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Nur mal kurz die Welt retten

Social Entrepreneurs wollen die Welt verbessern - und Geld verdienen. Dabei müssen sie kreativ sein, denn auch soziale Gründer haben Todestäler zu überwinden. Red Bull und andere helfen ihnen.


Es klingt ein bisschen wie bei Asterix. Draußen die bösen Römer, die die Welt in Schutt und Asche legen. Und drinnen die Gallier - das aufständische Dorf, das sich dem Bösen widersetzt. Nur haben die Social Entrepreneurs, die sozialen Unternehmer, keinen Zaubertrank. Sie bekämpfen die Probleme der Welt mit Ideen, Technologien und Vernetzung. Gegen den Klimawandel erschaffen sie bepflanzte Wände, die noch dazu als Werbetafeln dienen. Um Flüchtlingen zu helfen, gründen sie ein Hotel, in dem die Schutzsuchenden mit Reisenden wohnen. Und um sozial benachteiligten Jugendlichen Nachhilfe zu ermöglichen, programmieren sie eine App.

Social Entrepreneurs sind gekommen, um die Welt zu verbessern. Impact - Einfluss - nennen sie das, wonach sie trachten. Gewinn ist nebensächlich. Das Phänomen ist kein kleines: Das Austria Wirtschaftsservice (aws) geht in einer Studie davon aus, dass 1200 bis 2000 Social Businesses in Österreich existieren. In Europa soll jede vierte Neugründung einen sozialen Hintergrund haben. Doch warum machen sie das? Wer hilft ihnen? Und wie finanzieren sie ihr Streben?

Bernhard Hofer ist unüberhörbar Tiroler. Das "ck" in "Innsbruck" knackt, wie es sich für den Dialekt gehört. In der Stadt hat es vor 14 Jahren angefangen: Als HTL-Schüler hat er Nachhilfe organisiert. "Ich habe dabei so viel gelernt. Nicht nur fachlich, sondern auch was Kommunikation und soziale Kompetenz angeht." Dann standen für Hofer Studium und ein Job in der Wirtschaft auf dem Plan - bis das nicht mehr erfüllend war. "Ich wollte etwas machen, in dem ich mehr Sinn sehe."

Er sei über die Idee zu seiner Plattform talentify.me gestolpert. Jedes Jahr gäben die Österreicher 100 Millionen Euro für Nachhilfe aus. Das sei viel Geld. Doch noch viel schlimmer seien die gesellschaftliche Auswirkungen. Unser Bildungssystem sei nicht durchlässig, Schülern endeten meist dort, wo ihre Eltern gewesen seien. Teure Nachhilfe verschärfe die Fronten. "Es ist eine zusätzliche Hürde für jene, die nicht so viel Geld haben." Hofer erinnerte sich an seine Erfahrungen in der HTL. Er programmierte eine Plattform, auf der sich Kinder vernetzen und zum Lernen verabreden können. "Wichtig ist uns der sozialer Austausch: Kids aus Privatschulen sollen mit Jugendlichen der Neuen Mittelschule in Kontakt kommen."

Für Hofer war es die Erinnerung an das positive Gefühl in der Schule, dass er sich in ein soziales Business gestürzt hat. Für das aws ist Hofer damit der Idealtypus des sozialen Unternehmers: Ein gut ausgebildeter Mitarbeiter steigt aus dem hochbezahlten Job aus, um sich sozial zu engagieren. Das Wirtschaftsservice sieht darin einen Wandel der Werte. Faire, nachhaltige Güter würden öfter von Konsumenten gekauft, der Trend werde sich zukünftig noch verstärken.

Johannes Allesch ist 31 Jahre alt - und somit ein Mitglied der Generation Y. Der Salzburger hat ein Startup gegründet, das Pa tienten mithilfe einer Animation über ihre Operation aufklärt. "Ich mache das, damit die Menschen Medizin besser verstehen. Das ist der soziale Gedanke hinter meiner Arbeit." Warum poppt die Diskussion um Gemeinnützigkeit gerade in seiner Altersgruppe auf? "Weil für uns vieles leichter ist", sagt Allesch und meint damit die Technologie, die uns vernetzt und einfach zu erschaffen ist. Allesch ist überzeugt, dass es nicht bei seiner Generation bleiben wird. "Diejenigen, die in den jetztigen Krisenjahren erwachsen werden, die Kriege, Flüchtlingsströme und Wirtschaftsblasen erleben, werden noch idealistischer sein. Sie werden noch mehr den Drang haben, etwas zu bewegen."

Das Wort Sinn schwebt wie ein Heliumballon über jedem Gespräch, das man mit Social Entrepreneurs führt. Der Initiator des European Youth Award (EYA), Peter A. Bruck, fügt für seine Definition des Trends aber noch etwas hinzu: Geld. "Ein sozialer Unternehmer ist jemand, der nachhaltige Projekte verfolgt, nicht sich nur über den Verkauf am Markt finanzieren. Der Gewinn aus dem Projekt ist ein sozialer und gesellschaftlicher und nicht rein monetär." Mit dem europäischen Preis EYA zeichnet Bruck jedes Jahr jene aus, die gesellschaftliches Engagement und Business Plan perfekt vereint haben.


"Social Entrepreneurs sind schlau"

Für jeden Gründer ist es eine Herausforderung, genügend Geld für seine Idee zu sammeln und selbst davon leben zu können. Soziale Unternehmer hätten es jedoch ungleich schwerer, sagt Bruck. Sie hätten nicht zum Ziel, ihr Produkt möglichst oft zu verkaufen. "Sie müssen kreativer sein in der Finanzierung, sie müssen sich mit Vereinen, Institu tionen und der Gesellschaft auseinandersetzen." Zu Geld kämen die Social Entrepreneurs oft über Umwege. Mäzene und Spender spielten eine geringe Rolle. "Social Entrepreneurs sind schlau, sie bedenken mehrere Erlöskanäle. Sie sind auf mehreren Märkten gleichzeitig aktiv."

Für Allesch und seine OP-Animationen heißt das, dass er sein Produkt nicht an jene verkauft, die davon profitieren. Die Patienten zahlen nichts für die Nutzung, sondern die Krankenhäuser. Sein Wissen nutzt der 31-Jährige auch, um Visualisierungen für Pharmakonzerne und medizintechnische Hersteller zu erstellen. Allesch sucht gerade neue Investoren.

Hier stoßen die Gedanken auf den größten Widerspruch. Wie jedes Startup brauchen Social Entrepreneurs Investoren, die sie auf den nächsten Level heben. Doch soziale Firmen sind nicht darauf aus, Gewinne zu machen. Sie schütten kaum Dividenden aus. Warum sollte also jemand investieren?

Bruck, der mit seinem Award selbst unterstützt, nennt zwei Aspekte. Zum einen seien soziale Unternehmer kreativ, sie müssten ständig das Umfeld abklappern. Zum anderen seien oft Projekte auf lange Sicht profitabel, vor allem in der Gesamtkostenrechnung: "Wenn man etwa bei der Atomkraft nicht die ökologische Kosten auf Dritte abwälzt, sind die Werke nicht mehr rentabel."

Das sehen offenbar auch viele Banker so. Die deutsche Otto M. Schröder Bank schätzt das weltweite Marktvolumen für soziales Investment auf 19 Billionen Euro. Das Forum Nachhaltige Geldanlage spricht von 326 Milliarden Euro, die vergangenes Jahr im deutschsprachigen Raum für "Impact Investment" überwiesen wurden. Und auch bei den privaten Anlegern scheint das Soziale immer wichtiger zu werden: Nicht ohne Grund fallen in den Bankfilialen viele grüne Folder auf.


Mehr Geld oder mehr Einfluss

Bei aller Begeisterung: Die Finanzierung sei für gemeinnützige Unternehmer nach wie vor das größte Problem, sagen Experten des aws. Der Tiroler Bernhard Hofer hat für Investoren deshalb ein spezielles Angebot. Je mehr gesellschaftlichen Mehrwert sein Unternehmen schafft, desto weniger Verzinsung erhält der Geldgeber. Wer jetzt Kapital investiert, erhält in sechs Jahren vier Prozent Verzinsung - es sei denn, Hofer hat in der Zeit einer großen Anzahl von Jugendlichen Nachhilfe verschafft. Dann sinkt die Verzinsung auf drei Prozent. "Wir verknüpfen gesellschaftliche Komponenten mit der Verzinsung, das macht es so spannend."

Das Finanzmodell für talentify.me zu konstruieren dauerte ewig. "Soziale Unternehmer brauchen länger, bis sie erfolgreich sind", sagt Hofer. Denn die Lösung muss nicht nur am Markt funktionieren - sie muss auch gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Und um seinen Weg zu gehen, muss der Tiroler auch durch die Todestäler.

Das erste Todestal sei Marketing und Vertrieb, sagt Experte Bruck. Es gehe darum, das Produkt bei den Nutzern bekannt zu machen. Das zweite Todestal sei die Refinanzierung, bei dem der richtige Partner gesucht werden soll. Der dritte Punkt hat schon viele Startups zum Fallen gebracht: "Bloß nicht mit den eigenen Leuten zerstreiten."

Damit soziale Unternehmer die Todestäler überstehen, gibt es Unterstützter. Amaphiko etwa gehört zu Red Bull: Die Ini tiative verbreitet Ideen und vernetzt die Erfinder über eine Website. Ein Panel entscheidet, wer dabei sein darf. Jedes Jahr veranstaltet die Ini tiative zudem eine Academy, 2017 wird sie in Brasilien, Südafrika und Baltimore, USA, stattfinden. Nach einem zehntägigen Workshop erhält jeder Teilnehmer einen auf 18 Monate ausgelegten Entwicklungsplan.

Der größte Erfolg ist nach Angabe der Pressestelle die Idee von Thato Kgatlhanye, einer 21-jährigen Südafrikanerin. Sie hat eine Schultasche aus recycelten Plastiktüten erfunden, die Licht spendet: Ein Solarpaneel sammelt Energie auf dem Schulweg und leuchtet, wenn Kinder ohne Zugang zu Elektrizität im Dunkeln lernen wollen.

Wer indes an einem Schreibtische im Impact Hub in Wien Platz nimmt, kann sofort auf ein Netzwerk von 11.000 Personen zugreifen. Markus Engelberger ist Teil davon. Der Venture Manager, Initiator des "Creative Skills & Tools"-Festivals und selbstständiger "Potenzialentfalter", berät Gleichgesinnte: Personen, die für eine Sache brennen. Die Welt sei nämlich kompliziert. Und die Herausforderungen könnten am besten von sozialen Unternehmern gelöst werden, die sich selbst finanzierten.

Also ist Engelberger einer der Gallier, die gegen die Bösen kämpfen? Ganz im Gegenteil, sagt er. Engelberger liebt zwar die Asterix-Bände, denkt aber nicht, dass die Welt böse ist. Er sieht die Social Entrepreneurs eher wie die Comic-Helden "Avengers": "Wir sind moderne Superhelden, die Verantwortung übernehmen. Solche, die mutig und entschlossen als Pioniere voranschreiten."

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