DÜSSELDORF. Auf der Kippe stehen auch Verhandlungserfolge. Es drohen gar Verstöße gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Für Travelmanagement-Berater Jörg Martin ist es schon „Körperverletzung". Selbst Hühner in Legebatterien hätten mehr Raum als Reisende, die heute auf Interkontinental-Flügen in die Holzklasse gepfercht werden, beklagt der Inhaber der CTC Corporate Travel Consulting. Der Faktor Mensch bleibe auf der Strecke, das „Thema existiert nicht mehr", sagt Stefan Vorndran, Chef des führenden deutschen Geschäftsreiseanbieters BCD Travel. Noch vor einem Jahr habe eine Umfrage unter BCD-Kunden ergeben, dass der Komfort der Mitarbeiter höher bewertet werde als die Kostenoptimierung. In Zeiten der Rezession habe sich das Bild um 180 Grad gedreht.
Vielen Unternehmen ist dabei gar nicht klar, dass sie oftmals einen noch viel höheren Preis riskieren. Denn durch ihre Fürsorgepflicht sind Arbeitgeber auch haftbar - und müssen im Ernstfall zahlen - wenn ein Mitarbeiter aufgrund betrieblich verschuldeter Übermüdung in einen Unfall verwickelt wird. Übermüdung beispielsweise, weil nicht der Direktflug gebucht wurde, sondern die preiswertere aber zeitraubende Umsteigeverbindung.
Eben dieses Risiko scheinen Unternehmen in Deutschland immer öfter einzugehen. Entweder, so beobachtet BCD-Chef Vorndran, streichen sie anstehende Geschäftsreisen gleich ganz. Oder sie entscheiden nach dem „Best Buy-Prinzip": niedrigere Service-Klassen in Airlines, Hotels, Mietwagen und der Bahn sowie häufigere Umsteigeverbindungen.
Der „Airplus Business Travel Index 2009" bestätigt das. Zwar gaben deutsche Unternehmen im ersten Halbjahr 2009 insgesamt 31 Prozent weniger für Flugtickets aus als noch im Jahr zuvor. Während jedoch die Anzahl der Flüge nur um 17 Prozent sank, haben sich die Buchungen für die Business Class insbesondere bei Großunternehmen nahezu halbiert.
Auffallend ist zudem die „Zunahme von „komplexen Flugmustern bei Großunternehmen“. Obgleich dies den Prozessaufwand erhöht, setzen Konzerne heute bei 44 Prozent aller Flüge auf Spareffekte durch „asymmetrische“ Flugbuchungen mit zwei, drei Stopps über verschiedene Hubs.
Dirk Gerdom, Präsident des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR), verteidigt die Kostensenkungsversuche. Für viele bestehe derzeit schlicht die Notwendigkeit, Geld zu sparen und produktiver zu werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass das Gros der Reisenden dafür auch Verständnis zeige. „Schließlich geht es ja auch um ihren Arbeitsplatz.“ Gleichzeitig, so räumt Gerdom ein, dürfe die Fürsorge nicht außer Acht gelassen werden. „Es wird nicht so weit gehen, dass Airlines genutzt werden, die unsicher sind.“
Doch wo endet die Bequemlichkeit und wo beginnt die Fürsorge? Für Gerdom, hauptberuflich Travel Manager bei SAP, muss die betriebliche Verantwortungspflicht viel zu oft herhalten für die Verteidigung lieb gewonnener Privilegien. Im Privatleben hätten Mitarbeiter ja auch keine Schwierigkeiten, Economy zu fliegen. Und so weit, dass Business Traveller in Jugendherbergen übernachten müssten, werde es nicht kommen. Gerdom: „Der Mensch ist ein sehr belastbares Wesen und richtet sich schnell auf neue Gegebenheiten ein."
Branchenexperte Gerd Otto-Rieke warnt vor allzu großer Sparsamkeit. Das Bewusstsein für die vielfältigen Verpflichtungen des Arbeitgebers sei in deutschen Unternehmen längst nicht auf akzeptablem Niveau. Fürsorgepflicht aber habe nichts damit zu tun, dass der Reisende in einem Fünf-Sterne Hotel wohnen dürfe, zürnt der Initiator des „Forum Sicherheit und Reisen“: „Vielmehr geht es darum, Mitarbeiter nicht in berufliche Situationen geraten zu lassen, in denen sie zu Schaden kommen können."
Nebenstrecken sind im Kommen
FRANKFURT. Das Kostenbewusstsein bei Dienstreisen hilft den Secondary Hubs, der zweiten Reihe der Flughafen-Drehkreuze hinter Frankfurt und München Das zeigt der Airplus Business Travel Index 2009. Danach ist die Zahl der „asymmetrischen Flugmuster“ im ersten Halbjahr kräftig gestiegen. Kunden fliegen nicht mehr von Punkt zu Punkt sondern springen etwa von Düsseldorf nach London, dann nach New York, von dort nach Brüssel und zurück nach Düsseldorf. Davon profitieren die kleineren Hubs.
Der Anteil dieser „Ping-Pong-Flüge“ ist bei Großunternehmen von 40 auf 44 Prozent gestiegen. „In vielen Fällen sind zwei Teilstrecken günstiger als ein Direktflug“, nennt Florian Gränzdörffer von Airplus einen Grund für diesen Trend.
Die Neben-Hubs haben sich in den letzten Monaten und Jahren kontinuierlich einen größeren Teil des interkontinentalen Verkehrs schnappen können. Neben dem Kostenvorteil bieten sie in der Regel kürzere und unkomplizierte Wege. Das wissen auch die Airlines wie etwa Lufthansa zu nutzen, die zum Beispiel den Flughafen Düsseldorf zu einer Art Neben-Hub für Interkontinental-Flüge ausbaut. „Zum einen ist es mit 18 Millionen Einwohnern im Umkreis von 100 Kilometern ein interessantes Einzugsgebiet. Zum anderen haben wir hier Zubringerverkehre“, sagt ein Lufthansa-Sprecher. Seit letztem Jahr fliegt der Kranich ab Düsseldorf Interkont mit großem Gerät, nach New York, Chicago und Toronto oder Miami.
Düsseldorf ist kein Einzelfall. So haben die deutschen Flughäfen jenseits von Frankfurt und München 2008 laut Airplus bei Interkont-Flügen von Business-Kunden ein Wachstum von 20,3 Prozent erreicht. Frankfurt und München kamen nur auf plus 12,9 Prozent.