Anja Wölker

Freie Journalistin & Radiomacherin, Essen

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Artikel

Planet Wissen: Olympische Spiele - Rio 2016

Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro waren mit vielen Hoffnungen und Versprechen verbunden: saubere Gewässer, Aufschwung für die Wirtschaft, neue Bauten. Doch wenig davon wurde auch wirklich umgesetzt, obwohl Millionen flossen. Jetzt ist Rio pleite und die Menschen profitieren wenig von den Spielen.


Zum ersten Mal in Südamerika

Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vom 5. bis zum 21. August 2016 sind die ersten, die in Südamerika stattfinden. Durchgesetzt hat sich die brasilianische Stadt gegen die Mitbewerber MadridTokio und Chicago. 10,9 Milliarden Euro wurden in die Spiele investiert, über 10.000 Athleten aus 206 Ländern kämpfen an 37 Veranstaltungsorten um die Medaillen. Probleme sind im Vorfeld solcher Groß-Veranstaltungen kaum vermeidbar – in Rio häufen sich jedoch die schlechten Schlagzeilen.

Die Strände bleiben dreckig

Die Olympischen Spiele kommen – und die Flüsse und Seen in Rio de Janeirowerden sauber. Das war das Versprechen. Seit Jahrzehnten sind die Buchten und Strände verunreinigt, ungeklärte Abwässer laufen in die Gewässer, der Müll türmt sich auf. In der Guanabara-Bucht, an der die olympischen Surf- und Segelwettbewerbe stattfinden, wurden gegen Antibiotika resistente Erreger gefunden.

Die Gründe für die Verschmutzungen: Kläranlagen sind rar, es fehlen funktionierende Kanalnetze, Öl fließt aus Schiffen und Industrieanlagen, Schrott wird einfach ins Wasser geschüttet.


Mll am Strand der brasilianischen Guanabara-Bucht


Müll und tote Fische am Strand der Guanabara-Bucht

Die Beschwerde zahlreicher Sportler über die Wasserqualität hat nichts bewirkt. Und das anfängliche Ziel, die Verschmutzung um 80 Prozent zu reduzieren, wurde nicht erreicht. Die Organisatoren der Spiele haben das Vorhaben aufgegeben, denn Geld für die Reinigung scheint nicht vorhanden zu sein – der Bundesstaat Rio de Janeiro steckt in einer Finanzkrise.

Brasilien steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise

Brasilien befindet sich mitten in einer wirtschaftlichen Krise. Die Wirtschaft war bis 2011 zunächst stark gewachsen. Die Gründe dafür sind vielfältig, unter anderem wurden Marktmonopole abgeschafft. Basis dafür war eine seit den 1990ern neu verfolgte Wirtschaftspolitik. Nicht einzig der Staat sollte als zentraler Unternehmer agieren; viele staatliche Firmen wurden privatisiert. Die Zahl der Beschäftigten nahm zu, es wurden höhere Löhne gezahlt und die globalen Rohstoffpreise erhöhten sich – zugunsten Brasiliens, an dessen südöstlicher Atlantikküste 2008 Rohöl- und Erdgasvorkommen erschlossen wurden.


Die letzten fünf Jahre schrumpfte die Wirtschaft jedoch, 2015 massiv um fast vier Prozent – in den Jahren des Wachstums hatte die Regierung zu viel Geld ausgegeben und auch die politische Krise, geprägt von Korruptionsskandalen, drückt aufs Wachstum.

Am 17. Juni 2016 rief der Bundesstaat Rio de Janeiro den finanziellen Notstand aus – zu einem Zeitpunkt, als noch längst nicht alle olympischen Bauten fertig gestellt waren und die Sicherheit der Menschen während der Spiele garantiert werden muss. Trotz der Wirtschaftskrise sicherte die Regierung dem Bundesstaat daher Ende Juni knapp 740 Millionen Euro Soforthilfe zu.


Demonstrant mit Schild gegen Korruption

Demonstrant: "Brasilien gewinnt Gold in Korruption"


Auch politisch ist Brasilien in Aufruhr. Im Mai 2016 leitete das brasilianische Parlament gegen die linke Präsidentin Dilma Rousseff ein Amtsenthebungsverfahren ein. Damit ist sie für sechs Monate von ihrem Amt suspendiert. Ihre Gegner werfen ihr vor, Haushaltszahlen manipuliert zu haben.


Aktuell regiert ihr Stellvertreter Michel Temer; auch er wird der Korruption beschuldigt. Er eröffnete am 5. August offiziell die Spiele – und wurde dabei ausgepfiffen.

Wackelige Sicherheitslage

Sportler und Besucher der Spiele sorgen sich um ihre Sicherheit in einem Land, das von Gewalt geprägt ist. Auf knapp 206 Millionen Brasilianer kommen 60.000 Morde pro Jahr. Zum Vergleich: Deutschland mit seinen knapp 81 Millionen Einwohnern zählt ungefähr 300 Morde pro Jahr. Vor allem in den Vororten herrscht Gewalt, jeden Tag gibt es Schießereien. Das Auswärtige Amt warnt unter anderem vor Besuchen von Armensiedlungen, den Favelas. Besucher sollen unbelebte Straßen meiden und keine auffälligen Kleidungen oder Schmuck tragen – das gilt auch für Rio de Janeiro.


Bewaffnete Militrpolizisten im Hintergrund das Rio-Logo

Bewaffnete Militärpolizisten vor dem Olympischen Dorf


Während der Spiele werden dort mehr als 10.000 Militärpolizisten und insgesamt 85.000 Sicherheitskräfte eingesetzt, um für die Sicherheit der Menschen vor Ort zu garantieren. Das sind doppelt so viele Einsatzkräfte wie bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London. Dort waren es 42.000. Die brasilianische Polizei verhaftete bereits mehrere Terrorverdächtige.

Angst vor Zika lässt Sportler die Spiele absagen

Nicht nur die Sicherheitslage sorgt die Sportler, sondern etwas ganz Kleines: die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti). Sie überträgt durch einen Biss den Zikavirus. Er verbreitet sich rasant, weswegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 1. Februar 2016 den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat.


Bei erkrankten Erwachsenen zeigen sich milde Symptome wie leichtes Fieber oder Kopfschmerzen, bei schwangeren Frauen jedoch kann der Virus zu Schädelfehlbildungen des Kindes führen. Die brasilianische Regierung setzte bereits 220.000 Soldaten ein, um der Bevölkerung Gefahren zu erklären und die Brutstätten der Mücke mit Insektiziden zu vernichten.


Das beruhigte nicht alle: Aus Angst vor Zika haben einige Sportler die Olympischen Spiele abgesagt. Insbesondere die weltbesten Golfer werden nicht an den Spielen teilnehmen, darunter Jason Day und Dustin Johnson. Aber auch Wimbledon-Finalist Milos Raonic wird fehlen.


gyptische Tigermcke

Die ägyptische Tigermücke kann den Zikavirus übertragen


Ende Mai 2016 forderten 151 Wissenschaftler in einem offenen Brief an die WHO, die Spiele zu verlegen: Das Risiko einer globalen Epidemie sei zu groß. Zwar warnt die WHO, dass Schwangere nicht zu den Spielen kommen sollen. Doch gleichzeitig erklärt sie, dass die Spiele die internationale Ausbreitung des Virus nicht beförderten. Da die Spiele im brasilianischen Winter stattfänden, sei die Gefahr gestochen zu werden geringer, denn bei kühleren Temperaturen lebten weniger Mücken.

Mangelhafte Bauten

Auch die Quartiere der Sportler standen unter Kritik. Gut zwei Wochen vor Beginn der Spiele wurde das Olympische Dorf eröffnet. Schnell musste das Organisationskomitee Mängel einräumen. Die australische Olympiamannschaft boykottierte den Aufenthalt, es gebe verstopfte Toiletten, defekte Rohre und dunkle Gänge.


Hochhuser des Olympischen Dorfes

Das Olympische Dorf im Juni 2016


Auch andere Delegationen beklagten sich, mehrere Nationen, darunter Deutschland, beschäftigten selbst Handwerker. Das Olympische Komitee behob einen Großteil der Probleme durch einen Sondereinsatz von 630 Handwerkern und Reinigungskräften. Danach zeigten sich die Australier zufrieden und zogen ein.


Arbeiter an eingestrzter Fahrradbrcke

Reparaturarbeiten an der eingestürzten Fahrradbrücke "Ciclovia Tim Maia"


Auch zuvor zeigten sich schon Baumängel: Am 21. April 2016 stürzte das Prestigeprojekt "Ciclovia Tim Maia" ein – eine 3,9 Kilometer lange Fahrradbrücke, die auf Stelzen zwischen den Stadtteilen Leblon und São Conrado erbaut wurde. Eine große Welle riss einen Großteil der Brückenkonstruktion mit sich. Zwei Menschen starben. Die Konstruktion hatte 11 Millionen Euro gekostet und sollte auch nach den Spielen der Entlastung einer stauanfälligen Schnellstraße dienen, neben der der Fahrradweg gebaut wurde.

Doping-Vorwürfe: Russische Leichtathleten ausgeschlossen

Zu den Problemen der Veranstalter kommen massive Doping-Vorwürfe. Der internationale Leichtathletik-Dachverband (IAAF) schloss alle russischen Leichtathleten von den Sommerspielen aus, weil sie von einem staatlichen Doping-System ausgeht. Lediglich Weitspringerin Darja Klischina darf starten, weil sie in den USA lebt und ausreichenede Dopingkontrollen nachweisen konnte.


Bereits 2014 wurde eine Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) eingesetzt, die Doping-Vorwürfe gegen russische Sportler untersuchen sollte. Zuvor hatte die ARD in einem Dokumentarfilm Hinweise veröffentlicht, die auf ein staatlich unterstütztes Doping-System hindeuteten. Die WADA empfahl daraufhin dem IAAF, das russische Team aus ihrer Organisation auszuschließen. Anstatt das zu tun, sperrte sie im Juni 2016 die russischen Leichtathleten für die Spiele in Rio.


Das Internationale Olympische Komitee (IOC) überließ den einzelnen Sportverbänden anderer Sportarten, selbst über den Ausschluss von Athleten zu entscheiden. Insgesamt wurden 118 der 387 russischen Athleten gesperrt.


Für die anschließenden Paralympischen Spiele in Rio vom 7. bis 18. September wurden dagegen alle russischen Sportler gesperrt.


Jelena Issinbajewa mit russischer Flagge im Hintergrund

Die russische Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa weint wegen des Ausschlusses

Die Hälfte der Brasilianer interessiert sich nicht für Olympia

Die Olympiastimmung der brasilianischen Bevölkerung ist vor den Spielen verhalten. Im Juli 2016 veröffentlichte das brasilianische Umfrageinstitut Datafolha Zahlen, die das Desinteresse an den Olympischen Spielen belegt: 51 Prozent der Befragten gab an, den Spielen gleichgültig gegenüber zu stehen. Darüber hinaus sagten 63 Prozent, dass die Spiele ihrer Meinung nach den Menschen mehr schaden als nutzen.


Ein Negativbeispiel ist der Abriss von Favelas, die den Olympiabauten weichen mussten. Bewohner fühlen sich teilweise betrogen, nicht alle waren mit den Abfindungen zufrieden und weigerten sich, ihre Häuser zu verlassen – bis sie dazu gezwungen wurden.


Zerstrte Favela vor Olympiapark

Ein zerstörtes Haus der Favela Vola Autodromo vor dem Olympiapark


Auch der Ticketverkauf lief schleppend an. Bis drei Wochen vor Beginn der Spiele waren noch ungefähr ein Drittel der Karten erhältlich, rund 1,7 Millionen. Zehn Tage vor Beginn wurden noch einmal 100.000 Karten in einer Aktion verkauft. Dafür wurde ein neues Kontingent an Karten für Veranstaltungen, die bisher als ausverkauft galten, freigegeben, wie zum Beispiel die Eröffnungs- und Schlussfeier. Denn nachdem die Container für die Fernsehübertragungen im Stadion fertiggestellt waren, konnten noch mehr Besuchersitze freigegeben werden. Laut Organisatoren wurden so 93 Prozent der Mindesteinnahmen erreicht.


Autorin: Anja Wölker

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