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Game of Thrones: Warum die Serie so beliebt ist

Was macht den Hype um Drachen, Königinnen und lebendige Tote aus? Eine Analyse der raffinierten Mechanismen hinter dem Erfolg von "Game of Thrones".


Samtschuhe tapsen auf feuchter Erde, zwei Mädchen bahnen sich den Weg durch den düsteren Wald. Sie wollen zu einer Hexe, die dem blonden Mädchen die Zukunft vorhersagen soll. "Jeder will seine Zukunft kennen, bis er seine Zukunft kennt", sagt die Hexe in der ersten Folge der fünften Staffel "Game of Thrones" zu Cersei, die Jahre später Königin werden soll.


Niemand kennt die Zukunft von "Game of Thrones", sie könnte jedoch rosig sein: Staffel vier haben mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland und Österreich auf dem Abonnentensender Sky gesehen. Auf RTL 2 haben 1,22 Millionen den Kampf um den Eisernen Thron auf dem fiktiven Kontinent Westeros verfolgt. Heute, Montag, strahlt Sky die erste Folge der fünften Staffel auf Deutsch aus. RTL 2 zeigt die neuesten Folgen Anfang 2016. Was macht den Hype um eine der teuersten Serien aller Zeiten aus?


"Erfolgreiche Serien sollen den Zeitgeist treffen. Sie sollen aktuelle Themen in einer bestimmten Form aufarbeiten", sagt Elena Pilipets. Pilipets ist Filmsoziologin an der Universität Klagenfurt. Gewalt, Drachen, Machtspiele und düstere Wälder - die Welt von "Game of Thrones" hat auf den ersten Blick nichts mit unserer gemein: "Es wird aber gezeigt, wie Charaktere spielerisch mit Konflikten umgehen."


"Die Charaktere sind weder gut noch böse"

Soll Königin Daenerys Targaryen ihre Drachen freilassen und damit riskieren, dass sie erneut Kinder töten? Oder soll sie zulassen, dass ihre Macht angezweifelt wird und die freigelassenen Sklaven wieder zur Arbeit gezwungen werden? "Die Charaktere sind weder gut noch böse. Sie müssen ethische Entscheidungen treffen, deren Folgen völlig unklar sind", sagt Pilipets. Dadurch entstehen Konflikte - und das sei spannend.


Die Serie funktioniere wie klassische Literatur, etwa bei Dostojewski: "Die Figuren sind sehr vielschichtig." Die Fans von "Game of Thrones" können stundenlang über die Charaktere diskutieren, weil die Serie Spielraum für unterschiedliche Sichtweisen lässt.


Der Krieger Robb Stark feiert seine Hochzeit, als plötzlich einer der Gäste ein Schwert zieht. Er, seine Braut und seine Mutter werden ermordet - von einem Verbündeten.

"Game of Thrones" ist völlig unberechenbar, Hauptcharaktere wie Robb Stark werden plötzlich geköpft oder von einem Pfeil durchbohrt. "Der Überraschungseffekt macht die Serie interessant", sagt Pilipets.


In den 60er-Jahren waren Serien völlig vorhersehbar. Ab Mitte der 90er-Jahre begann der US-Abonnentenkanal HBO mit den "Sopranos" - und damit mit komplexerem Qualitätsfernsehen, bei dem es Überraschungen gibt. 2011 startete HBO mit "Game of Thrones". "Die Fans sind freilich traurig, wenn ihre Lieblingsfigur stirbt. Aber dadurch entsteht ein neuer Handlungsstrang. Die Serie wird vielschichtiger und interessanter", sagt Pilipets.


Eine Welt, in die man aus dem Alltag flieht

Bis zwei Uhr früh der jungen Kriegerin Arya Stark beim Training mit ihrem Schwert zusehen. Mit dem Königswächter leiden, als ihm seine Hand abgeschlagen wird. Oder bewundern, wie die Drachenmutter die Macht ergreift: So mancher Fan sitzt spätnachts gebannt vor dem Fernseher. Westeros sei eine Welt, in die Zuseher vor ihrem Alltag fliehen könnten - immer wieder. "Auch beim wiederholten Ansehen einer Folge findet der Zuseher einen neuen Aspekt, der ihm vorher noch nicht klar war."


Die Produktion einer Folge von "Game of Thrones" soll sechs Millionen US-Dollar kosten. Warum nicht einen Kinofilm drehen? "Die Serie ist dem Film ökonomisch überlegen", sagt Pilipets. Serien haben das Potenzial, immer länger anzudauern. "Wegen der Produktionen sind die Kunden bereit, für Fernsehen zu zahlen." Sogar der Skandal, dass die neuesten Folgen vor Ausstrahlung illegal im Internet landeten, steigere den Hype: "Es erhöht die Popularität."

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