In der Vorsaison ist es auf den Lofoten im Norden Norwegens herrlich still. Nur die Möwen kreischen über den Trockenplätzen der Stockfische. Und der "Geruch des Geldes" weht in die Fischerhütten.
Blanke Felsen, rau und scharfzackig, ragen aus dem Meer heraus, als würden sie das Ende der Welt markieren. Die Fähre steuert dennoch geradewegs auf die verschneiten Berge zu. Seemeile für Seemeile nähert sich das Schiff der Inselgruppe, auf der im Sommer die Sonne nie untergeht.
Die Lofotenwand ist das Erste, was Touristen von der Inselgruppe im Norden Norwegens erblicken. Lofoten heißt wörtlich "Fuß des Luchses", denn wie die Pfote des Tiers spreizen sich die Felsen in das Meer hinein. Das wichtigste Tier der Insel schwimme jedoch im Wasser, sagt Reiseführer Kristian Nashoug. Jeden Winter kämpft sich der arktische Kabeljau Skrei von der Barentssee zwischen Spitzbergen und Norwegen zu den Lofoten, um hier zu laichen.
Fischer ruderten deshalb einst auf die Inseln, um Geld zu verdienen. In Reine stehen die roten Fischerhütten, Rorbuer genannt, noch immer. Früher wohnten hier 16 Männer in einem Haus, vorn lagerten die Netze, hinten schliefen die Seemänner unter dem Dach und kochten an einer Feuerstelle. Ihren Fang verkauften sie an den lokalen König, bei dem sie einen Kredit für die Hütten, Essen und die Netze aufnehmen mussten. "Manchmal mussten die Fischer im nächsten Jahr wiederkehren, weil sie zu wenig gefangen hatten", sagt Kristian. Ein hartes Leben sei das gewesen. "Die Winterstürme sind schwer vorherzusehen, aber wenn sie dich auf See erwischen, gibt es kaum ein Entkommen."
Heute finden sich in einem Rorbu zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und ein modernes Bad. Die Stille dringt von außen in die Hütten ein, schafft sich Platz, erobert Raum um Raum. Und mit der Stille entsteht so eine herrliche Leere im Kopf.
Draußen kreist eine Möwe über der Hütte und dem Trockenplatz für den Skrei. Auf dem riesigen Gestell aus Holz hängen Tausende Fische, an ihren Schwanzflossen zusammengeknotet, über den Holzbalken. Monatelang trocknet der Skrei im Wind und wird so zum Stockfisch. "Den Stockfisch kann man mit dem Hammer klopfen und dann essen oder eine Woche lang in Wasser einlegen", sagt Kristian. Die Wikinger hatten den Fisch auf ihren Reisen mitgenommen. So hatten sie auch nach langen Überfahrten Kraft - denn der getrocknete Skrei ist reich an Omega-3-Säuren und Proteinen. Auch heute reist der Stockfisch weit. Die Hauptabnehmer sind Italien und Nigeria, wo er auch als Bacalhau zubereitet wird. 300.000 Tonnen verlassen die Lofoten jährlich. Sein strenges Aroma nennen die Bewohner deshalb "den Geruch des Geldes".
Die Vorsaison bis Anfang Juni sei perfekt für eine Reise auf die Lofoten, sagt Kristian. Da seien Preise noch niedriger, die Temperaturen stiegen langsam. Und Licht flutet Tag und Nacht die Fjorde. Die Lofoten liegen nördlich des Polarkreises, mehr als einen Monat lang verschwindet die Sonne nicht mehr unter dem Horizont.
Schlafen ist aber kein Problem. Dicke Vorhänge und Rollos an den Fenstern sperren die Sonne aus. Doch wer will schon schlafen, wenn draußen die Sonne auf die Berge scheint und Ole Kristian Larsen mit den Paddeln wartet? Feiner Nieselregen fällt auf den Haukland-Strand, etwa eine Stunde von Reine entfernt. Das tiefe Licht lässt alles erstrahlen, Himmel, Horizont, Meer: Alles erscheint hellblau, fast weiß. Die dunklen Steine, denen die Stand-up-Paddel ausweichen, heben sich stark davon ab. Kopfüber will man in das klare Meer eintauchen. Als wir es wagen, ist es nicht so eisig kalt wie erwartet. Der Neoprenanzug schirmt die Haut vom arktischen Wasser ab. Nördlich des Polarkreises würden sonst zehn Minuten reichen, bis die Körpertemperatur auf ein tödliches Niveau sinkt. Zug um Zug bewegen wir uns auf das Ufer zu. Als die Füße den Strand erreichen, ist der Körper warm, der Kopf klar.
Ole will in Zukunft mehr Touristen auf das Meer locken, er hat gerade seine Firma "Haukland Beach" gestartet. Er plant zudem, ein Café am Strand zu errichten. "Es kommen immer mehr Menschen zu uns, auch im Winter", sagt er. 450.000 Übernachtungen zählten die Lofotinger jedes Jahr. Dazu kommen jene, die auf der Insel campen, mit dem Kreuzfahrtschiff halten oder in Airbnb-Apartments und kleinen Pensionen übernachten. Schätzungen zufolge wuseln 800.000 Touristen pro Jahr auf der Insel, die 25.000 Einwohner hat.
Manche dieser Einwohner stammen wohl von den Wikingern ab. Von 793 bis 1066 bevölkerten die Nordmänner die Insel. Davon zeugt noch das Museum in Borg. Auf dem Hügel ist ein Nachbau eines Wikingerhauses zu sehen, durch das nun die als Häuptlingsfrau verkleidete Norwegerin führt. "Unseren Hof tragen die Götter auf ihren Schultern, er ist heilig", sagt sie.
Über die Nordmänner weiß man wenig, denn sie benutzten ihre Runen nur für Inschriften und Grabsteine. Alle Aufzeichnungen stammen von jenen, mit denen sie handelten - oder kämpften. Als große Männer mit langen Haaren sowie mit Tattoos von Scheitel bis Sohle beschrieb sie etwa der König von Bagdad. Doch Helme mit Hörnern trugen die Wikinger nicht; die sind eine Erfindung Richard Wagners für die Inszenierung des "Ring der Nibelungen".
Hinten der Stall, vorn der Wohnraum des Wikinger-Häuptlings und in der Mitte der Versammlungssaal, in dem sich nun der Rauch des Lagerfeuers durch das offene Dach ringelt. Über dem Feuer hängt ein Kessel mit Lammeintopf, den die Hausherrin in Schüsseln füllt. Die Touristen sitzen mit Blick zum Feuer, gegenüber die Götter Thor und Odin, nebenbei Frey und Freya. "Möge Odin uns beschützen und wir ein erfülltes Leben haben", sagt die Hausherrin und hebt ihr Glas Met Richtung Himmel, der sich immer noch nicht dunkel färbt. "Skol!"
Auf die Lofoten fliegt man am besten über Oslo nach Bodø. Von dort nimmt man die Fähre nach Moskenes. Alternativ gibt es in Leknes einen kleinen Flughafen auf der Inselgruppe, der ebenfalls von Oslo angeflogen wird. Wer gern mit dem Flugzeug reist, kann von dort auch eine Art Interrail-Ticket für die Luft buchen: Widerøe verkauft ein Zwei-Wochen-Ticket, bei dem Reisende so viele Flüge, wie sie wollen, innerhalb von 14 Tagen antreten können. Eine Zone, die sich etwa von Trondheim bis Tromsø zieht, kostet 370 Euro.
Unterwegs im LandEs bietet sich an, auf den Lofoten ein Auto zu mieten. Man kann auch den Urlaub verlängern und etwa die Norwegischen Landschaftsrouten Andøya und Senja abfahren. Entlang der abenteuerlichen Straße finden sich immer wieder Objekte, die Designer kreiert haben: eine Brücke ins Nichts etwa oder eine goldene Unisex-Toilette. Mehr Information: www.visitnorway.de