Chinas Wirtschaftsmacht macht Unternehmern Angst. HSBC-Managerin Wong und Covestro-Chef Steilemann erklären aber, wieso Kooperation gerade jetzt sinnvoll ist.
DüsseldorfExtra für Helen Wong, China-Chefin der Bank HSBC, wurde am Dienstag auf der Bühne der Handelsblatt-Konferenz Asia Business Insights ein Podest vor dem Rednerpult installiert. Doch als sich die etwa 1,60 Meter große Managerin darauf stellt, ist ihr Kopf doch sehr weit über dem Mikrofon. „A little too much", sei es. Sie steigt ab, schnell wird das Podest weggetragen.
Die Situation war Zufall, könnte aber auch sinnbildlich interpretiert werden: Unterschätzen wir Deutsche, Europäer oder ganz pauschal der Westen die Größe der Chinesen? Es ist eine der Leitfragen, die auf der Veranstaltung in Düsseldorf mitschwingt.
Viel offensichtlicher geht es aber um Kooperation, Zusammenarbeit und Marktchancen, die sich für beiden Seiten bieten. Wong verdeutlicht es mit einer Erzählung aus einem chinesischen Provinz Guangdong, die sie, in Hongkong lebend, 1978 besuchte. Damals war die Gegend von der Landwirtschaft geprägt. „In den Geschäften wurden nur Grundnahrungsmittel verkauft. Das Leben war von Einfachheit geprägt", erzählt sie.
Heute sehe sie dort auf den Straßen vor allem deutsche Autos. In den Geschäften stünden Produkte deutscher Marken, ein Großteil der Medizin stamme von deutschen Pharmaherstellern. „Deutsches Talent hat uns zu Wohlstand verholfen", sagt Wong.
Nun aber wendet sich laut Wong das Blatt: China sei kein Follower mehr, sondern Trendsetter. Statt Innovationen nachzubauen, werden eigene erschaffen. China ist vom einfachen Partner zum Konkurrenten erwachsen. Kein Grund zur Sorge. „Deutschland sollte seinen Chinakurs halten", sagt die Bankerin.
Der Grund: Der Mittelstand in China wächst. Mit dem Wohlstand steigen auch die Ansprüche an die Qualität der Konsumgüter. Damit verändern sich die Marktbedingungen. Die besten Marktchancen lägen nun beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit, dem sich die Regierung verschrieben hat.
Gerade deutsche Firmen hätten hier viel Expertise und könnten diese nun auf dem chinesischen Markt nutzen, der ungeachtet von politischen Gefahren wie einem Handelskrieg mit den USA, stabil sei. „Die Wachstumsraten können dann sinken, aber wir werden weiter wachsen", sagt Wong überzeugt.
Von der nachhaltig positiven Entwicklung in China ist auch Covestro-Chef Markus Steilemann überzeugt. „Unsere Maschinen sollen dort mindestens 70 Jahre laufen", sagt er. Der Kunststoffhersteller mit Sitz in Leverkusen ist bereits seit 1996 in China aktiv. „Der Markt ist anders. Aber wir haben uns an die Bedingungen angepasst", sagt Steilemann.
Kritik und Probleme anderer Unternehmer am chinesischen Markt und den politischen Regularien könne er schlecht nachvollziehen. Für ihn biete vor allem der rasante Ausbau der Infrastruktur und die Urbanisierung neue Absatzmärkte. „Wenn es um E-Mobilität geht, geht es auch immer um leichte Kunststoffe für Fahrzeuge", erklärt er.
Auch die aktuelle Debatte über die Verschmutzung der Weltmeere mit Plastikmüll spricht er an, vermeidet aber konsequent den Begriff Plastik. Sein Appell: „Die Verschmutzung muss sofort aufhören." Die Zuschauer applaudieren.
Der Covestro-Chef wertet es als „ganz normale Entwicklung", dass China seine wirtschaftlichen Interessen in der Welt stärker vertritt und dabei seine Vorteile sucht - auch wenn dies für westliche Unternehmen nun ungewöhnlich erscheinen mag. Steilemann zog einen sportlichen Vergleich: „Das einst kleine Kind, das unter den großen Jungs in der Weltwirtschaft früher ein bisschen mitgekickt, ist nun erwachsen und ein großer und starker Mitspieler geworden."
Steilemann fordert Politik und Wirtschaft dazu auf, gerade mit China im intensiven Gespräch zu bleiben. „Wir dürfen keine Mauern aufbauen, sondern müssen bestehende einreißen", sagte er. Europa tue gut daran, sich weiter für einen freien Welthandel einzusetzen, der nach gemeinsam vereinbarten Regeln funktioniert. „Wir müssen aber auch sicherstellen, dass die Freiheiten, die ausländische Unternehmen bei uns haben, auch in ihren Heimatländern gelten."
Das ein Land wie China langfristige wirtschaftliche und industriepolitische Visionen entwickelt, wertet der Covestro-Chef als vorbildlich. „Es würde sehr helfen, wenn wir uns in Europa ebenfalls langfristige Visionen und Ziele setzen würden", sagt er. Damit tue sich Europa allerdings schwer. „Es fehlt der Mut zum Aufbruch, der Wille, trotz Rückschlägen an einer klaren langfristigen Vision festzuhalten."