wolken und Wind Richtung Meer, ruhige See am Abend. Kanadisches Akkordeon, schrille Pfeifer, sehr ruhiges Omm."
Diese Melodien, die er im Freien hört, spielte Robert seiner Frau auf der Gitarre vor. Sie sind alles andere als ein perfektes Paar, vertraut mir Catherine später an. Ihre ganze Beziehung sei bis heute ein hart erkämpfter Kompromiss, ihre Vorstellungen von vielem so verschieden. Er träumt, sie denkt pragmatisch. Und es ist niemand in der Nähe, der einen Gegenpol bietet, einen menschlichen Ausgleich von der Enge dieser Zweisamkeit. Eigentlich dachte sie daran wegzugehen, wenn ihre Arbeit als Mutter getan sei. Aber sie wird bleiben und am Gorge River alt werden. "Es ist ein Privileg, hier zu leben. Ich verdiene nicht viel, aber ich bin reicher als jeder, der einen Kredit abstottern muss. Ich muss nichts für Benzin, Handwerker oder Kleidung ausgeben. Meinen Salat pflücke ich mir im Garten." Glück, hat sie sich von der Seele geschrieben, sei, das zu wollen, was man hat.
Ich trete vor die Tür der Hütte und laufe ein paar Meter Richtung Strand. Das Meer tost, der Wind bläst, aber Instrumente höre ich keine. Es ist inzwischen stockdunkel, kein Mondlicht scheint. Die mannshohen Flachsbüsche neben mir kann ich nur erahnen. Hunderte von Kilometern um mich herum ist nichts als Ozean und schwarzes Dickicht. "Eigentlich leben wir im Vorort, nur mit etwas mehr Abstand zu den Nachbarn", hatte Robert vorhin noch gescherzt. Von wegen. Keine Straße. Kein Licht. Selbst die Funzel in der Hütte kann ich nach ein paar weiteren Schritten schon nicht mehr ausmachen. Da erst ahne ich, was das heißt: Er hatte nicht mal eine Taschenlampe. Ich bekomme eine Gänsehaut. Und noch mehr Respekt.
Am nächsten Morgen rudert uns Robert mit unseren Rucksäcken über den Fluss. Catherines Umarmung ist herzlich, sie winkt uns lange nach. Schon lange habe sie sich nicht mehr so persönlich ausgesprochen, sagt sie mir. Ihre Freundinnen sind alle weit weg.
Zwei Tage später erreichen wir erschöpft, humpelnd und komplett durchnässt unser Ziel. Das Schlauchboot die letzten Kilometer bis zur Straße zu schleppen kostet uns die letzten Kräfte. Unglaublich, dass man diese Tortur gerne immer wieder auf sich nimmt, jahrzehntelang. Noch nie hat sich ein Auto so gut angefühlt. Zum Gorge River ist seit einiger Zeit eine Straße geplant. Dann könnten die Beansprouts in zwei Stunden bequem zum Einkaufen fahren. Robert, Catherine und ihre Kinder wollen sich mit Händen und Füßen dagegen wehren.