Anita Grasse

Texterin, Journalistin, Erfurt

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Artikel

Storytelling in der Unternehmenskommunikation

Schon mal etwas von "Storytelling" gehört? Normalerweise sind solche Begriffe ja nicht unbedingt wörtlich zu nehmen, wenn man ihre Bedeutung erfassen will. Dieser aber schon. Wörtlich übersetzt heißt er: Geschichten erzählen. Und genau darum geht es. Im Journalismus bezeichnet man damit auch die technische Umsetzungen, aber in der Unternehmenskommunikation ist vor allem gemeint: Weg von der rein faktischen Kommunikation hin zu einer, in deren Mittelpunkt Menschen und eben ihre Geschichten stehen. Bestes Beispiel dafür sind Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften, aber dazu gleich mehr.

Storytelling? Warum ändern, was Jahrzehnte gut lief?

Erstmal: Warum das Ganze? Früher kannte die Kommunikation - und damit ist fachübergreifend alles gemeint, was mal im Marketing, mal in der Werbung und mal in der PR-Abteilung angesiedelt war - zwei mögliche Wege, zu "überzeugen": Durch die strenge Sachlichkeit. Das war meist die Methode der PR-Menschen, die Pressemitteilungen mit wenig mehr als den notwendigen Fakten bestückten. Oder durch überreden, einwickeln, manipulieren. Das war eher die Methode der Werbung (und von gut gemachter Werbung lasse ich mich gern einwickeln). Das eine die Ansprache für die Multiplikatoren, die Medien. Das andere jene für die Endverbraucher, die Käufer. Hat Jahrzehnte lang bestens geklappt. Warum jetzt also alles über den Haufen werfen?


Aus drei Gründen:

  • Weil die Trennung zwischen Multiplikatoren und Endverbrauchern in dieser Striktheit nicht mehr funktioniert. Spätestens seit den sozialen Medien (und nicht nur den sozialen Netzwerken!) ist jeder Endverbraucher auch ein potenzieller Multiplikator.
  • Weil die Empfänger von Informationen in den letzten Jahren sehr viel kritischer und skeptischer geworden sind. Sie prüfen Unternehmensbotschaften heute auf Herz und Nieren und lassen sich nicht mehr einfach so Honig ums Maul schmieren.
  • Die Konkurrenz. Die ist in den meisten Branchen riesig. Kunden haben die freie Auswahl. Passt ihnen das Produkt des einen Unternehmens nicht, greifen sie eben zu dem des Konkurrenten.
Um Bindung an die eigene Marke zu erzeugen, reichen Fakten nicht - und Manipulation bringt nur weiter, wenn sie sehr, sehr geschickt geschieht (oft genug dürften Firmen und ihre Werber ihr Geschick in dieser Sache aber deutlich überschätzen). Um sich einen Namen zu machen, an den sich Kunden nicht nur erinnern, sondern den sie auch in ihre alltäglichen Nutzungsgewohnheiten einbeziehen, braucht es heute eine andere Art der Kommunikation. Eine Methode: Storytelling.

Werden Sie Sheherazade: Kundenbindung durch spannende Geschichten in Mitarbeiter- und Kundenmagazinen

Und das lässt sich, wie bereits angedeutet, bestens in Kunden- oder Mitarbeiterzeitschriften umsetzen. Nehmen wir als Beispiel Ihre Krankenkasse. Egal, wo Sie versichert sind: Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit bekommen Sie einmal im Monat oder im Quartal ein mehr oder weniger dünnes Magazin nach Hause geschickt, in dem Informationen zu den Leistungen und Tarifen (vor allem aber zu den Sonderleistungen) Ihrer Kasse stehen. Aber nicht einfach so, sondern verpackt in die Geschichten und Schicksale anderer Versicherter oder Mitarbeiter der Krankenkasse. Nicht der Vorstandsvorsitzende sagt Ihnen, dass seine Kasse die allerbeste ist. Die Hausfrau von nebenan erzählt Ihnen, warum sie sich bei ausgerechnet diesem Versicherer so gut aufgehoben fühlt (zum Beispiel, weil die alternative Heilbehandlung für das Kind unbürokratisch übernommen wurde). Dazu kommen in aller Regel grafisch sehr schön aufbereitete Geschichten zu allgemeinen gesundheitspolitischen Themen. In der Zeitung meiner Kasse ging es zum Beispiel gerade um Organspenden - inklusive der Schicksale zweier Menschen, die nur dank einer solchen Spende noch am Leben sind. Das berührt und setzt sich eben deshalb im Gedächtnis fest.


Aber auch, wenn Ihr Unternehmen weniger politisch unterwegs ist, hilft gutes Storytelling beim Markenaufbau. Zweites Beispiel: der Tourismusverband der Welterberegion Wartburg Hainich. Dort hat man vergangenes Jahr ein Erlebnismagazin ins Leben gerufen (Ich schreibe darin die meisten Texte zum Naturteil des Welterbes), das Besucher kostenlos in Hotels, Pensionen, Gaststätten, Touristinformationen und an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Region bekommen. Darin: ein schmaler Teil mit Veranstaltungshinweisen und Kontaktadressen, vor allem aber ganz viele Geschichten. Vom Wildkatzenjungen Toco, der den Jahreslauf im Wildkatzendorf aus seiner Sicht beschreibt. Von den neuen Ausstellungen in den großen Museen und jenen, die sie kuratieren. Von den Geheimnissen der Wartburg und den versteckten Wundern im Hainich. Auch hier kommen Besucher und viele Mitarbeiter der Region zu Wort. Den Gästen soll nicht in erster Linie etwas verkauft werden. Vielmehr sollen sie sich erinnern - an die Region und vor allem das Gefühl, hier Urlaub zu machen. Ein Gefühl, das im besten Fall mit Spaß und Abenteuer, aber eben auch mit Gastfreundlichkeit, Entspannung und Vielfalt gefüttert wird - und dafür sorgt, dass die Gäste wiederkommen und anderen empfehlen, das ebenfalls zu tun.


Genauso ist das bei der Krankenkasse: Am Ende sollen die Versicherten bei ihrer Kasse bleiben, auch wenn eine andere vielleicht etwas billiger wäre - und ihren Freunden raten, ebenfalls zu eben dieser Versicherung zu wechseln.


Am Ziel der Kommunikation hat sich über die Jahrzehnte also nicht viel geändert. Am Weg, dieses Ziel zu erreichen, aber schon. Die wichtigsten Schlagworte dafür sind heute Authentizität, Transparenz und Emotionalität. Werte, die sich via Storytelling prima transportieren lassen - wenn man es richtig macht. Das ist inzwischen auch wissenschaftlich belegt.

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