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Bundesligastart: Tippfieber im Internet - SPIEGEL ONLINE

Vorbei sind die Zeiten von zerknitterten DinA4-Zetteln im Büro. Vorbei auch die montägliche Auswertung vom Kollegen am schwarzen Brett vor der Kantine. Getippt wird heute im Internet.


Auf Webseiten wie "kicktipp" oder "tip4all" können Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen kostenlos Tippgemeinschaften gründen und nennen sich "Blutgrätsche", "Grasnarbe" oder auch "Tante Käthe". Die Spielregeln sind denkbar einfach: Für richtig getippte Fußballergebnisse und Tendenzen gibt es Punkte. Ob es dabei um Geld geht und wie hoch der Einsatz ist, entscheidet jede Tipprunde selbst. Am Ende der Saison wird der Gewinn an die besten Tipper ausgezahlt.


Beim Online-Tippen können alle Mitspieler auch noch nachts um zwei im Internet nachgucken, was ihre Tipps gebracht haben und wie die Konkurrenz abgeschnitten hat. Besonders spannend wird der Blick ins Internet am Sonntagabend nach den letzten beiden Partien eines Spieltags. Leverkusenfan Jan Lehmann aus Freiburg hat das Tippen im Internet schon oft einen guten Start in die Woche beschert. "In der letzten Saison konnte ich es richtig genießen, nach einem Tagessieg montags zur Arbeit zu gehen. Da gab es erst mal Glückwünsche von allen Seiten."


Für den Dreißigjährigen ist die Bundesliga noch spannender geworden, seitdem es Internet-Tippspiele gibt. Es geht jetzt nicht mehr nur darum, wie "sein" Verein gespielt hat, sondern auch, wie er selbst beim Tippen abgeschnitten hat. "Wenn die Bayern mal wieder gewinnen, muss ich mich nicht nur ärgern, sondern habe eventuell als Trost drei Punkte auf meinem Tippkonto, wenn ich auf Bayern gesetzt habe." Über solche Trostpunkte im Netz freut sich auch Felix Hoffmann. Seit der WM 2002 tippt der St. Paulianer online in mehreren Tipprunden mit. "Das mit den Zetteln früher, das war irgendwie nichts. Da war man regional gebunden. Heute spiele ich mit meinem Schalker, Aachener und Freiburger Freund zusammen in einer Tippgemeinschaft." Auch beim Urlaub auf Mallorca müssen er und seine Mitspieler keine Runde aussetzen, sondern können vom Internetcafe aus mittippen.


Online ist bequemer


Der Anlass für den Hamburger, von der Zettelwirtschaft zu einer Internet-Tippseite zu wechseln, war aber die leichtere Organisation: Die Tippabgabe und die Ergebnis-Auswertung sind durch das Internet viel einfacher geworden. Deshalb spielen seiner Meinung nach auch immer mehr Leute mit.


Dass die Zahl der Online-Tipper steigt, freut auch den Düsseldorfer Jens Eversmann von "kicktipp". Angefangen haben er und sein Kollege vor neun Jahren mit einer Fußballtippseite, die ursprünglich nur für den Freundeskreis gedacht war. "Seit der WM 1998 hat sich die Zahl unserer Mitglieder jedes Jahr ungefähr verdoppelt". Das Bundesligaangebot von "kicktipp" nutzen heute mehr als 9000 Tippgemeinschaften mit über 100.000 Spielern. Zur Registrierung brauchen die Tipper nicht einmal eine E-Mail-Adresse und können inzwischen auch Tipps für viele andere Sportarten und untere Ligen abgeben.


Immer noch unterrepräsentiert sind weibliche Tipper: Bei "kicktipp" liegt der Frauenanteil bei nur rund zwölf Prozent. Der einen oder anderen Frau gelingt es aber, selbst einem erfahrenen Tipper wie Felix Hoffmann ernsthaft Konkurrenz zu machen. "Eine Freundin war in meiner letzten Tippgemeinschaft bis kurz vor Saisonende auf Platz eins. Letztendlich hat es dann zwar doch nicht für die ersten drei Plätze gereicht, aber immerhin hat sie besser abgeschnitten als ihr Freund und mit den Tagessiegen noch eine Menge Geld gemacht".


Tippen auch für Fans ohne Freunde


Wer nicht genug tippbegeisterte Mitspieler für eine eigene Tippgemeinschaft zusammen bekommt, kann sich bei allgemeinen Tipprunden anmelden. Sie stehen für jeden offen, so dass man die meisten Mittipper nicht kennt. Bei einigen Anbietern wie der leicht zweideutig klingenden Seite "machihnrein" muss man bei der Anmeldung jedoch eine Reihe persönlicher Daten preisgeben. Die bunte Seite lockt mit Gewinnen wie Frei-SMS und Gutscheinen. Letztere kann man allerdings nur auf den kommerziellen Wettseiten des Sponsors einlösen.


Aber nicht nur die Sponsoren profitieren von den beliebten Internetwetten. Durch die hohen Klickzahlen werden sie auch interessant für andere Unternehmen, die sich im Internet präsentieren. So haben die Entwickler von Tippseiten unter anderem Banken, Versicherungen und Medienunternehmen als ihre Kunden entdeckt. Diese kaufen vorprogrammierte Tippspiele und bauen sie in ihren eigenen Internetauftritt ein. Auch die Seiten mancher Bundesligaclubs bieten den Fans die Möglichkeit, online zu tippen.


Für echte Tipp-Experten ist der Reiz bei einem einfachen Tippspiel oft zu kurz. Sie geben einen etwas gewagten Tipp ab, sagen am Montag: "Siehste! Drei Punkte, ich hab es euch doch gesagt!". Und dann kommt schon wieder der nächste Spieltag. Für diese Spezies bieten die Internetseiten von "Kicker", "Comunio" oder "Sport1" auch so genannte Managerspiele an. Hier kaufen die Teilnehmer für ein begrenztes Budget Spielgeld zu Beginn der Saison eine eigene Mannschaft aus dem Pool der Bundesligaspieler. Nach jedem Spieltag bekommen die eingesetzten Fußballspieler je nach Leistung Punkte zugeordnet. Bei diesem Strategiespiel können die selbsternannten Manager beweisen, ob sie ein Näschen für neue Talente besitzen.

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